Siebente Szene.


[72] Katharina in Marketenderinkleidung. Die Vorigen.


KATHARINA. Da sind wir! Da sind wir! Das ganze Regiment, die ganze Armee und ich auch!

SCHLADRITZ bei den letzten Worten einfallend. Die Kathrine, die Kathrine, juchhe!

GOTTSCHED. Katharina, Sie wagt es!?

FRAU GOTTSCHED. Käthe, du bist es?

KATHARINA in der Mitte aus dem Kreise vortretend; der Kreis schließt sich hinter ihr mit Schladritz. Empfehle mich allerseits! Empfehle mich. Herr Professor! Sehen Sie nicht so grimmig aus, 's nützt Ihnen doch nichts, die Seydlitzer sind da, und unser General hat Sie auf dem Strich; wenn die Kathrine nicht hilft, wird's schlimm genug um Sie aussehen!

SCHLADRITZ. Die Käthe ist prächtig!

FRAU GOTTSCHED. Mädchen!

KATHARINA. Ach, meine vortrefflichste Frau Professern, lassen Sie mich Ihre Hand küssen, und vergeben Sie mir ja, daß ich Ihnen fortgelaufen bin! Aber Liebe ist Liebe, und Krieg ist Krieg, und man will doch vorwärts! Lange hat's ja auch nicht gedauert, leider! und da bin ich schon wieder, und jetzt bin ich wahrhaftig für Ihr Haus vierteljährig drei Taler mehr wert; denn ich bin so gut wie 'ne Salvegarde gegen die Soldaten, und jetzt gibt's doch auf wer weiß wie lange nur Soldatenregiment in Leipzig; sehen Sie mich freundlich an, Frau Professern, ich mein's mit keinem Menschen so gut als mit Ihnen! Ihr mehrfach die Hand küssend.

FRAU GOTTSCHED. Wunderliches Mädchen, läufst mit den Soldaten in die weite Welt –

KATHARINA. Ich bin ja nur mit meinem Vetter, dem Wachtmeister, gegangen, der mich von jeher hat heuraten wollen, und der[72] mich auch noch heuraten wird, wenn ich nicht unter der Zeit einen jüngeren finde; 's ist 'ne ehrliche Haut, der Siegmund, und 's ist ja nicht seine Schuld, daß niemand heuraten darf, solange die Campagnen dauern, und daß es in alle Ewigkeit nicht mehr Friede werden will! Halten Sie den Siegmund warm, Herr Professor, 's wird gar nicht lange dauern, da wird er hier sein bei Ihnen auf Kommando zur Untersuchung gegen Sie.

FRAU GOTTSCHED. Was? Mädchen!

GOTTSCHED. Hier bei mir!

SCHLADRITZ. Die Käthe ist göttlich!


Der Trompetenmarsch kommt näher.


GELLERT. Ein Wachtmeister zur Untersuchung gegen einen Professor!

KATHARINA. Hören Sie, meine Leute! Geht an den Tisch und schenkt sich ein Glas Wein ein. wie sie blasen! Das ist der Seydlitzer Marsch, den kennt man von Roßbach her! Kriegt man auf der Landstraße einen Durst! Schladritz tritt zu ihr und nimmt die Flasche. Brr! Schladritz, das ist sehr vaterländisches Gewächs! Bei unsrer Bagage haben wir beßres!

SCHLADRITZ. Mach' keine Umstände, Käthe, noch eins!


Trompetenmarsch ganz nahe.


KATHARINA. Hurra, jetzt schwenken sie ab in die Ritterstraße, um unten auf dem Brühle zu biwakieren! Dort von den Fenstern Auf das erste Zimmer rechts, das der Professorin, deutend; es steht offen. der Frau Professern können Sie unsre Leute sehen, meine Herrschaften, und können auch gleich sehen, ob der Wachtmeister vom zweiten Zuge herüberschwenkt mit einem Pikett, um unsre Haustür zu besetzen, damit niemand mehr entwischen kann.

BOLZA. Was soll das?

GOTTSCHED. So weit wäre es schon!

SCHLADRITZ. Die Käthe ist himmlisch!

FRAU GOTTSCHED. Du übertreibst, Katharine!

GRÄFIN. Mein Gott, mein Gott!

GELLERT. Unerhört!

CATO. Zum Teufel auch!

SCHLADRITZ. Die Käthe ist einzig!


Alles drängt sich nach der Tür rechts; Gottsched tritt zuerst ein, dann die Gräfin, dann Gellert, Wilhelmine bleibt links im Hintergrunde. Cato rechts im Vordergrunde; Bolza ist unschlüssig an den Tisch vorgetreten, ihm zunächst zur Rechten,[73] also vom Zuschauer aus links, Schladritz; neben dessen Rechten, also vom Zuschauer links, Katharina.


FRAU GOTTSCHED ihre Stellung zur äußersten Linken verlassend und vor dem Tische nach rechts hinübergehend, zu Bolza. Dann müßten Sie gleich aus dem Hause! Ab in ihr Zimmer.

BOLZA. Jawohl! Ab ebendahin.

KATHARINA unbemerkt von den Übrigen. Herr Je, Graf Bolza?

SCHLADRITZ der sie im Auge gehabt und dies allein gehört hat, führt sie rasch einen Schritt vor, links vom Tische. Bolza heißt er?

KATHARINA. Freilich! Der uns in Dresden so schön die Kur gemacht, mir und der Frau Professern!

SCHLADRITZ. Siehst du wie du bist! Nun weiß ich was!

KATHARINA. Hat Er 'nen Stich, Schladritz?! Fix 'naus vors Haus, daß ich meinem Wachtmeister unsre Wohnung zeige, fix! Ab.

SCHLADRITZ. Jetzt weiß ich was! Ei Käthe, jetzt wird's fidel!


Ab mit ihr.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 25, Leipzig 1908–09, S. 72-74.
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