Heinrich von Kleist

Einleitung

[für die Zeitschrift »Germania«]

[385] Diese Zeitschrift soll der erste Atemzug der deutschen Freihit sein. Sie soll alles aussprechen was, während der drei letzten, unter dem Druck der Franzosen verseufzten, Jahre, in den Brüsten wackerer Deutscher, hat verschwiegen bleiben müssen: alle Besorgnis, alle Hoffnung, alles Elend und alles Glück.

Es bedurfte einer Zeit, wie die jetzige, um einem Blatt, wie das vorliegende ist, das Dasein zu geben. Solange noch keine Handlung des Staats geschehen war, mußte es jedem Deutschen, der seine Worte zu Rate hielt, ebenso voreilig, als nutzlos scheinen, zu seinen Mitbrüdern zu reden. Eine solche Stimme würde entweder völlig in der Wüste verhallt sein; oder – welches fast noch schlimmer gewesen wäre – die Gemüter nur auf die Höhen der Begeisterung erhoben haben, um sie, in dem zunächst darauf folgenden Augenblick, in eine desto tiefere Nacht der Gleichgültigkeit und Hoffnungslosigkeit versinken zu lassen.

Jetzt aber hat der Kaiser von Österreich, an der Spitze seines tapferen Heeres, den Kampf für seiner Untertanen Wohl und den noch großmütigeren, für das Heil des unterdrückten, und bisher noch wenig dankbaren, Deutschlands unternommen.

Der kaiserliche Bruder, den er zum Herrn des Heers bestellte, hat die göttliche Kraft, das Werk an sein Ziel hinauszuführen, auf eine erhabene und rührende Art, dargetan. Das Mißgeschick, das ihn traf, trug er mit der Unbeugsamkeit der Helden, und ward, in dem entscheidenden Augenblick, da es zu siegen oder zu sterben galt, der Bezwinger des[385] Unbezwungenen – ward es mit einer Bescheidenheit, die dem Zeitalter, in welchem wir leben, fremd ist.

Jetzt, oder niemals, ist es Zeit, den Deutschen zu sagen, was sie ihrerseits zu tun haben, um der erhabenen Vormundschaft, die sich über sie eingesetzt hat, allererst würdig zu werden: und dieses Geschäft ist es, das wir, von der Lust, am Guten mitzuwirken, bewegt, in den Blättern der Germania haben übernehmen wollen.

Hoch, auf dem Gipfel der Felsen, soll sie sich stellen und den Schlachtgesang herab donnern ins Tal! Dich, o Vaterland, will sie singen; und deine Heiligkeit und Herrlichkeit; und welch ein Verderben seine Wogen auf dich heranwälzt! Sie will herabsteigen, wenn die Schlacht braust, und sich, mit hochrot glühenden Wangen, unter die Streitenden mischen, und ihren Mut beleben, und ihnen Unerschrockenheit und Ausdauer und des Todes Verachtung ins Herz gießen; – – und die Jungfrauen des Landes herbeirufen, wenn der Sieg erfochten ist, daß sie sich niederbeugen, über die, so gesunken sind, und ihnen das Blut aus der Wunde saugen. Möge jeder, der sich bestimmt fühlt, dem Vaterlande auf diese Weise zu [Fortsetzung fehlt.]

Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band3, Berlin und Weimar 1978, S. 385-386.
Lizenz: