[343] Merkur. Charis.
CHARIS für sich.
Das nenn ich Zärtlichkeit mir! Das mir Treue!
Das mir ein artig Fest, wenn Eheleute
Nach langer Trennung jetzt sich wiedersehn!
Doch jener Bauer dort, der mir verbunden,
Ein Klotz ist just so zärtlich auch, wie er.
MERKUR für sich.
Jetzt muß ich eilen und die Nacht erinnern,
Daß uns der Weltkreis nicht aus aller Ordnung kommt.
Die gute Göttin Kupplerin verweilte
Uns siebzehn Stunden über Theben heut;[343]
Jetzt mag sie weiterziehn, und ihren Schleier
Auch über andre Abenteuer werfen.
CHARIS laut.
Jetzt seht den Unempfindlichen! da geht er.
MERKUR.
Nun soll ich dem Amphitryon nicht folgen?
Ich werde doch, wenn er ins Lager geht,
Nicht auf die Bärenhaut mich legen sollen?
CHARIS.
Man sagt doch was.
MERKUR.
Ei was! Dazu ist Zeit. –
Was du gefragt, das weißt du, damit basta.
In diesem Stücke bin ich ein Lakoner.
CHARIS.
Ein Tölpel bist du. Gutes Weib, sagt man,
Behalt mich lieb, und tröst dich, und was weiß ich?
MERKUR.
Was, Teufel, kommt dir in den Sinn? Soll ich
Mit dir zum Zeitvertreib hier Fratzen schneiden?
Eilf Ehstandsjahr erschöpfen das Gespräch,
Und schon seit Olims Zeit sagt ich dir alles.
CHARIS.
Verräter, sieh Amphitryon, wie er,
Den schlechtsten Leuten gleich, sich zärtlich zeigt,
Und schäme dich, daß in Ergebenheit
Zu seiner Frau, und ehelicher Liebe
Ein Herr der großen Welt dich übertrifft.
MERKUR.
Er ist noch in den Flitterwochen, Kind.
Es gibt ein Alter, wo sich alles schickt.
Was diesem jungen Paare steht, das möcht ich
Von weitem sehn, wenn wir's verüben wollten.
Es würd uns lassen, wenn wir alten Esel
Mit süßen Brocken um uns werfen wollten.
CHARIS.
Der Grobian! Was das für Reden sind.
Bin ich nicht mehr im Stand? –
MERKUR.
Das sag ich nicht,
Dein offner Schaden läßt sich übersehen,
Wenn's finster ist, so bist du grau; doch hier
Auf offnem Markt würd's einen Auflauf geben,
Wenn mich der Teufel plagte, zu scharwenzeln.
CHARIS.
Ging ich nicht gleich, sowie du kamst, Verräter,
Zur Plumpe? Kämmt ich dieses Haar mir nicht?[344]
Legt ich dies reingewaschne Kleid nicht an?
Und das, um ausgehunzt von dir zu werden.
MERKUR.
Ei was ein reines Kleid! Wenn du das Kleid
Ausziehen könntest, das dir von Natur ward,
Ließ ich die schmutz'ge Schürze mir gefallen.
CHARIS.
Als du mich freitest, da gefiel dir's doch.
Da hätt es not getan, es in der Küche
Beim Waschen und beim Heuen anzutun.
Kann ich dafür, wenn es die Zeit genutzt?
MERKUR.
Nein, liebstes Weib. Doch ich kann's auch nicht flicken.
CHARIS.
Halunke, du verdienst es nicht, daß eine
Frau dir von Ehr und Reputation geworden.
MERKUR.
Wärst du ein wenig minder Frau von Ehre,
Und rissest mir dafür die Ohren nicht
Mit deinen ew'gen Zänkereien ab.
CHARIS.
Was? so mißfällt's dir wohl, daß ich in Ehren
Mich stets erhielt, mir guten Ruf erwarb?
MERKUR.
Behüt der Himmel mich. Pfleg deiner Tugend,
Nur führe sie nicht, wie ein Schlittenpferd,
Stets durch die Straße läutend, und den Markt.
CHARIS.
Dir wär ein Weib gut, wie man sie in Theben
Verschmitzt und voller Ränke finden kann,
Ein Weib, das dich in süße Wort' ertränkte,
Damit du ihr den Hahnrei niederschluckst.
MERKUR.
Was das betrifft, mein Seel, da sag ich dir:
Gedankenübel quälen nur die Narren,
Den Mann vielmehr beneid ich, dem ein Freund
Den Sold der Ehe vorschießt; alt wird er,
Und lebt das Leben aller seiner Kinder.
CHARIS.
Du wärst so schamlos, mich zu reizen? Wärst
So frech, mich förmlich aufzufordern, dir
Den freundlichen Thebaner, welcher abends
Mir auf der Fährte schleicht, zu adjungieren?
MERKUR.
Hol mich der Teufel, ja. Wenn du mir nur
Ersparst, Bericht darüber anzuhören.[345]
Bequeme Sünd ist, find ich, so viel wert,
Als läst'ge Tugend; und mein Wahlspruch ist,
Nicht so viel Ehr in Theben, und mehr Ruhe –
Fahr wohl jetzt, Charis, Schatzkind! Fort muß ich.
Amphitryon wird schon im Lager sein.
Ab.
CHARIS.
Warum, um diesen Niederträchtigen
Mit einer offenbaren Tat zu strafen,
Fehlt's an Entschlossenheit mir? O ihr Götter!
Wie ich es jetzt bereue, daß die Welt
Für eine ordentliche Frau mich hält![346]
Ausgewählte Ausgaben von
Amphitryon
|
Buchempfehlung
Anders als in seinen früheren, naturalistischen Stücken, widmet sich Schnitzler in seinem einsamen Weg dem sozialpsychologischen Problem menschlicher Kommunikation. Die Schicksale der Familie des Kunstprofessors Wegrat, des alten Malers Julian Fichtner und des sterbenskranken Dichters Stephan von Sala sind in Wien um 1900 tragisch miteinander verwoben und enden schließlich alle in der Einsamkeit.
70 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro