Diebe.

[112] Diebe betriegen 1) Wenn sie ihre Kleidungen auf solche Art machen lassen / daß sie selbige so gleich umwenden und auf beyden Seiten tragen, folglich sich darmit / wenn es nöthig / alsobald verstellen können. 2) Wenn sie sich im Gesichte schwärtzen / damit man sie bey Verübung eines Diebstahls nicht so leicht erkennen möge / wie vor einiger Zeit die so genannte schwartze Guarde in Sachsen gethan. 3) Wenn sie die Hauß- und Gewölbe-Schlüssel heimlich nachmachen lassen, damit sie bey vornehmenden Einbruch nicht gehindert werden mögen. 4) Wenn sie denen vor den Thüren eines Hauses liegenden Hunden Gifft beybringen, mit Krähen-Augen sterbend oder sonst schweigend machen / daß diese sie nicht anbellen, und sie desto ungehinderter einbrechen können. 5) Wenn sie durch Anzündung einiger Diebs-Finger die Leute im Hause schlaffend machen / damit sie über ihren Diebstahl von Ihnen nicht verjaget werden / wovon Prætorius von Diebs-Daumen[112] mit mehrern nachzulesen. 6) Wenn sie sich Abends in die Kirchen, Häuser, oder Keller, mit Fleiß ohnvermerckt verschliessen lassen /damit sie hernach ihren Cameraden von innen die Thür eröffnen / und zu Hülffe / sie aber auch selbst desto eher zum Raub kommen können. 7) Wenn sie sich vor Bettler oder reisende Personen angeben / und nur um ein Nacht-Quartier bitten / unter dem Vorwand aber des Nachts aufstehen / und diebischer Weise aus dem Hause etwas entwenden. 8) Wenn sie des Nachts / sonderlich vor die Schencke kommen, anklopfen / und unter dem Vorgeben / daß sie diß oder jenes Geträncke verlangten, auf geschehene Eröffnung des Hauses gewaltsamer Weise einbrechen /wie dem Jacob Hähnel / einem Wasser-Brenner zu Tuttendorff, ohnweit Freyberg gelegen, begegnet, welcher auf besagte Weise von einem Nacht-Dieb / der vor seine zu Hause kranck gewordene Frau Schlag-Wasser gefordert, unter dem Vorwand aber nebst zweyen seiner Complicen nur einzubrechen die Intention gehabt / gewaltsam überfallen und bestohlen worden / wovon in Lips Tullians Leben P. 1. p. 64. der Bericht umständlich zu lesen. 9) Wenn sie bey würcklicher Begehung eines Diebstals einander mit erdichteten Nahmen belegen / oder sich selbst vor diese und jene Professionisten oder Handwercks-Leute fälschlich ausgeben / damit die Bestohlene hernach desto weniger Argwohn auf sie haben mögen. 10) Wenn sie auf denen Messen / Jahrmärckten / Comœdien / Opern / oder wo sonst ein grosser Zulauff des Volcks ist, mit Fleiß ein starckes Gedräng machen, damit sie, dem andern seinen Geld-Beutel oder Sack-Uhren[113] aus den Bein-Kleidern oder Schub-Säc ken entwenden zu können / Zeit und Gelegenheit bekommen mögen. 11) Wenn sie nach verrichtetem Diebstal die vornehmsten Stücke ins freye Feld und Getreidig / oder sonst wohin verstecken / damit, falls solche bey beschehener Visitation nicht bey ihnen gefunden worden / sie alsdann vor unschuldig erkannt werden mögen. 12) Wenn sie, unter dem Schein / daß sie gegen Versetzung eines gewissen Unterpfands von andern etwas erborgen wollen, die Leute diebischer weise anführen / wovon in Lips Tullians Leben und Ubelthaten P. I. p. 139. sqq. folgende denckwürdige Historie / dergleichen auch allhier in Coburg mit dem so genannten Kasten-Aennchen passirt, gelesen wird: »Nemlich / es kommt eine gewisse Trödel-Frau zu Catharina / Johann Lindners / eines Dreßdenischen Schnallen-Händlers, Ehe-Frau, und borget zu unterschiedenen mahlen auf Ducaten Geld / zehlet und weiset diese allzeit richtig auf, thut