Gelehrte.

[169] Gelehrte betriegen 1) Wenn sie durch Edirung vieler Schrifften sich einen Nahmen zu machen suchen / solche aber aus andern Büchern ausschreiben / und also fremde Arbeit vor die ihrige ausgeben. 2) Wenn sie die auf Academien nachgeschriebene Collegia zu Hause / und in ihrem Vaterlande, als Zeugen einiger Gelehrsamkeit / drucken lassen, und damit sich [169] Patronen zu machen suchen. 3) Wenn sie ohne erhebliche Ursachen statt ihres Nahmens einen falschen auf ihre Bücher setzen / oder gar ihren Nahmen verschweigen, hergegen aber den Nahmen eines andern gelehrten und berühmten Mannes davor gebrauchen, in der Absicht, daß das Werck solcher gestalt mehr æstimiret werden möge. 4) Wenn sie sich von renommirten Männern Vorreden schreiben lassen, und solche ihrem schlechten Werck præmittiren, damit sie diesem und sich sich selbsten durch einen also erlangten Lob-Spruch ein Ansehen machen mögen. 5) Wenn sie Disputationes an Fürsten und andere Standes-Personen dediciren, und doch von solchen nichts weniger als Auctores seyn. 6) Wenn sie bey Edirung der Bücher, sonderlich der Auctorum Classicorum, viele Wörter, nach ihrer Critique, verändern, und sich auf Codices MStos beruffen, die öffters nicht in Rerum Natura sind. 7) Wenn sie den Büchern grosse und prächtige Titul geben, deren Innhalt und Rubrum gleichwohl nicht mit dem Nigro correspondiret. 8) Wenn sie von ihrer Gelehrsamkeit viel Rühmens machen, und sonderlich auf Universitäten Collegia Pansophica anschlagen, von welchen Pansophisten aber der gelehrte Morhof in Polihist. Tom. I. lib. 1. cap. I. §. 24. gar bedencklich schreibt: Quantus, quæso, furor, ipsius Dei, qui SOLUS seit omnia, invadere jura? quanta stultitia, docere aliquid velle, quod in rerum natura non datur? 9) Wenn sie sich ohne Grund rühmen, neue Sachen der Hypotheses erfunden, und diese oder jene Disciplin mit einer gantz neuen und sonst nie gebrauchten [170] Methode vorgetragen zu haben, da es doch offt nur ein gewärmter Kohl ist. 10) Wenn sie ihren Schrifften selbst verfertigte Carmina, darinn sie solche bester massen loben und recommandiren / vorsetzen / und dem Leser damit /als ob es ein anderer gelehrter Mann vor sich gethan /einen blauen Dunst vor die Augen machen. 11) Wenn sie sich grosse Bibliothecquen anschaffen, und solche mit starcken Folianten und alten MStis anfüllen /damit sie wenigstens aus der Anzahl ihrer Bücher für gelehrte Leute passiren mögen. 12) Wenn sie vorgeben / daß sie sich gar keine, oder doch sehr wenige Bücher anschafften / gleichwol aber heimlich einen guten Bücher-Vorrath und Bibliothecam selectam haben / nur damit man sie vor Selbst-Gelehrte / oder vor solche, die alles, was sie schreiben, aus ihrem eigenen Gehirn hernehmen / halten möge. 13) Wenn sie sich rühmen / was sie vor rare Bücher und Manuscripta besässen, und von solchen grössers Werck und Lobsprüche machen, als sich in der That findet. 14) Wenn sie diß und jenes Buch in ihrer Bibliothec, um deren Communication dieselbe von andern freundlich ersuchet werden, zu haben verleugnen. 15) Wenn sie aus raren Büchern, so sie besitzen / die Tituln vorne heraus schneiden / damit man bey Perlustration sothaner Bücher nicht gleich wissen könne, was es eigentlich vor Auctores seyen, woraus sie etwa bey Verfertigung ihrer Schrifften das meiste zu nehmen pflegen. 