Vierter Auftritt.

[192] Vorige. Inspektor Willner.


GREIF will fort.

HYAZINTH. Greif, man bleibe hier. Es ist ja noch nicht dargezählt.

GREIF sucht ängstlich mit Figaro zu sprechen.

FIGARO weicht ihm aus.

HYAZINTH. Willner, Er mag reden. – Greif, wir wollen gleich das Resolutum fassen.

WILLNER. Abgesandt von Ihren guten Unterthanen, die, neben hartem Mangel, noch in Unwissenheit verwildern, bin ich gekommen, um für die Schulen dieses Landes um Unterstützung Sie zu bitten – um Errettung vom gänzlichen Verderben für Lehrer und Unterthanen.

HYAZINTH. Geh' Er zum Superintendenten. Er setzt sich. Wir sollen wohl am Ende noch Schulmeister abgeben? – Was man nicht alles jetzt verlangt!

WILLNER. Der Stand, der Ihre Unterthanen zu guten Menschen bilden soll, ist Ihrer Sorge werth.

HYAZINTH ruft Figaro auf seine rechte Seite. Er spricht sonst ganz manirlich. – Nicht wahr, mein lieber Figaro?

FIGARO Pause. In Frankreich – ist das jetzt der neueste Ton, das Volk durch guten Unterricht zu bilden.

HYAZINTH leise, verwundert. Ist das? – nimmt man Notiz davon? – Ich thue – nun gut! – ich thue dann sicher, was ein anderer Kavalier auch thut. Laut. Was meint[192] Er denn, mein lieber Willner, daß für die Schulen wohl am besten –

WILLNER. Daß nur die armen Lehrer anständig leben könnten.

HYAZINTH. Ich habe – vor acht Jahren – eine Summe angewiesen.

WILLNER zuckt die Achseln.

HYAZINTH. Wie war's denn, Greif?

GREIF tritt vor. Sie ist verwendet worden.

WILLNER blickt ihn ernst an. Dächer sparsam auszubessern.

HYAZINTH erschrocken. Die ganze Summe? – Hm! – wie war's denn, Greif?

GREIF ruhig. Theuerung machte damals das Bauen kostbar.

HYAZINTH. Das Bauen kostbar! – Nun freilich wohl.

WILLNER. Es ist ein Unglück, gnädiger Herr, bei so viel Gutem in unserm Vaterlande, daß meistens wir übertreiben, oder völlig unterlassen. – Indem der eine Theil von deutscher Jugend verkünstelt wird – heran wächst in Verhältnissen, die er hernach, wenn er erwerben soll, entweder gar nicht, oder doch geringer findet: so schmachtet der andere in finsterer Barbarei. – Das Volk ist ohne Unterricht in Plagen alt geworden. – Man gibt ihm nicht Begriffe von Pflichten, noch Gesetzen, und fordert doch so viel von ihm.

HYAZINTH. Was will Er nur? – Ich fordre nichts.

WILLNER. Ach, gnädiger Herr, verzeihen Sie meinem Eifer! – Allein mich dünkt, die Akten so mancher Kriminalprozesse hätten uns bewiesen, der ärgsten Laster Ursache war meisten Theils Unwissenheit von Pflichten und Gesetzen. Der Gedanke, daran Schuld zu sein, muß bei der Unterschrift des[193] Urtheils den Richter sehr verlegen machen, wer wohl mehr Recht zu fordern hat – die Menschheit vom Verbrecher? – oder von seinem Richter der Unglückliche?

GREIF sich vordringend. Die Sache sorgsam durchzugehen – könnten Ihre Excellenz sogleich mit mir in Ihrem Zimmer –

FIGARO. Menschlich und weise ist das gedacht. – Frisch! – Ihrem Herrn das Geld hieher gezählt – und dann mit leichterm Muthe zur Arbeit für die Menschheit!

GREIF ängstlich. Das Geld – habe – ich –

FIGARO. In diesen Taschen. – O wie die Summe ihn zur Erde zieht!

GREIF heimlich. Barmherzigkeit! – Barmherzigkeit!

FIGARO nimmt den Grafen bei Seite. Er will, um Ihnen zu gefallen, bessere Sorten suchen – Indessen – damit Sie für die Noth des Landes etwas thun – so fordern Sie auf Abschlag ein paar tausend, und machen davon die Eintheilung für gute Lehrer.

HYAZINTH. So fundire ich das Gedächtniß meines Namens. Sie haben Recht. – Herr Greif – ich kann mich mit Empfang der ganzen Summe jetzt nicht befassen.

GREIF bei Seite. Gott Lob!

HYAZINTH. Doch gebe man mir sogleich vier tausend Thaler.

GREIF bei Seite. O weh! – vier tausend Thaler? – Ein scharfer Griff!

HYAZINTH. Das übrige den Nachmittag.

GREIF. Wenn Hochdieselben zuvor auf's klärlichste bestimmt –

FIGARO. Indessen die vier tausend –[194]

GREIF. Ach – Wenn – Ich bin in einer wunderbaren –

HYAZINTH. Man hängt – wie ich sehe – gar viel am Zeitlichen?

GREIF gibt zitternd vier Rollen hin.

HYAZINTH gibt sie Willnern. Vier tausend Thaler, die lasse Er wohlbelegen – und von den Zinsen, will ich, daß den Schulen aufgeholfen werde.

GREIF bei Seite. O zum Teufel! – für Schulmeister!

WILLNER. Diese Denkungsart ist Ihrer Abkunft würdig.

HYAZINTH. Das hat Er gut gesagt! – Nicht wahr, mein liebster Figaro? Zu Willner. Nun hör' Er, von dem Gelde will ich, daß alle Jahre, so lange die Welt noch steht, in jedem unserer Dörfer – am Hyazinthustage eine Rede komponirt und auch gehalten werde. Wer dann die beste Rede liefert – Er sieht ihn lächelnd an. dem werde der Ertrag von diesem Kapital.

WILLNER niedergeschlagen. Doch, wenn nun jedem armen Lehrer gleiches –

HYAZINTH. Versteht Er? Wer die beste liefert.

GREIF. Ihre Excellenz vergessen die hohe Heirath. – Kredit, Geschäfte, alles ruht darauf. Man muß die Sache schnell betreiben.

HYAZINTH ärgerlich. Nun ja doch – ja! Kommen Sie, Figaro.

WILLNER warm. Darf ich noch einmal bitten? Ach es ist –

HYAZINTH klopft ihm auf die Schultern. Ja – ja! – Es bleibt dabei – am Hyazinthustage. – Wir bleiben Ihm in[195] Gnaden wohl gewogen. – Kommen Sie, begleiten Sie mich, Figaro!


Er geht mit Figaro Arm in Arm ab.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 4, Wien 1843, S. 192-196.
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