Sechszehnter Auftritt.

[156] Vorige. Gräfin.


GRÄFIN. Es beliebt Herrn von Delomer nicht, zu kommen, so muß denn das, was ich nie angefangen haben würde, durch mich geendigt werden. Aus der projektirten Vermählung kann nichts werden. Das erkläre ich rund und gerade.

DOMINIQUE V. Recht so! Je gerader, je besser.

GRÄFIN. Ihr sämmtlicher Adel ist ein Blendwerk, das weiß ich.

DELOMER. Das erlangte Diplom des deutschen Adels –

GRÄFIN. Ist gekauft, auch erlangt? Das Diplom können Sie zu gar nichts brauchen.

DOMINIQUE V. Ganz recht!

GRÄFIN. Eine Familie, deren Erbherr zum Karren verurtheilt gewesen ist –

DOMINIQUE V. Was soll das heißen?

DELOMER. Frau Gräfin, was unterfangen Sie sich?

GRÄFIN. So eine Familie kann nicht geadelt werden.[157]

DOMINIQUE V. ruhig. Auf dem Schubkarren habe ich mein Essigfaß 45 Jahre durch Paris hin- und hergefahren. Was haben Sie dagegen zu sagen, Madam?

DELOMER mit innigem Gefühl und Feuer. Ja, Madam! in diesem Essigfaß hat der Ehrenmann 100000 Livres als Mitgift seines Sohnes in mein Haus gebracht.

DOMINIQUE V. So viel war beysammen; kein Heller drüber oder drunter.

DELOMER. Mit dieser Summe hat er mich vom Banquerot gerettet. Was ich bin und habe, ist sein Werk. Mit Wurde. Sein Handwerksgeräth sey meinen Nachkommen so werth, wie die älteste Trauerfahne im Chor des Dohmes Ihrer Familie ist.

GRÄFIN. So ist das? Also ein Essighändler? Hm! ein saures Metier!

DELOMER mit Stolz. Brechen wir ab! – Das Gut ist bezahlt und mein. Heben wir die Heirath auf! Sie können nicht vergnügter darüber seyn, als ich.

GRÄFIN mit Entzücken. Dieu soit loué! Sie geben mir das Wort des Grafen zurück?

DOMINIQUE V. Mit tausend Dank! Nehmen Sie mirs nicht übel, gnädige Gräfin, aber ich hätte es Ihnen vor einigen Stunden nicht angesehen, daß Sie uns alle so glücklich machen würden.[158]

GRÄFIN. Ich versichere Ihnen, daß mir das auch nicht eingefallen ist. Zieht ein Papier heraus, das sie zerreißt. So vermacht ich die himmelschreyendste Thorheit meines Gemahls. Wir reisen gleich auf eines unserer andern Güter; denn Sie werden begreifen, daß wir hier nicht an unserer rechten Stelle sind.

DOMINIQUE V. Eine wohlausgedachte Handlung! denn dadurch kommen wir Uebrigen allgemach an unsre rechte Stelle.

GRÄFIN. Hm! – Der alte Herr wird wohl hier sein Metier fortsetzen mit dem Essig?

DOMINIQUE V. Das möchte ich, mein Seele, wohl.

GRÄFIN zu beiden. A jamais revoir! – Man wird niemals zu uns kommen, denn man würde abgewiesen werden. Geht ab.

DOMINIQUE V. Lieber Delomer! das Reiß, was auf den Stammbaum gepfropft worden wäre, hätte, mein Seele, verdorren müssen.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Das Erbtheil des Vaters. Leipzig 1802, S. 156-159.
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