solche in Beyseyn der Lindnerin jedesmahl in weisse Schächtelgen / welche sie auch so fort versiegelt hat. Aber allezeit an statt der vorigen andere dergleichen Schächtelgen /worinnen Zahl-Pfennige / und andere dergleichen geringfügige Baggatelles, gleichfalls versiegelt / der Lindnerin arglistiger weise eingeschoben / und diese auf solche Art über 1483. Thlr. 2. gl. wissentlich betrogen. Die gute Frau hatte zwar die falsch versiegelten Schächtelgen alle zusammen in eine grosse Schachtel gethan / nachdem sie aber den Betrug endlich wahrgenommen / und dahero in Gegenwart der Betriegerin, auch eines Notarii[114] und Zeugen / das eine dergleichen Schächtelgen öffnen lassen / so hat sich besagter Betrug nur mehr als zu klar gezeiget / indem an statt der verhofften Ducaten lauter neue Zahl-Pfennige und andere Kleinigkeiten darinnen befunden worden, darüber auch die oben besagte Betriegerin auf hohen Befehl in Verhafft gekommen. Und weil nun die Lindnerin leicht die Rechnung machen können / daß die übrigen versiegelten Packetgen nichts bessers in sich halten würden, so hat sie die gantze grosse Schachtel mit allen vermeynten Ducaten / endlich ins Stadt-Gericht gebracht, allwo nach beschehener Eröffnung die Paquete allesamt falsch angefüllt befunden worden.« 13) Wenn sie / sonderlich auf Messen, dem Gerichts-Frohn, oder Land-Knechte und Büttel Geschencke geben / daß ein solcher ihnen durch die Finger sehen, und sie / bey vorgenommenem und kund gewordenen Diebstal, eben nicht allenthalben aufsuchen solle. 14) Wenn sie ihre begangene Dieberey anfangs / und ehe sie auf die Tortur kommen / steiff und fest leugnen / nachgehends aber auf der Folter / dennoch ein und andere böse That gestehen. 15) Wenn sie / was sie einmahl auf der Tortur gestanden, da sie nun ihre Urgicht in loco libero wiederhohlen sollen / gäntzlich revociren / und vorgeben / daß sie das Geständniß / aus Furcht / um desto eher der Tortur zu entkommen / gethan hätten / geschehen / keines weges aber sie die gestandene Ubelthat begangen hätten. 16) Wenn sie Christen oder Juden gestohlenes Silber verkauffen / und hernach solches ihnen selbsten / oder durch[115] andere subornirte Personen wieder stehlen. 17) Wenn sie einerley Factum auf der Tortur oder ausser derselben mit vielerley Umständen darum bekennen / damit die Inquisition wider sie desto länger verzögert, sie aber immittelst aus dem Gefängniß zu echappiren Gelegenheit ersehen mögen. 18) Wenn sie sich zu ihrer Entledigung allerhand subtile Instrumenta im Brodt / oder / wie der bekannte Studenten-Friederich in dem Bunde seines Gebeth-Buches, die Wasser-Quelle genannt / ein kleines Feilgen in das Gefängniß, ohnvermerckt des Stock-Meisters / practiciret / und damit loß gekommen, auf andere heimliche Weise bringen lassen. 19) Wenn sie die vor den Häusern angelegte und von ihnen gesterbte Hunde, nachdem sie etwa über dem Einbruch gehindert werden / hinaus aufs Feld schleiffen / und einen Schuß geben / daß man gläuben solle, die Hunde wären von einem Förster erschossen / damit man sie nicht gewahr werde / und sie zu anderer Zeit desto sicherer wiederkommen können. 20) Wenn sie in ihrem Gefängniß denen zu ihnen gestellten Wächtern von dem Opio etwas beybringen / daß diese davon in einen harten Schlaf fallen, sie aber sich mit der Flucht salviren können. 