Vormünder oder Pfleg-Vätere.

[437] Vormünder oder Pfleg-Vätere betriegen 1) Wenn sie ihrer Pflicht vergessen / und die Pupillen um das ihrige durch allerhand Griffe leichtfertiger Weise bringen. 2) Wenn sie über die Ihnen in Hände gegebene Erbschafft der Pupillen kein vollkommenes und richtiges Inventarium aufrichten lassen / noch solches an behörigen Orte einliefern, damit sie mit solchen Gütern nach eigenen Gefallen schalten und walten können. 3) Wenn sie die Mobilien derer Pupillen zu ihrem eigenen Nutzen gebrachen, das Geld nicht auf gebührende Interessen auslehnen, sondern unter dem Vorwand, es nicht sicher anbringen zu können solches selbst, ohne es zu verinteressiren, gebrauchen. 4) Wenn sie die Mobilien ihrer Pupillen in geringern Preiß an sich kauffen / hingegen ihnen ihre Kost /Kleider und Schuhe / oder was sonst auf selbige verwendet wird, mit doppelter Kreide anschreiben und berechnen. 5) Wenn sie, da ihnen etwa noch ein Contutor zugegeben ist / welcher mit den Pupillen übel umgehet / solches der Obrigkeit nicht gebührend anzeigen / sondern aus interessirter Absicht, oder damit sie ihrem Contutori, als gutem Freunde, nicht auf dem Fuß treten, unbilliger Weise verschweigen. 6) Wenn sie ohne Vorbewust der Obrigkeit die Güter ihrer Pfleg-Kinder um ein liederlich Geld loßschlagen / oder an andere Leute / von welchen doch nicht viel gutes zu præsumiren, zur Verwaltung überlassen, damit sie sich nur derer etwa dabey seyenden Verdrießlichkeiten entschlagen mögen. 7) Wenn sie den Pfleg-Kindern /[437] von deren Vormundschafft sie einen Nutzen haben / an avantageusen Heyrathen hinderlich seyn, und ihnen / unter deren Vorstellung, wie gut sie es mit ihnen meineten, davon abrathen. 8) Wenn sie die Pfleg-Kinder Knecht- und Mägde-Dienst thun lassen, und doch noch Kost-Geld von ihnen begehren. 9) Wenn sie auf Kosten derer Pupillen und zu deren grösten Schaden mit andern / wieder welche sie etwa eine Feindschafft tragen / unnöthige Streit-Händel anfangen / und doch hernach vorgeben / es beträffe ihrer Pupillen eigenes Interesse. 10) Wenn sie um Spendagen und wichtiger Kuppel-Beltze wegen / die sie bekommen, ihren Pfleg-Töchtern solche Freyer ankuppeln / bey welchen sie eine ungleiche Ehe besitzen / und übel versorget sind. 11) Wenn sie als Rechts-Gelehrte und Advocati ihre Pfleg-Kinder in viele unnöthige Processe / unter dem Schein ihre Jura zu observiren / dergestalt verwickeln / daß sie nur viel Geld dabey verdienen und in ihren Vormundschaffts-Rechnungen in Ausgab verschreiben dürffen. 12) Wenn sie derer Pupillen Güter denenjenigen, von welchen sie jährliche Victualien und anderes spendiret, oder um halb Geld bekommen, in Pacht geben. 13) Wenn sie ihren Pflege Kindern selbst das Brod vorm Mund wie Hertius in seinen Juristischen Sprichwörtern das Wort Vormund also deriviret / wegnehmen / und daher wahr machen, was Morhof von Vormündern geschrieben: Fallit, qui dixit tutores esse dativos, esse ablativos, nemo negare potest.

Quelle:
Hoenn, Georg Paul: Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket von ,-, Dritte Edition, Coburg 1724 [Nachdruck Leipzig 1981], S. 437-438.
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