Zweiter Auftritt

[1583] DER FÜRST. Hätt ich's doch nicht gedacht, daß in der bißchen Neige meines Lebens Bittrers wäre, als Tod! Er deckt Julius' Gesicht auf. Mein Sohn, mein Sohn! –

So lange war ich Vater, und mußte erst kinderlos werden, um zu wissen, was ein Vater sei. – Da liegen nun meine angenehme Entwürfe! – In deinen Kindern, dacht ich, noch lange zu leben, das süße väterliche Band, dacht ich, wird immer eine Generation mit der andern, und mich mit einer späten Nachwelt verbinden – Ja, Nachwelt? – kinderlos, unbeweint werd ich sterben! Wer wird mich beklagen? – Ein Fremder drückt mir gleichgiltig die Augen zu, spricht höchstens: »Gott sei seiner armen Seele gnädig«, und legt sich ruhig schlafen. – Hält es der Höfling der Mühe wert, um den Letzten eines Hauses unbeobachtet zu weinen? und wenn ich vorher Klagen mietete und Seufzer bezahlte, sie würden mir nicht Wort halten.

Schändlich, schändlich bist du gefallen! Er gibt dem Leichnam die Hand und schüttelt sie. Aber ich verspreche dir Rache! – Was lächelst du, Leichnam? fürchte nichts von der väterlichen Liebe! – Dein Mörder ist mein Sohn nicht, mein Weib war eine Ehebrecherin, und sein Vater ein Bube. – Was ist deine[1583] Hand so kalt – aber ebenso kalt will ich ihn dir opfern – daß sein kochendes Blut auf meiner Hand, wie auf Eis, zischen soll! – Aber ist das der Ton eines Richters? – ich muß mich noch mehr abkühlen – Noch einen Gang unter den Ulmen.


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1583-1584.
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