Bettlere.

[53] Bettlere betriegen 1) Wenn sie sich zu Aufführung eines Kirchen-Baues falsche Collecten-Bücher, Attestata und Vorschrifften machen lassen, mit solchen im Land herum gehen, und damit den Leuten das Geld gleichsam aus dem Beutel stehlen. 2) Wenn sie sich falsche Brand-Briefe / und Bücher entweder selbst schreiben, oder schreiben lassen / auch wohl wahrhaffte Sammlungs-Patente von denen Besitzern, die solche lang genug gebraucht, erhandeln / oder ihnen heimlich entwenden / dergleichen Betriegereyen mit Colligirung der Allmosen auf Lutheri abgebranntes Haus zu Eißleben erst vor einigen Jahren passiret. 3) Wenn sie die Petschafften oder Patent-Siegel entweder selbst wissen nachzustechen / oder von andern nachstechen lassen, damit sie ihre falsche Attestata bekräfftigen können. 4) Wenn sie die Leute desto freygebiger zu machen / die Zahl des empfangenen Gelds[53] in ihren Collecten-Büchern vergrössern, und z.E. an statt 6. Pfennige mit Vorsetzung der einfachen Zahl 16. schreiben. 5) Wenn sie sich von mitleidigen Personen / denen sie ihre verstellte Noth aufs beweglichste vorgestellet und scheinbar vorgebracht / Recommendations-Briefe an andere mitleidige Hertzen verfertigen lassen. 6) Wenn sie ihre Bettel-Briefe /mit welchen sie an einen Ort zu offt gekommen / und die daher allzubekannt werden wollen, unter einander vertauschen, so / daß einer des andern Namen / Vaterland und Anliegen an sich nimmt. 7) Wenn sie offt nur auf einen bloßen Pass, des Innhalts, daß sie etwa vor einem oder zwey Jahren an einem gesunden Ort gewesen, Allmosen begehren. 8) Wenn sie durch ihre Bettelmännische Beredtsamkeit simuliren und dissimuliren / und sich zum Exempel auf einem Edel-Hofe vor arme vertriebne von Adel, auf einem Pfarr-Hofe vor arme vertriebne Priester, vor Conversos u.s.f. ausgeben, wie davon das Exempel des allhie in Coburgischem Zucht-Hause vor einigen Jahren gefangen gesessenen sich so nennenden Barons von Friesen, der nach der Zeit in Wien und Dreßden dergleichen Falsa aufs neue begangen haben solle, bekannt ist. 9) Wenn sie sich vor Maurer oder Zimmer-Leute ausgeben, die vor andere / so beym Kirchen-Bau verunglücket / betteln müsten. 10) Wenn sie mit simulirten Kranckheiten aufgezogen kommen, und wol des Tages über an Krücken gehen / des Nachts aber in den Wirths-Häusern springen und lustig seyn. 11) Wenn sie den Innwohnern auf den Dörffern die Allmosen abtrotzen / und ihnen / unter Bedrohung allerhand Unglücks, so sie über jene bringen wolten /[54] wol vorschreiben, wie viel man ihnen geben solle. 12) Wenn sie sich ohnerachtet, daß sie noch Hauß und Hof haben / aufs Betteln legen / und lieber an unbekannten Orten unverschämte Bettler abgeben, als daß sie zu Hause ihr Stückgen Brod redlich verdienen. 13) Wann sie unter dem Schein des Bettelns auf den Land-Höfen die Gelegenheit absehen / wo sie etwa einbrechen / und ihre räuberische Hände füllen können. 14) Wenn sie die Füsse mit Lappen und alten Fetzen verwickeln / und solche vor schadhafft ausgeben, sonst aber da niemand gegenwärtig / trutz einem Land-Boten lauffen können. 15) Wenn sie sich als Stumme anstellen / ein Glöcklichen / welches die Stelle der Zunge vertreten soll / in die Hand nehmen /und mit lauter simulirtem Deuten das Allmosen suchen. 16) Wenn sie in ihre falsche Briefe oder Collecten-Bücher vornehme Städte einschreiben in welchen sie Allmosen empfangen hätten / da sie doch selbige weder gesehen, noch hinein gelassen worden. 17) Wenn sie sich vor abgedanckte Officiers ausgeben /und mit falschen Abschieden, Briefen und Pässen versehen. 18) Wenn sie sich vor blessirte / abgedanckte oder vom Feind desertirte Soldaten fälschlich ausgeben, die andern abgenommene Abschiede aufzeigen /Hände und Arme, als ob ihnen solche ermangelten /verbergen, und sich als ob sie lahm oder hinckend geschossen worden / anstellen. 19) Wenn sie / wie viele Handwercks-Bursche zu thun pflegen / nach heut aus der Stadt-Allmosen-Cassa empfangener Gabe, andern Tags einen fremden Nahmen annehmen, und unter ihres Cameraden Kleidung sich die Gabe noch einmahl reichen lassen.


[55] Mittel. 1) Daß / was die falschen Kirchen-Collectores anlanget / man keine Kirche zu bauen anfange / wo es nicht die höchste Noth erfordere / und ausfindig gemacht sey / ob man den vorhabenden Kirch-Bau auf eigene Kosten / ohne des andern Uberlast / auf- und ausführen könne / damit dergleichen Collectores, durch das müßige herumgehen der Arbeit nicht entwehnet und hergegen des Bettelns dabey gewohnet werden. 2) Daß / was abgebrannte Arme betrifft / von hoher Obrigkeit solche Anstalten gemachet werden / vermöge welcher dergleichen verunglückten Leuten aus allen im Lande seyenden Ærariis publicis, auch wol im Nothfall aus denen Landschaffts-Cassen / oder aber aus einer besonders anzurichtenden Brand-Cassa ein gewisses Allmosen zu einiger Wiederholung des erlittenen Schadens / nach Proportion derer abgebrannten Personen / gereichet werde / damit solcher gestalt sie mit Brand-Briefen im Lande herum zu ziehen / und darauf zu betteln / nicht genöthiget wären. 3) Daß / was die blessirte Soldaten und Land- und Hauß-Arme anlanget / jene ein jeder Stand / wie in Franckreich geschicht / und auch Hn. Adjuncti Eyrings Vorschlag in seiner abgezogenen Decke der Welt p. 103. durch das gantze Römische Reich also seyn solte / diese aber ein jedes Land / Stadt und Dorff nothdürfftiglich versorgete / zu dem Ende sonderlich in grossen Städten und Residentzien allerhand Manufacturen könten angelegt werden / darinnen die Armen / und auch öffentliche Landstreicher / die gar nicht zu dulden / ihr Stückgen Brod mit verdienen könten. 4) Daß / wo Bettler und Krüppel verdächtig / man solchen unverschämten Leuten / um desto besser hinter die Wahrheit zu kommen / recht auf den Zahn fühle /und sie durch gewisse dazu bestellte Personen fleißig examiniren lasse / mithin auf Befinden des Betrugs selbige ernstlich bestraffe. 5) Daß weder die Herren Pastores in Städten und auf dem Lande / aus unzeitiger Barmhertzig- und Leichtgläubigkeit / denen unverschämten Bettlern Vettel Briefe verfertigen / noch auch die Notarii aus interessirter Absicht solchen ihre alte zerrissene Briefe erneuerten / und mit Aufdruckung ihres Notariat-Siegels und gewöhnlichen Petschaffts bekräfftigen. Wovon aber[56] und dergleichen andern Remediis mehr / sonderlich auch wie in Städten und auf dem Lande besondere Allmosen-Cassen anzurichten / Examinatores und Aufsehere hierüber zu bestellen / und so fort / in obangeführten meinen Gedancken von Stadt-und Land-Betteln mit mehrern gehandelt habe.

Quelle:
Hoenn, Georg Paul: Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket von ,-, Dritte Edition, Coburg 1724 [Nachdruck Leipzig 1981], S. 53-57.
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