Neunter Auftritt.

[201] Graf Christoph. Leopoldine.


CHRISTOPH. Setzen Sie sich – ma chère Nièce! Nehmen Sie eine vortheilhafte Disposition.

LEOPOLDINE. Ach theurer Graf, wenn Sie jemals –

CHRISTOPH fällt ein. Das ist genug! Ich bin desarmirt! Theurer Graf, das ist schon viel.

LEOPOLDINE. O wenn Sie gütiger mit mir verführen als meine Mutter, wie sollte die herzlichste Dankbarkeit –

CHRISTOPH. Ma Nièce! Sie geniren mich; ich bin das nicht werth. Wir sind schon einig.

LEOPOLDINE will reden.

CHRISTOPH. Aber darin haben die gnädige Mama Recht, wie Sie sagten: – »Ein Herr, der in Schlachten gewesen ist!« – Ja, wer in einer Schlacht ist – so in einer rechten Schlacht, der – macht Augen.[201]

LEOPOLDINE unruhig. O lieber Onkel, davon –

CHRISTOPH schnell. Wissen Sie nichts? Ich erzähle es Ihnen gern.

LEOPOLDINE ängstlich. Ich meine –

CHRISTOPH mit Feuer. Die große Bataille, wie ich sie zu nennen pflege. Sehen Sie – der Tag brach eben so hinter dem Walde an; wir waren in den Zelten, so war es nun – – es war – sechs Uhr? – ja! – sechs Uhr! – Vor uns – war der Wald. – So – so – in einem Triangel. Auf einer Höhe – so. – Da kam der Feind – Daß ich's recht sage – es war halb sechs Uhr – nicht sechs Uhr. Man muß nicht Unwahrheiten sagen. Es gibt aber so Leute, die, wenn sie vom Kriege erzählen, nicht bei der Sache bleiben. – Es war halb –

LEOPOLDINE. O guter Gott!

CHRISTOPH lächelnd. Hilf uns aus dieser Noth! – Ja – so beteten wir damals alle. Nun kommt die Armee aus dem Walde, so en Front – gegen uns – Heftig. und nun – nun – Er denkt nach. Warten Sie, ma Nièce – Im höchsten Feuer. Ja, erst schrien die Feldposten, und dann kam die Armee. Oder eigentlicher zu reden – die Armee griff die Feldposten an – und nun schrien sie – und dann beteten wir: »O großer Gott!« Sehen Sie – in der Stille, ein Stoßseufzer war das nur. Nun, was war zu thun? – Ich lag im Zelte, und so kam denn die Armee –

LEOPOLDINE steht auf. Herr Graf – verzeihen Sie, es ist unmöglich –

CHRISTOPH erboßt. Unmöglich? – Er steht auf. Ma Nièce, das verbitte ich mir.

LEOPOLDINE. Sie erklären mich unrecht –[202]

CHRISTOPH. Ei was, ich war deutlich genug! – Nichte – Sie haben mich sehr alterirt. Wissen Sie, man hat einen Riß, wo die Ordre de Bataille – Entre nous! wenn wir vermählt sind, müssen Sie niemals an meiner Parole zweifeln; das könnte Ihnen meine Ungnade zuziehen. – Man hat einen Riß, auf dem ich mir mein Gezelt und den Vorfall habe andeuten lassen.

LEOPOLDINE welcher plötzlich der Gedanke kommt. Verzeihung! – Ach – ließen Sie sich wohl erbitten, mir jetzt den Riß zu zeigen?

CHRISTOPH. Ah, ma Nièce! Vous êtes charmante! Nichte, Sie sind so artig, daß man schwören sollte, Sie wären nicht in Deutschland erzogen. – Meine Fata interessiren Sie? – Das verdiente einen Kuß!

LEOPOLDINE küßt ihm die Hand.

CHRISTOPH. Der Respekt darf künftig etwas zessiren, wenn Sie einmal Gräfin Boga sind.

LEOPOLDINE schmeichelnd. O – der Riß –

CHRISTOPH. Noch eins! Er setzt sich. Nièce, Sie grüßen zu gemein. Sehen Sie, Er läßt sie sich setzen. als Baronesse konnten Sie das etwa thun, aber als regierende Gräfin – nicht. Weder auf der Promenade, noch in der Kirche. Mein hochseliger Herr Vater pflegten zu sagen: – »Nur immer das Bürgervolk in der Ferne gehalten, daß sie nicht dahinter kommen, wie es ist!« – Sehen Sie, Sie müssen grüßen – so – ja so, wie neulich die allerliebste ungezogene Baronin, die so gratiös einwärts ging, wie mit kranken Füßen. – Die Augen über den Menschen hinaus, und nur den Hals ein bischen gebogen. Es sagt so: Er steht auf. verstehen Sie mich? – »Ich bin nicht irdisch,« – oder: –[203] »ich bin die regierende Gräfin,« – und hat so ein nobles Etwas – daß die Leute lieber in den Gassen umwenden, als uns begegnen. M'entendez-vous? – Ich hole den Riß. – Er geht zur Seite ab.

LEOPOLDINE hastig. Er ist fort! Wie nütze ich diesen Augenblick? Sie sieht auf Hyazinth's Zimmer. Zu ihm? – Ja – Verzweiflung gibt mir Beredsamkeit.


Sie geht hastig an des Grafen Hyazinth's Zimmer.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 4, Wien 1843, S. 201-204.
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