Vierte Szene.

[87] Vorige. Helfer.


HELFER tritt ein und bleibt mit der Miene des Gekränkten etwas entfernt von Robert stehen.

ROBERT. Guten Morgen, Vetter, – setzt Euch! – Nun, was bleibt Ihr denn so fern? Und was ist dies wieder für ein klägliches Gesicht? Ihr seht mich ja mit einer Miene an, als ob ich auf dem Sterbebette läge!

HELFER. Gäbe Gott, daß du auf deinem Sterbebette noch so lächeln könntest wie jetzt![87]

ROBERT. Ihr nehmt einen verdammt ernsthaften Anlauf zu Eurem Gespräche – aber, ich merke, Ihr verspürt ein Verlangen, einmal wieder einen moralischen Vortrag zuhalten; – nun – ich bin gefällig – ich will ruhig zuhören; – also sprecht, lieber Vetter, sagt alles, alles, was Euch auf dem Herzen liegt.

HELFER. Erinnere dich an den Tag, an welchem das Glück zuerst sein Füllhorn über dich ausschüttete; erinnere dich der schönen Vorsätze, welche du damals aussprachst. Nun hast du das liebe Gut Gemswalde verkauft, hast dich hieher in die üppige Residenz gezogen; du lebst nur den sinnlichen Freuden, du bist so wie jene Reichen alle, die du früher verachtetest – du hast dein besseres Selbst verloren. Robert! Weich werdend. Ich suche ängstlich einen Grund aufzufinden, welcher die Veränderung entschuldigt, die mit dir vorgegangen – und ich glaube, ich habe ihn gefunden.

ROBERT spöttisch. Ich bin neugierig auf dieses Resultat Eures Scharfsinns.

HELFER. Die erste Ursache ist die üble Meinung, welche du vorschnell und ungerecht von deiner Braut, deiner Henriette faßtest. Sieh, ich habe sie gestern erst gesehen und gesprochen – sie schwur mir, daß nur ihr Vater – nicht sie – früher als du selbst von jenem Testament gewußt habe!

ROBERT. Sie nicht? Und sie schwur? Hm! Ein Weiberschwur!

HELFER. Ihr geldsüchtiger Vater wollte sie auf jede Art dazu bestimmen, daß sie auf die Erfüllung deines vor Zeugen gegebenes Eheversprechens[88] dränge. – Weil sie sich aber dies zu tun weigerte, sagte er sich los von ihr – sie verließ sein Haus und bringt nun ein freudenleeres Leben bei ihrer alten Tante zu.

ROBERT. Hm! – Soviel ich weiß, stammt ja der größte Teil des Vermögens ihres Vaters von ihrer Mutter; – dies kann er ihr nicht vorenthalten; – schön ist sie auch, da wird es ihr an Freiern nicht fehlen.

HELFER. Sie wird sich nie vermählen; sie hat nur dich geliebt, sie liebt dich noch. Denn gerade sie, die von dir so tief Gekränkte, ist die einzige, welche dich entschuldigt! Robert! Um deiner selbst willen beschwöre ich dich, kehre wieder zu ihr zurück, – sprich noch einmal mit ihr!

ROBERT. Aha! Da hinauswill also?– Ich soll zu ihr gehen? Wieviel hat sie Euch denn versprochen, wenn Ihr diese Ehe doch zu stande bringt?

HELFER tief verletzt. Robert – auch mir traust du nicht?

ROBERT. Ich traue niemandem mehr – niemandem! Übrigens irrt Ihr sehr, wenn Ihr glaubt, die eine Täuschung mit Henrietten habe meine Gesinnungen geändert; – dem Himmel sei Dank, ich bin ein Mann und sieche nicht hin am Liebesschmerz. – Aber mir ist die Welt in ihrer ganzen Verächtlichkeit entgegengetreten – ich habe nur einmal unrecht und vorschnell geurteilt, das war, als ich, selbst noch arm, die Reichen ihrer Hartherzigkeit wegen verachtenswert fand. Nun habe ich diese Schule selbst durchgemacht und habe erkannt: die Reichen sind nicht hart geworden durch ihren Reichtum, sondern[89] durch die Niederträchtigkeit derer, mit denen sie in Berührung kommen. Da wird gekrochen, geschmeichelt – geheuchelt, gejammert und alle diese Manövers nur, um ein paar lumpige Gulden zu erkapern. – Darum muß der Reiche zuletzt mit Ekel von diesem Gewürm sich abwenden und nichts für gut erkennen als sich selbst, weil er, bereits im Besitze seiner Macht, nicht zu jenen erbärmlichen Mitteln seine Zuflucht zu nehmen braucht. Glaubt mir, ein wahres Wort sprach der Dichter, der da sagt:


»Es wird der Großen Übermut sich geben,

Wenn eure Kriecherei sich gibt.«


Quelle:
Friedrich Kaiser: Ausgewählte Werke. Band 1, Wien, Teschen, Leipzig [1913], S. 87-90.
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