Zweite Szene.

[5] Christoph, Hochmann von links, dann Torf von rechts.


HOCHMANN ebenfalls noch im Morgennegligé, öffnet sein Dachfenster. Guten Morgen, Christoph – schon so zeitlich auf?

CHRISTOPH. Leider!

HOCHMANN. Warum leider? Morgenstund' hat Gold im Mund!

CHRISTOPH. Wohl möglich; aber was nützt mir das Gold, wenn es im Munde der Morgenstunde und nicht in meiner Tasche ist?

TORF öffnet sein Fenster auf der entgegengesetzten Seite. Hahaha! Das Gold der Morgenstunde kannst du leicht auch in deinem eigenen Munde haben.

CHRISTOPH. Wie denn?

TORF. Du darfst nur bei Sonnenaufgang gähnen, so fällt das Morgengold dir ins Maul, hahaha!

HOCHMANN lacht laut.

CHRISTOPH. Na, hören Sie, bei meiner Nüchternheit wäre mir eine neugebackene Semmel lieber als so ein altgebackener Spaß.

HOCHMANN. Schäme dich, ewig dieses Winseln um die Befriedigung leiblicher Bedürfnisse! Hast du denn gar keine Philosophie, um dich darüber zu erheben?[5]

CHRISTOPH. Ach, Himmel, für diese Leerheit meines Innern könnte nur eine philosophische Sekte mir Trost bieten.

HOCHMANN. Und diese eine Sekte ist? –

CHRISTOPH. Die Sekte der Materialisten.

TORF. Hahaha! Na, laß gut sein, närrischer Kauz! Sollst dir heute einen guten Tag antun; wir lassen dich mit uns frühstücken.

CHRISTOPH. Mit Ihnen? Für sich, auf beide Fenster deutend. Ein Literat und ein Künstler? Ich glaube kaum, daß ich mir bei diesem Frühstück den Magen verderben werde.


Quelle:
Friedrich Kaiser: Ausgewählte Werke. Band 1, Wien, Teschen, Leipzig [1913], S. 5-6.
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