16) Wenn sie die von andern communicirt-empfangene Bücher Jahr und Tag bey sich behalten, und so dann, auf beschehene Nachfrage und[171] Mahnung derselben, solche entweder empfangen zu haben leugnen / oder längstens wieder remittiret zu haben, fälschlich vorgeben. 17) Wenn sie die communicirt-empfangene Bücher nicht reinlich gnug halten /und da sie solche aus Unachtsamkeit mit Dinten beflecken, alsdann die Dinten-Flecken, damit der Besitzer, es nicht innen werde, mit Scheid-Wasser auszuwischen suchen, eben dadurch aber, weil das Scheid-Wasser die Blätter durchfrisset, die Sache mehr verschlimmern. 18) Wenn sie aus den ihnen communicirten Büchern gantze Blätter ausschneiden, um damit die ihrige / so etwa defect sind / zu completiren, hernach aber solche an den Eigenthums-Herrn wieder zuruck schicken, und da dieser über kurtz oder lang den Defect merckt, und deswegen Anfrage thut / vorgeben, sie hätten das Buch also bekommen, und wüsten sie nichts um die Sache. 19) Wenn sie sich vor graduirte Personen fälschlich ausgeben, und auch wol die Tittul-Blätter, von fremden und ausländischen Inaugural-Disputationibus mit Aufdruckung ihres Nahmens, zu einigen Beweiß / umsetzen lassen / um sich damit wider diejenige / so ihnen ihren Gradum disputirlich machen wollen / legitimiren zu können. 20) Wenn sie in ihren Schrifften andere / die es nicht meritiren, mit vielen Lobsprüchen allegiren, nur damit diese an ihnen desgleichen thun mögen. 21) Wenn sie sich durch angenommene Morosität und Bauern-Stoltz einiges Ansehen unter theils Leuten machen / da doch öffters mehr nichts, als eine pedantische Schul-Gelehrsamkeit / hinter ihnen steckt. 22) Wenn sie,[172] da sie in der Welt einige Auctorität erlanget haben, vermittelst solcher ihre ungegründete Meynungen andern wie Evangelische Warheiten aufdringen / und beybringen. 23) Wenn sie mit Fleiß eine unleserliche Schreib-Art affectiren, nur damit man sie / nach dem einmahl gefaßten Præjudicio: Die Gelehrten schreiben übel / auch vor Gelehrte halten möge. 24) Wenn sie mit grossen Elogiis und in solchen Staats-Peruquen, dergleichen sie niemahlen getragen, auch nicht tragen dürffen, sich in Kupffer stechen lassen, damit sie nur bey der gelehrten Welt ein grösser Ansehen machen mögen. 25) Wenn sie von vielen unter Händen habenden Schrifften, welche sie ediren wollen, Promessen thun / auch wohl eine Zeit beniemen, wann solche der gelehrten Welt im Druck sollen dargestellet werden / in der That aber nicht das Geringste davon ausgearbeitet / noch auch wol dergleichen præstiren können, und sich nur durch dieses Vorgeben in Renommée zu bringen suchen. 26) Wenn sie denenjenigen, so ihnen ihre Stamm-Bücher offeriren, unverdiente Elogia, oder dergleichen auch denen / welche unter ihnen disputiren oder peroriren /angedeyen lassen.

Ein mehrers besiehe unter den Tituln: Professores, Schul-Leute / Bücher-Schreiber / Journalisten etc.


Mittel: Solche Betrügereyen / welchen völlig abzuhelffen unmöglich / kan theils durch scharffe Censur und Entdeckung dergleichen Betrügere / wie bereits der Hr. Rath Mencke in seinem curieusen / auch aus dem Lateinischen ins Teutsche übersetzten Tractat de Charlataneria Eruditorum[173] oder Marckt-Schreyerey der Gelehrten / Mich. Lilienthal de Machiavellismo litterario, und andere rühmlichst gethan haben / vorgebeuget werden.

Quelle:
Hoenn, Georg Paul: Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket von ,-, Dritte Edition, Coburg 1724 [Nachdruck Leipzig 1981], S. 169-174.
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