Dreizehnte Szene.

[57] Vorige. Robert.


ROBERT tritt während der letzten Rede ein.

SANDEL. Ihnen am wenigsten! Ich habe Ihnen schon einmal einen sehr wesentlichen Dienst erwiesen,[57] wofür Sie mir ungeheure Erkenntlichkeit versprachen, aber diese bestand immer nur in Worten. Ich habe Ihnen zu wissen gemacht, welch ungeheurer Schicksalswechsel dem Herrn von Starr bevorstehe, und Ihnen geraten, umzusatteln, damit der reiche Freier nicht entgehe. Und was hab' ich davon? – Nichts – gar nichts – für solches Honorar mag der Teufel Advokat sein!

SCHLENKHEIM. Aber lieber Doktor, noch ist ja gar nichts geschehen?

SANDEL. Was – noch nichts geschehen? Soll nicht heute schon der Ehekontrakt unterschrieben werden? Ist das nichts geschehen?

SCHLENKHEIM. Nun ja und der Ehekontrakt, den Sie mir eben vorgelesen haben, ist auch ganz gut.

SANDEL. Was, ganz gut? Ein Meisterwerk juridischer Schlauheit ist's! – Ist der verklausuliert! – Schlingt sich da nicht ein Paragraph in den andern so wunderbar zu einem Netze, aus dem er gar nicht mehr heraus kann, sobald er ihn unterfertigt hat?

SCHLENKHEIM. Nun ja, und sobald dieser Kontrakt vom Herrn von Starr unterschrieben ist, soll Ihnen, wie ich Ihnen bereits zugesagt habe, ein Honorar von 5000 Gulden werden.

SANDEL. Aha! Post festum – wann ich selbst nichts mehr ändern kann? – Sie sind nicht so dumm, als Sie aussehen! – Nichts da; sie händigen mir alsogleich die Summe von 5000 Gulden ein, oder der bereits fertige Kontrakt wird gar nicht produziert und ein neuer, simpliciter nach Angabe Ihres Eidams, abgefaßt! Punktum![58]

SCHLENKHEIM. Aber hören Sie doch –

SANDEL. Punktum!

SCHLENKHEIM. Man muß ja doch erst sehen –

SANDEL. Punktum!

SCHLENKHEIM. Welche Frechheit!

SANDEL. Punktum!

ROBERT tritt vor. Guten Morgen, meine Herren!

SCHLENKHEIM. Ah, ah, – sieh da! – Da ist er ja, mein lieber Sohn! – Lassen Sie sich umarmen! Will ihn umarmen.

ROBERT zurücktretend. Wo ist denn Ihr Fräulein Tochter? –

SCHLENKHEIM. Ich werde sogleich meine Tochter rufen, aber wäre es Ihnen nicht genehm, zuerst die Kontraktsangelegenheiten –

ROBERT sehr bestimmt. Ich wünschte vor allem Ihre Tochter zu sprechen!

SCHLENKHEIM. Hahaha! Über das verliebte Volk! – Gut, gut – sie soll sogleich da sein. Herr Doktor! Kommen Sie doch mit mir! Zieht Sandel mit sich, indem er leise zu ihm spricht. Zum Kuckuck! Es liegt in seinem Tone etwas, was mir vorkommt wie fernes Donnerwetter! – Kurios – sehr kurios! Mit Sandel ab.

ROBERT geht in heftiger Bewegung auf und nieder. Wer hätte das geglaubt? Sie wußten also?


Quelle:
Friedrich Kaiser: Ausgewählte Werke. Band 1, Wien, Teschen, Leipzig [1913], S. 57-59.
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