Roß-Täuscher oder Roßkämme.

[316] Roß-Täuscher oder Roßkämme betriegen 1) Wenn sie die Pferde gantz / oder zum theil / auch wol nur an Mähnen und Schweifen färben / und also verhandeln. 2) Wenn sie eines andern Pferd ein Roß-Haar durch die dritte Hand unten über den Huf des Fusses an der Junctur practiciren / wodurch es hinckend wird / und der Eigenthümer es ihnen um ein gering Geld hingiebt / hernach thun sie das Haar hinweg / damit ist das Pferd wieder ohne Mangel. 3) Wenn sie etwas heimlich in einem Roß-Stall practiciren / das die Pferde ängstiget und an Fressen verhindert / damit der Eigenthums-Herr solche / als untüchtige oder schadhaffte Pferde / ausmustern / und ihnen verhandeln möge. 4) Wenn sie offene und unheilbahre Schäden an Schenckeln vor Coppeltritt ausgeben / welche letzte sonst leicht zu curiren. 5) Wenn sie alte Schäden obenhin zuheilen und den Käuffer damit blenden / daß er solche an dem Roß nicht mercket / aber hernach mit Schaden gewahr wird. 6) Wenn sie im Vor-Reiten derer Pferde unvermerckte Sporren bey denen Knien führen / und dadurch die Pferde muthiger / als sie gewohnet / machen. 7) Wenn sie denen eine Trägheit anzeigenden lang-öhrigen Pferden mit einem gewissen hierzu verfertigten Eisen / in welches sie die Ohren stossen / damit sie das rechte Maas treffen / und eines nicht länger noch breiter machen / als das andere / die Ohren beschneiden / oder die hangende Ohren mit dem Haupt-Gestell- und Stirn-Riemen über sich binden / oder sie schneiden die Ohren gar ab / und scheren ihnen die Mähnen ab / machen solcher gestalt einen Courtant[317] daraus / und geben wol dabey vor / er komme erst aus Franckreich / da es doch in der Haut ein fauler Schelm ist. 8) Wenn sie denen Pferden /welche Mangel am Gesichte / Felle oder trübe Augen haben / und zu besorgen / daß sie um ihr Gesicht kommen / mit Kern stechen / Mäuß auswerffen und andern Künsten dermassen helffen, und die Felle auf eine Zeitlang vertreiben / daß der Erfahrnste wol solches nicht gewahr wird. 9) Wenn sie alten Pferden die Hacken und vordere Zähne abfeilen / damit man ihr Alter daraus nicht erkennen könne. 10) Wenn sie die Schiefferbein / Mauchen-Floß- und Stein-Gall / Spar und dergleichen Gebrechen an Füssen bey guter Wartung derer Pferde mit Salben und Brandewein auf so lang vertreiben / biß sie des Pferdes loß worden. 11) Wenn sie die Pferde, so mit dem Spat behafftet / und mit denen hintern Füssen rücken oder weit voneinander gehen / vorhero warm reiten lassen / damit man das Rucken an ihnen nicht mercke. 12) Wenn sie dem Pferd die bösen Hufen mit vielen Ringen hinweg feilen, fein eben und glatte machen / und ob es schon Brüche oder Horn-Kluffte hat / dieselbe mit Wachs und Wagen-Schmier verstreichen / auch den gantzen Huff schwärtzen oder spicken / daß man solche Mängel nicht sehen kan. 13) Wenn sie die vollhüfigen Pferde auf Leder oder Filtz beschlagen / und fein glatt solche beschneiden lassen / daß / wenn man ihnen die Hufen aufhebet / man dennoch dasselbe nicht wohl sehen kan. 14) Wenn sie weisse Zeichen an die Stirn oder Füsse machen / die aber nicht länger währen / als biß sich die Pferde zu Frühlings- oder Herbst-Zeit[318] hären / und die weissen Haare wegfallen. 15) Wenn sie denen langseitigen Pferden und die viele weisse Placken auf den Rücken haben / zu deten Bedeckung einen langen grossen Sattel auflegen. 16) Wenn sie einem Pferd, so einen schweren Athem hat / mit Artzeney und Kräutern helffen, auch ihnen die Nasenlöcher aufschneiden / welche Künste aber / wenn man sie zumahlen nicht continuiret / nicht lange währen. 