48. Kobold als Henne.

Mündlich von einer Fischerfrau aus Nieder-Kränig.

[45] In Nieder-Kränig bei Schwedt hatte eine Frau einen Kobold, der saß oben auf dem Boden in einer Tonne, wo ihn ein Knecht einmal zufällig sah, und trug eine rothe Jacke und rothes Käppchen. Gewöhnlich sah man ihn aber in anderer Gestalt, er zog nämlich Abends als grauer Streifen durch die Luft und dann brachte er Getreide, oder als ein rother Feuerklumpen, dann brachte er seiner Herrin Geld. Man erzählte sich auch, die Frau füttre ihn oft aus eignem Munde, wobei er sie zuweilen in die Lippe biß, woher es kam, daß sie häufig einen bösen Ausschlag an derselben hatte. Als die Frau endlich vor einiger Zeit starb und ihre Leiche auf den Hausflur gesetzt wurde, da flog plötzlich eine Henne auf dieselbe und man mußte der Todten nur eilig ein Tuch über's Gesicht decken, sonst hätte das Thier ihr die Augen ausgehackt; denn es war der Kobold, der jetzt auf einmal als Henne erschien. Dieser haben die Erben deshalb auf jede Weise sich zu entledigen versucht, was ihnen auch endlich geglückt ist, allein seitdem ist alles Glück aus dem Hause gewichen und ein Unglück rasch dem andern gefolgt, und erst vor wenigen Tagen ist ihnen eine prächtige Kuh gefallen.

Quelle:
Adalbert Kuhn / W. Schwartz: Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg, Pommern, der Mark, Sachsen, Thüringen, Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Westfalen. Leipzig 1848, S. 45-46.
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