21) Wenn sie sich bey der Inquisitions-Verhör verlauten lassen / daß sie / gegen erhaltenen Pardon, allerhand Vorschläge thun wolten, daß viele böse Thaten / die von Juden und Christen intentiret würden / nicht zum Effect kommen, sondern durch ihre fleißige Aufsicht verhütet / und die bösen Leute aus dem Lande geschaffet werden solten / wie auf solche Weise obbemeldter[116] Studenten-Friedrich sich loßwickeln wollen. 22) Wenn sie von der Schild-Wacht, so sie bey vorzunehmendem Diebstal halten sollen / weglauffen / und ihre Cameraden im Stich lassen / wie der zu Dreßden hingerichtete Studenten-Friedich dem Lips Tullian und seinen Complicen etliche mahl gethan. 23) Wenn sie einander selbst nicht alles treulich ansagen / wie viel sie bey diesem oder jenem Diebstal bekommen, sondern das beste vorher unterschlagen und vor sich behalten. 24) Wenn sie einander bereden / daß hier und da grosse Schätze, worzu sie selbst alle Gelegenheit wüsten / vorhanden seyen, um einen oder den andern von der Diebs-Rotte / so etwa noch feiges Gemüthes ist, dadurch desto behertzter und begieriger zu machen / da es sich doch hernach bey begangenem Diebstal gantz anders befindet. 25) Wenn sie mit vieler Betheurung versichern /eineinder auf der Tortur nicht zu verrathen / wenn auch alle Scharff-Richter im Lande zusammen kämen, ihnen ein Glied nach dem andern abzwickten / solche in Butter braten und ihnen zu fressen geben liessen, u.s.w., dennoch aber hernach ihr Wort nicht halten, sondern einen nach dem andern entdecken und verrathen. 26) Wenn sie aus dem Gefängniß heimliche Schedulas und Briefgen schreiben, und solche in altwaschene Hemder einwickeln / wie der mit Lips Tullian justificirte Bauer / Samuel Schickel, gethan. 27) Wenn sie sich bey der Inquisitions-Verhör anstellen /als ob sie die Complices, so mit ihnen confrontiret werden, nicht kenneten / vielweniger von dem beschuldigten Diebstal / den sie mit ihnen verübt[117] haben sollen / etwas wissen wollen / wenigstens denselben auf allerhand Art und Weise zu bemänteln suchen.


Mittel: 1) Verpflichtung der Schenck- und anderer Wirthe / dergleichen loses Diebs-Gesindel keines weges zu beherbergen. 2) Lebens Straffe dererjenigen / so sich zu einer Diebs-Rotte begeben / und bey Diebereyen Wache gestanden / ob sie gleich vom Raube nichts genossen. 3) Staupen-Schlag / Festungs-Bau- oder Zucht-Hauß-Straffe / so wohl derer / wider welche ein zulänglicher Beweiß vorhanden / daß sie von einer Diebs-Bande sind / als auch derer / bey denen etwas von geraubeten Sachen gefunden wird. 4) Die Straffe keines weges zu mildern / wenn gleich das Gefohlene dem Eigenthums-Herrn wieder zugestellet würde. 5) Die zuerkannte Straf ohne Anstand zu vollstrecken / und nur etwa zwey oder drey Tage zur Vorbereitung zum Tode zu lassen. 6) Die wissentlichen Diebs-Wirthe / auch Helffere / mit eben der Todes-Straffe / als die Delinquenten selbst / zu belegen. 7) Den Ersatz des Gestohlenen und der Inquisitions-Kosten von derer hingerichteten Missethäter Erbschaft zu suchen. 8) Wider diejenigen / die bey einem Einbruch und Uberfall einen Dieb und Räuber beschädiget oder gar getödtet / keine Special-Inquisition zu verführen. 9) Die Verfolgung der Räuber und Diebe in andere Aemter und Gerichte zu permittiren / auch daß alles dieses auf den Militair-Stand extendiret werde / zu verfügen. Besiehe mit mehrern das am 27. Jul. 1719. zu Dreßden publicirte Sächsische Diebs-Mandat.

Quelle:
Hoenn, Georg Paul: Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket von ,-, Dritte Edition, Coburg 1724 [Nachdruck Leipzig 1981], S. 112-118.
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