17) Wenn sie trägen Pferden / welche nichts nach dem Sporn fragen / die Seiten mit einer Flieten öffnen / gestossen Venetianisch Glaß darein reiben und verheilen lassen / damit / wann man nur ein wenig mit denen Spornen daran kommt / sie desto frischer fortgehen mögen. 18) Wenn sie hartmäuligen Pferden ein Schnürlein oder kleines Kettlem auf beyden Seiten oben in die Stangen / da man die Künhacken einmachet / hengen / und unten zwischen denen untern Leffzen des Pferdes herum ziehen / und mit Buckeln dermassen verdecken / daß es keiner gewahr wird. Denn damit lassen sich die harten Mäuler am besten aufhalten. 19) Wenn / da sie ein paar Kutschen-Pferde mit einander jemand vorreiten / die Mängel des einen oder andern / auf welche man so genau nicht / als auf eines allein sehen kan / damit verbergen. 20) Wenn sie / da sie mercken / daß mancher Käuffer grossen Lust zu einem ihrer Pferde hat / bey demselben vorgeben / es habe ihnen kürtzlich einer so und so viel vors Pferd geben wollen / dahero auch / zu dem Ende einige von ihren Knechten bestimmen / daß sie eben zu der Zeit /zu welcher sie mit dem Käuffer daraus reden / kommen sollen und sagen: Herr derjenige ist wieder[319] da /und will nochmahls fragen / ob er das Pferd um das Geld bekommen kan / dabey auch sich stellen / als wolten sie es ihme geben / nur damit der gegenwärtige Käuffer desto begieriger werde / das Pferd um das ihme gebothene Geld / aus Beysorge / es möchte ihnen sonsten von dem andern ausgekauffet werden /zu behalten. 21) Wann sie von diesem oder jenem ihrer Pferde vorgeben / sie wären aus Kayserlichen oder andern berühmten Gestüde aus eines grossen Herrns Marstall durch Verehrung oder besondere Addresse gekommen / da sie entweder gar nicht von solchen Orten / oder um Mängel und Gebrechen willen ausgemustert worden. 22) Wenn sie teutsche Pferde vor Englische oder Polacken / Ungarische vor Arabische oder Barbarische Pferde bey dem Verkauff ausgeben. 23) Wenn sie / da ein Pferd nach den Studen oder andern Pferde wild und toll ist / solches verschneiden und wallachen lassen / es jämmerlich mit grossem Geschrey zerschlagen / und da es anfangen will zu rumoren und schnarchen / es anschreyen / daß es sich dafür fürchten / nachlassen und vermeynen muß / man werde es auf ein neues wiederum schlagen oder brügeln. 24) Wenn sie dergleichen tollen Pferden einen Pusch Etter- oder Brennesseln zwischen die Ohren unter dem Zaum legen / daß sie davon gantz gedultig werden. 25) Wenn sie ein Pferd / so sich im Wasser niederleget / geschwind durchreiten / dazu weidlich schlagen und hauen / damit das Pferd seine Unart nicht brauchen kan / und so es etwan nicht gerne an einem Ort / als auf den Tummel-Platz / allda man ihnen zuvor wehe gethan hat / gehet / eben die betriegliche Kunst[320] brauchen / es mit guten langen starcken Geisseln peitschen / weidlich dazu schreyen /und da ein Pferd alsdann anfähet sich zu widersetzen /wieder zu schreyen anfangen / daß es also vermeinet /die Streiche werden nicht weit seyn / folglich derselben nicht erwartet / sondern fortgehet / als ob Feuer hinter ihm wäre / ob es schon Lust hätte / eins aufzubäumen oder aufzulehnen / nieder zu fallen auf die Erde / und dergleichen einen Possen zu reissen. 26) Wenn / da ein Pferd nicht lauffen will / sondern sich widersetzt / sie eins, zwey oder mehr vorlauffen lassen / damit dieser faule Schelm hinten nach lauffe /und so es etwan unhältig / gleichfals auch die andern nicht lassen lauffen / damit / wenn dieselben stille stehen / dieser auch bey andern stehen bleibe und nicht ausreisse. 