Erster Auftritt.

[253] Baronesse. Figaro.


BARONESSE hat Papiere in der Hand. Ja – ja! Sie haben Recht!

FIGARO. Zum mindesten scheint es mir. –

BARONESSE. Ganz gewiß! Die Grafen rebelliren gegen mich. Der süße Traum von Alleinherrschaft ist –

FIGARO mit bedeutendem Achselzucken. Wenn Greif in seinem Plane reüssirt –

BARONESSE. Vorüber! – Und das muß er nicht – das soll er nicht! –

FIGARO. Es schmerzt den Herrn Geheimenrath, daß man ihn von der Tafel ausgeschlossen hat; deshalb ist seine Rache –

BARONESSE. Der Pinsel! Das konnte er doch vermuthen, daß man ihn nicht –

FIGARO. Sie werden durch seinen Einfluß den Herrn Grafen Hyazinth verändert finden –

BARONESSE. Ha ha! – und wieder ändern; das gilt gleich. Zu so inkonsequenten Kreaturen hat ein jeder Mensch den Schlüssel.

FIGARO. Es ist befohlen worden, Sie, Frau Baronesse, nicht ungemeldet einzulassen.

BARONESSE zitternd. Das kann nicht sein – das haben sie sich nicht unterstanden.

FIGARO. Alles geht jetzt anders. – Sie haben da das Dekret in Händen, worin der Herr Graf Christoph den Willner als Rath in seine Dienste nimmt.[253]

BARONESSE. Dank Ihrer Sorgfalt, daß ich's habe! – Den Willner müssen die Grafen gleich aus ihren Diensten jagen – zur Genugthuung –

FIGARO. Nicht so! – Das ist zu strenge. – Der Herr Graf ernennen sich da einen Edukationsrath? – Nun, Sie mögen ihn wohl gebrauchen! – Allein, Sie geben Titel ohne Sold – Beweis von Ohnmacht! Wenn Sie, Frau Baronesse, dem Manne Sold ertheilen – dann zeigen Sie deutlich, wer hier die Regierung hat.

BARONESSE. Auch schaffe ich mir dadurch eine Kreatur.

FIGARO. Die Sache schreit laut durch Deutschland.

BARONESSE. Jetzt ist die Zeit, wo Anekdoten bare Münze sind. Ja, ja, die Sache kann ihr Gutes haben.

FIGARO. Was Greif betrifft – so fahren Sie schnell zu. Sie müssen ihn zerschmettern – zum Untergraben fehlt die Zeit.

BARONESSE. Hier ist der Verhaftsbefehl, den der Graf Christoph mir unterschreiben muß, es koste was es wolle.

FIGARO. Gut – und sehr gut! – Allein wie werden Sie – und wann werden Sie ihn gebrauchen?

BARONESSE. In dem Moment, wo ich Bardenrode und das Volk damit gewinnen will.

FIGARO. Der Moment ist da!

BARONESSE nach kleiner Pause. Gemach! – Fällt Greif unvorbereitet – ist das Volk nicht ganz geneigt, die Hand zu segnen, die ihn stürzt – so will es mit seinem Fall auch auf einmal die beste Welt, und stürmt mich nieder – über mich hinaus – zu Bardenrode. – Gemach! – Alleinherrschaft – Alleinherrschaft! das ist der Zweck, den muß ich nicht verrücken. – Wie geht es bei der Altenhain?[254]

FIGARO. Der Graf wankt. –

BARONESSE. Wankt? wankt? – wankt wirklich! – O Figaro, das Ende krönt den Meister.

FIGARO. Fürwahr, die goldene Lehre lasse ich nie aus dem Gesicht. Allein – wenn nun zuletzt der Graf, denn wer kann bei den Philosophen sich auf Konsequenz verlassen? – wenn er aus einem Sprung von Laune das Fräulein forderte?

BARONESSE. Ja nun – geändert ist er sehr! Und eben diese Aenderung ist mir auch eine Art Genugthuung. Wenn er sie fordert – und mir die Regierung ad dies vitae sichert – den Winter mit mir in Paris zubringt – dann ist der erste Punkt – ein ewiger Friede unter beiden kriegführenden Parteien. – Rasch. Dann habe er meine Tochter und meinen mütterlichen Segen! Jetzt forschen Sie die Grafen aus – ich habe ein Auge auf Greif. Sie geht an des Grafen Hyazinth's Zimmer.

FIGARO verbeugt sich und geht zum Grafen Baptist.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 4, Wien 1843, S. 253-255.
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