Siebenter Auftritt

[19] Vorige. Ohne Oberförsterin.


OBERFÖRSTER. Nun! Was Neues, Herr Schulz?

SCHULZ. Hm! Neues genug; aber – leider Gottes nichts Gutes!

OBERFÖRSTER. Wieso? Was ist –

SCHULZ. Was wird's sein? Die alte Leier. – Unser Herr Amtmann zieht uns einmal wieder die Haut über die Ohren.

OBERFÖRSTER. Was soll's geben?

SCHULZ. Nun – »die Gemeinde hätte so starke Ausgaben – es ginge dies Jahr so viel auf«. – Das muß nun freilich der Herr Amtmann am besten wissen, denn er hat die Kasse. »Damit er nun dem allen vorstehen könnte, so sollte aus dem Gemeindewald für tausend Taler Holz gehauen werden.«

OBERFÖRSTER. Es ist nicht möglich!

SCHULZ. Was ich Ihnen sage.

OBERFÖRSTER. Für tausend Taler?

SCHULZ. Je nun – es gibt einen lackierten Wagen.

OBERFÖRSTER. Je, da soll ja den Amtmann das – – – Nun, nun – ich muß doch auch mit dabeisein, muß doch so ein kleines Wörtchen mit dazu sprechen.

SCHULZ. Sie sind brav. Gott vergelt's Ihnen, was Sie schon an uns getan haben! Aber hierin können Sie uns nicht helfen. Es geschieht gewiß, was der Amtmann will.

OBERFÖRSTER. Nichts. Ich mache meine Vorstellung dagegen. Der ganze Wald würde ja verdorben! – Es ist nicht möglich! Weiß Er was? – Ich gehe selbst in die Stadt – ich übergebe die Vorstellung den Herren selbst.

SCHULZ. In die Stadt? Herr Oberförster – Nein![19]

OBERFÖRSTER. Warum nicht?

SCHULZ. Sehen Sie, wenn wir in der Stadt klagen, so meint der Herr dies, der andre das. Endlich wird einer ausgesucht, der soll nun darüber sprechen. Der eine? – Gott bewahre uns in Gnaden! Der reiset das ganze Jahr hier herum und dort herum. Bald hat er zu viel Arbeit, bald wird er krank. – Nun kriegt auch wohl wieder ein anderer darüber zu sprechen. Wir gehen hin und wieder her, suchen, betteln, es kostet uns schweres Geld, die Arbeit bleibt auch liegen. – – Ehe wir es uns versehen, kömmt ein Bescheid: »Wegen Widerspenstigkeit hiermit ab und zur Ruhe verwiesen.« Der Amtmann läßt ihn publizieren – haut uns den Wald vor der Nase weg – fährt mit Frau und Kindern ins Bad – und am Ende kostet es zweitausend Taler.

OBERFÖRSTER. Er tut dem Dinge zu viel. Es gibt redliche Männer in der Stadt, und ich will ihnen alles so unter die Augen legen, daß sie sich der Sache wohl sollen annehmen müssen.

SCHULZ. Hoho – habe all mein Leben gehört: »Keine Krähe hackt der andern die Augen aus.« Die Frau Amtmannin hat dem Herrn Amtmann das Amt so gleichsam zum Heiratsgut mitgebracht: der gibt nun am rechten Orte Steuern und Gaben – drum fragt ihn kein Mensch, wie er es mit uns treibt. – Warum wollten Sie sich Feinde machen? Lassen Sie es gehen, wie's geht!

OBERFÖRSTER. Ehrlich und grade durch; damit halte ich es.

SCHULZ. Ganz gut – aber –

OBERFÖRSTER. Überhaupt suche und fordre ich von den Leuten all mein Tage nichts, als was von Gott und Rechts wegen mein ist. Wollen sie mir das nicht geben, stehlen sie mir mein Verdienst aus der Tasche. Nun – sie mögen es verantworten; aber ich bleibe auf meinem Wege. Es hat mir denn doch auch schon wohlgetan, mich – schlecht und recht – vor so einem Kerl hinzustellen und ihn scharf ins Auge zu fassen. – Mit dem Rotwerden hatte es sich nun wohl! Aber was ihnen auch das Gewissen sagte, sie machten so wunderliche Gebärden und sahen so albern dabei aus – daß ich all ihre Schätze für solche Augenblicke nicht haben möchte.[20]

SCHULZ. Ja – da denk ich eben an etwas. Neulich – es mögen ein acht Tage sein – begegnete ich dem Amtmann, wie er – es war in aller Frühe – von einer Leiche kam. Da sah er nun ganz unscheinbar und grämlich aus. Hm! dachte ich so bei mir selbst – es ist doch was gar Bedenkliches um das letzte Ende! Man sei gewesen, wer man wolle – da fällt einem alles haarklein bei. – Hm – dachte ich dann so weiter – wenn dem Amtmann einmal so alles beifällt! – Herr Oberförster – ich möchte dann nicht um und neben ihm sein – ich denke, es müßte nicht gut mit ihm stehen –

OBERFÖRSTER. Herr Schulz – ich hoffe zu Gott, um die Stunde soll's mit uns beiden einmal ganz still abgehen.

SCHULZ. Ich hoff's auch. Adieu! Schüttelt ihm die Hand. Es bleibt beim alten. Ab.

OBERFÖRSTER ihm nach. Es bleibt beim alten! Nun will ich doch auch auf der Stelle meinen Bericht machen. Setzt sich und will schreiben.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Die Jäger. Stuttgart 1976, S. 19-21.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Jäger
Die Jäger. Ein ländliches Sittengemälde in fünf Aufzügen