27) Wenn sie bey einem solchen Pferd / so stetig / einen Dorn oder sonst etwas stachlichtes unter den Schweiff binden / daß derselbe / wenn es den Schweiff an sich zieht / (welches sonderlich die stetigen Pferde zu thun pflegen) starck davon lauffe; oder, da Pferde Sporn-stetig seyn / welche / wenn sie einen Sporn nur fühlen / alsobald stehen bleiben / auch / je mehr man ein solches Pferd spornet / je weniger es von der Stelle gehet / sie / die Roßkämme / wenn sie ein solch Pferd vorreiten / / auch keine Sporen anlegen. 28) Wenn sie / da ein Pferd nicht gerne pariret /einen / welcher dem Pferde wohl bekannt / und es zuvor mehr als einmahl mit einem Prügel vor den Kopf geschlagen / zu öberst an die Carrera stellen, der Acht habe / wenn das Pferd pariren soll / und ihm zuschreyet / den Mantel aufhebt / oder sonst ein Zeichen giebt / darbey das Pferd weiß / daß es inne halten soll /[321] will es anderst nicht wiederum geprügelt werden / dergleichen sie auch thun. 29) Wenn sie, da ein Pferd nicht gerne auf die eine oder andere Seiten gehen will / einen auf dieselbige Seiten stellen / der ihm ein Zeichen giebt / daß es sich wenden / oder sein Abentheuer mit dem Prügel ausstehen soll. 30) Wenn / da sie einen Göcker haben / und solchen gern verkauffen wollen / ohne daß der Käuffer etwas von diesem Laster gewahr werde / sie dergleichen Pferd / so bald es nur in den Stall gebracht / und so offt es göcket / weidlich zusammen peitschen / damit / wenn sie mit einem Käuffer dahinein gehen / das Pferd alsobald vor ihnen erschrecke / und mit göcken inne halte. 31) Wenn sie / da ein Pferd hartmäulig / und darzu noch ein gar trockenes Maul hat / wie dann diese Stücke gerne bey einander seyn / solchem ein neu Mundstück mit vielen Ringen oder Kampf-Rädern / welche sie zuvor mit Honig / Saltz / Wohlgemuth und dergleichen Sachen mehr bestreichen / damit es etwas daran arbeite / und also mit Gewalt einen Schaum mache /anlegen. 32) Wenn sie gerne eines andern Pferd um einen geringen Preiß an sich handeln / oder gegen das ihrige vertauschen wollen / und zu dem Ende des andern Pferde folgende Possen ohnvermerckt zu machen suchen / daß sie mit einem Stück Seiffe dem Pferde die Zähne reiben / damit es nicht fresse / welches sie aber / wann sie solches um deß willen überkommen /mit Eßig / Saltz und Pfeffer wieder auswaschen / da es von Stund an auch wiederum frißt; oder / der gemeinen Sage nach / einen Nagel aus einer Todten-Bahr nehmen / und dem Pferd in[322] Stand stecken / daß es kein Mensch daraus bringe / biß man den Nagel wieder heraus gezogen; oder dem Pferd gestossene Eichhorn-Klauen eine Messer-Spitze voll geben / daß es sich anstelle / als ob es todt wäre / hernach aber /da man ihm gebähet Brod unter die Nase reibet / wieder frisch und gesund aufstehet; oder der Roßkamm isset Linsen / und hauchet dem Pferd in die Augen /daß solchem gleich ein Fell darauf werde / welches doch / so man ihme frisch Brunnen-Wasser in die Augen sprützet / wieder abgehet / und die Augen hell und klar werden.


Mittel: Uberhaupt können dergleichen Betriegereyen durch Obrigkeitliche Mandata und Verordnungen /unter Verwarnung vor empfindlicher Straffe / guten theils abgestellet / auch durch des Käuffers Vorsichtigkeit und Erinnerung des Sprichworts: Augen auf / oder Beutel auf! selbigen vorgebeuget werden.

Quelle:
Hoenn, Georg Paul: Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket von ,-, Dritte Edition, Coburg 1724 [Nachdruck Leipzig 1981], S. 316-323.
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