Erste Szene


[327] Graf – Balthasar.

Balthasar steht in weißer Jacke und weißer Schürze hinterm Stuhl an der Toilette und erwartet seinen Herrn; der alte Graf im Pudermantel tritt gähnend aus seinem Schlafzimmer, setzt sich und gähnt abermals laut. – Während dieser Szene wird Klingsberg frisiert.


GRAF. Nun? warum antwortest du nicht?

BALTHASAR. Ew. Gnaden haben ja noch nichts gefragt.

GRAF. Dummkopf! hast du mich nicht gähnen gehört?

BALTHASAR. Das wohl.

GRAF. Nun, wenn ich gähne, so heißt das immer soviel, als: gibt's nichts Neues in der Stadt?

BALTHASAR auf die Toilette deutend. Da liegt ein Billett von der kleinen Italienerin.

GRAF nachlässig. Von der Comachini? Das kann nichts Neues enthalten, ich bin gestern den ganzen Abend bei ihr gewesen. Öffnet und liest es flüchtig. Zärtlichkeit – Treue – Wirft es weg. so gut, als gelesen. Was haben wir für Wetter?

BALTHASAR. Die Sonne scheint.

GRAF. Um zwölf Uhr anspannen.

BALTHASAR. Sehr wohl.

GRAF. Weißt du sonst nichts?

BALTHASAR nach einigem Besinnen. Der Graf Eisenberg hat sich ein herrliches neues Pirutsch machen lassen.

GRAF. Wieviel kostet es?

BALTHASAR. Dreihundert Dukaten.

GRAF. Schöner als meins?

BALTHASAR. Ich glaube fast.

GRAF. So muß ich ein neues haben.[327]

BALTHASAR. Das glänzt, das flimmert!

GRAF. Das meinige soll vierhundert Dukaten kosten.

BALTHASAR. Viel Geld! Mit einem Seufzer. Die Witwe Funk, welcher Ew. Gnaden die Pension geben, ist gestorben.

GRAF. So? hinterläßt sie Kinder?

BALTHASAR. Zwei arme Würmer.

GRAF. Und was bin ich denn? Ein armer Goldkäfer, das kommt am Ende auf eins heraus. Wir gehören doch alle zum Insektengeschlecht.

BALTHASAR. Die Mutter war fleißig, konnte ein Stück Brot verdienen. Nun haben die Kinder gar nichts.

GRAF. So muß man die Pension verdoppeln. Hörst du? Verdoppeln.

BALTHASAR indem er mit der einen Hand das Haar kämmt und mit der andern sich eine Träne aus den Augen wischt. Ich danke!

GRAF. Nun, nun, raufe mir die Haare nicht aus. Ich habe so nicht viel mehr übrig. Pause. Aber sage mir doch, Patron, warum bei dir das Pirutsch Nr. 1, und die arme Witwe erst Nr. 2 war?

BALTHASAR. Was Sie an den Kindern tun, glänzt und flimmert ja nicht.

GRAF ohne alle Feierlichkeit. Wer weiß, Balthasar, wo auch das einmal glänzen wird. Ist meine Schwester schon aufgestanden?

BALTHASAR. Noch nicht.

GRAF. Sie hat ein allerliebstes Kammermädchen.

BALTHASAR ohne Teilnahme. Ja!

GRAF. Eine kleine, spröde Hexe!

BALTHASAR. Der junge Herr Graf hat auch schon darüber geklagt.

GRAF. Mein Sohn? Immer geht mir der Wildfang ins Gehege.

BALTHASAR. Er weiß vermutlich nicht, daß Ew. Gnaden noch immer ein Gehege haben.

GRAF. Das darf er auch nicht wissen; hörst du? Der Respectus parentelae möchte darunter leiden.

BALTHASAR. Von mir soll er nichts erfahren.

GRAF in den Spiegel schauend. Hier, Balthasar, ich sehe da wieder einige graue Haare. Nimm die Zange und reiße sie aus.

BALTHASAR. Ach Herr Graf! wenn ich alle die weißen Haare herausreißen soll, so mache ich Sie wahrhaftig zum Kahlkopf.[328]

GRAF. Tölpel! Hätte ich meinen Lafleur noch, der hätte mir so etwas nicht gesagt.

BALTHASAR. Ich bin nur ein Deutscher.

GRAF. Aus Patriotismus habe ich den zierlichen Lafleur weggejagt, und den derben Balthasar Schwalbenschweif dafür in meine Dienste genommen. Welch ein fürchterlicher deutscher Name!

BALTHASAR gutmütig. Herr Graf! ich habe auch ein deutsches Herz.

GRAF. Hast du, Patron? Nun so verwahre es gut. Das ist heutzutage eine Rarität.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 327-329.
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