|
[31] Juranitsch. Helene.
JURANITSCH.
Gottlob, wir sind allein! Jetzt kann ich dir's
So recht aus meinem vollen Herzen sagen,
Wie glücklich ich, wie selig ich mich fühle. –
Helene! meine liebe, süße Braut!
HELENE.
Ach, Juranitsch! was gibt dir diesen Mut?
Was haucht dir durch das laute Kriegsgetümmel
Die schöne Klarheit deines Friedens zu?
JURANITSCH.
Was sonst als meine Liebe? – Sieh, Helene,
Wir sind vereint, wir haben uns gefunden.
Da draußen mag es stürmen, wie es will,
Uns trennt es nicht; des Schicksals ehrner Wille
Bricht sich, wie Wellen sich an Felsen brechen,[31]
Am festen Glauben eines treuen Paars.
Was ewig ist wie unsre reine Liebe,
Das geht nicht unter mit dem Sturm der Zeit.
HELENE.
Das fühl' ich auch, und klar wie junger Morgen
Weht es herüber in das bange Herz;
Doch sieh, das macht mich traurig, recht sehr traurig,
Daß dieser Kampf, der um die Mauern tobt,
Des Lebens schönste Stunde mir verbittert.
Nicht ungestört durft' ich im sel'gen Rausch
Den Segen von des Vaters Lippen trinken;
Er warf ihn flüchtig seiner Tochter zu,
Die Perlen einer tief empfundnen Rührung
Zerdrückt' er schnell, das Vaterland riß ihn
Aus seines Kindes glühendster Umarmung
Mit kalter Strenge in den Lärm des Kriegs.
JURANITSCH.
Schilt mich nicht roh, wenn ich dir's frei gestehe:
So hab' ich seinen Segen mir gewünscht,
So malt' ich mir's in meinen kühnsten Träumen.
Ihr Frauen liebt ein wohlberechnet Glück
Und ruhigen Genuß im tiefsten Frieden;
Uns Männern aber gibt des Schicksals Gunst
Den höchsten Preis, wenn es unangemeldet,
Schnell wie ein Blitz in unsre Seele schlägt.
Im Sturm der Schlacht, wenn alle Herzen pochen,
Unter den Säbeln trunkner Janitscharen
Mir seinen Segen fordern, war mein Wunsch;
So aber war das Schicksal nicht bei Laune.
Doch mag ich nicht mit seinem Willen hadern;
Denn schön und groß doch war der Augenblick.
HELENE.
Du wilder Mensch!
JURANITSCH.
Wild? – Nein, das bin ich nicht.
Verwegen bin ich, tollkühn für die Liebe
Und hochbegeistert für mein Vaterland! –
Sieh, daß ich dich, daß ich dein Herz erworben
Und daß ich sterben kann, das ist mein Stolz.
HELENE.
Sei nicht so grausam! – Sterben! – Juranitsch!
Vergißt du deine jammernde Helene? –
Jetzt dich verlieren, jetzt! wer drückt ihn aus,
Den ungeheuern Schmerz? jetzt dich verlieren,
Wer denkt die Hölle des Gedankens aus!
JURANITSCH.
Nicht ohne dich, Geliebte, möcht' ich sterben.
Doch so mit dir, in deinen Armen! Sieh,
Was kann uns diese Erde dann noch bieten?
Hat sie noch eine Seligkeit für uns?
Ich möchte untergehen wie ein Held,[32]
Im frischen Glanze meiner kühnsten Liebe
Und, was die wilde Sehnsucht hier versprach,
Dort drüben von der Lust des Himmels fordern.
Was bleibt denn Höhres noch auf dieser Welt,
Das ich im sel'gen Wunsche nicht gekostet?
Gibt's mehr als einen Silberblick im Leben?!
Hier ist das Glück vergänglich, wie der Tag,
Dort ist es ewig, wie die Liebe Gottes!
HELENE.
O nimm mich mit im Sturme deines Flugs,
Du kühner Geist! – Mich hält die dunkle Erde,
Mich hält das arme kleine Leben noch;
Doch schelt' ich's nicht, es ist doch schön, recht schön!
Und manche Knospen einer sel'gen Zeit,
Die du in deinem Ungestüm verachtet,
Blühn wunderstill in meinem Herzen auf.
Ja, Juranitsch, die Erde ist recht schön,
Recht schön ist sie, doch nur seit ich dich liebe,
Seit mit dem Seelenfrühling meiner Brust
Die Welt sich rings um mich mit Blumen schmückte.
Erst seit ich liebe, ist das Leben schön;
Erst seit ich liebe, weiß ich, daß ich lebe.
JURANITSCH.
O meine süße Braut!
HELENE.
Mein Juranitsch!
Umarmung.
Ach, läg' ich ewig so an deinem Herzen!
JURANITSCH.
Horch! Männerstimmen hör' ich in dem Hof.
Sie sind's, sie warten auf den Vater. Laß mich;
Ich muß hinab. Leb' wohl, mein süßes Mädchen!
Noch diesen Kuß! Leb' wohl!
HELENE.
O, nicht so schnell
Zwing mich, aus meinen Träumen zu erwachen!
JURANITSCH.
Daß ich es könnte! doch mich ruft die Pflicht!
Leb' wohl, du süße Braut, leb' wohl, mein Mädchen!
Ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Zriny
|
Buchempfehlung
Als »Komischer Anhang« 1801 seinem Roman »Titan« beigegeben, beschreibt Jean Paul die vierzehn Fahrten seines Luftschiffers Giannozzos, die er mit folgenden Worten einleitet: »Trefft ihr einen Schwarzkopf in grünem Mantel einmal auf der Erde, und zwar so, daß er den Hals gebrochen: so tragt ihn in eure Kirchenbücher unter dem Namen Giannozzo ein; und gebt dieses Luft-Schiffs-Journal von ihm unter dem Titel ›Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten‹ heraus.«
72 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro