Dritte Szene.

[84] Christoph. Robert in einem eleganten Schlafrock, aber unter demselben vollkommen gekleidet, tritt aus dem Nebenzimmer – In demselben Augenblick tritt Jacques mit dem Frühstück ein, stellt es auf den Tisch und entfernt sich mit einer Verbeugung vor Robert.


ROBERT setzt sich auf den neben dem Tische stehenden Diwan und winkt Christoph, auf die Kaffeemaschine deutend.

CHRISTOPH gießt eine Tasse voll.

ROBERT nimmt eine Zigarre.[84]

CHRISTOPH nimmt schnell von der am Tische stehenden Zündmaschine Feuer und brennt die Zigarre an. Beneidenswertes Los dieser Zigarre!

ROBERT. Warum?

CHRISTOPH. Wenn ich ein Mädchen wäre, möchte ich nichts anders sein als diese Zigarre – so immer an Euer Gnaden Munde zu hängen, nur für Euer Gnaden zu glühen – und in dieser Glut langsam hinzusterben – o Seligkeit!

ROBERT. Ich bemerke, daß du seit einiger Zeit dich eifrig auf die Kunst der Schmeichelei verlegst, und du machst gute Fortschritte –

CHRISTOPH. Euer Gnaden! Schmeichelei ist keine Kunst, wenn man nur die Wahrheit zu sagen braucht, um schon etwas Schmeichelndes zu sagen.

ROBERT. Bravo – immer besser! Ich sehe schon, du lernst dies von meinen Freunden und Gästen – denn wie du – so sprechen alle – freilich nur mir gegenüber, das weiß ich. – Aber es macht mir Spaß, zu sehen, wie sich dieses Volk krümmt und windet, es macht mir ein Vergnügen, ihre Erbärmlichkeit zu studieren.

CHRISTOPH. Euer Gnaden! Es fällt mir zwar nicht ein, einer Ihrer Ansichten zu widersprechen – Euer Gnaden behaupten, die Menschheit ist schlecht – gut – so sage ich auch: sie ist schlecht. – Aber Euer Gnaden, gewisse Ausnahmen gibt es doch.

ROBERT. Hahaha! Du verstehst doch nicht am Ende unter dieser Ausnahme dich selbst?

CHRISTOPH. Ja, ich bin so frei –

ROBERT. Hahaha! Nun wir wollen sehen! Steht auf und tritt dicht an Christoph. Sieh, ich sage[85] dir jetzt – ich halte dich für ebenso schlecht als alle, ich bin überzeugt, daß du mich, wo du kannst, belügst und betrügst, daß du ein durchtriebener Schurke bist –

CHRISTOPH. Euer Gnaden!

ROBERT. Nun, was sagst du darauf?

CHRISTOPH die Achsel zuckend. Ich muß Euer Gnaden gegenüber schweigen – das ist die individuelle Ansicht – was kann ich da anders tun als gekränkt schweigen.

ROBERT. Was du tun könntest? – Sieh – wenn du ein Mann wärest, so müßtest du – wenn ich dich einen Schurken hieße, mir ins Gesicht schlagen.

CHRISTOPH zurückfahrend. Euer Gnaden!

ROBERT. Du müßtest mein Haus augenblicklich verlassen, und wenn du auch außer demselben betteln müßtest! – Aber sieh – du tust es nicht – du stehst gekrümmt und läßt dich von mir beschimpfen, weil du weißt, daß dich kein anderer so bezahlen kann wie ich.

CHRISTOPH. Aber, Euer Gnaden sind heute schlecht aufgelegt, – womit habe ich Ihren Zorn verdient?

ROBERT setzt sich ruhig wieder nieder. Zorn hahaha! – Bin ich zornig? – Es war nichts als ein kleines Experiment, um dir zu beweisen, daß du keine Ausnahme bist. – Im übrigen bin ich dir so gewogen, wie sonst, und ich sage dir sogar, daß ich nicht gern einen andern Kammerdiener haben möchte als dich.

CHRISTOPH eilt hin und küßt Roberts Hand. Euer Gnaden! – Diese Versicherung – o jetzt ist alles – alles wieder gut![86]

ROBERT zieht die Hand unwillig weg und wendet sich ab. Ja, nun ist alles wieder gut! – Benimmt sich so ein Kerl nicht gerade wie mein Jagdhund, den ich schlagen und treten kann und der doch – wenn ich nun wieder mit dem Finger schnalze, wedelnd und schmeichelnd zu mir heraufspringt!

CHRISTOPH für sich. Jetzt ist ihm das auch nicht recht! Heute ist's wieder rein nicht auszuhalten mit ihm; – so ist er immer, wenn er in seinen philanthropischen Betrachtungen ist! – Jetzt schick' ich den Schulmeister über ihn – Strafe muß sein! Laut. Euer Gnaden – Ihr Herr Onkel, der Schulmeister Helfer, wartet schon eine Stunde im Vorzimmer und bittet, aufwarten zu dürfen.

ROBERT verdrießlich. O weh, der langweilige Alte! Nun denn, in Himmelsnamen, laß ihn vor!

CHRISTOPH die Tür öffnend. Herr Helfer! – Der gnädige Herr sind für Sie zu sprechen!


Quelle:
Friedrich Kaiser: Ausgewählte Werke. Band 1, Wien, Teschen, Leipzig [1913], S. 84-87.
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