Dreizehntes Kapitel

[504] Von der Doppelhochzeit in Lirias, die Gil Blas von Santillanas Geschichte endlich schließt


Scipio ermunterte mich durch diese Worte, mich als Dorotheas Freier zu erklären, ohne daß er bedachte, er könnte mich einer Abweisung aussetzen. Obgleich ich nicht so alt aussah, wie ich war, und obgleich ich mich für zehn Jahre[504] jünger ausgeben konnte, glaubte ich doch, allen Grund zum Zweifel zu haben, ob ich einer jungen Schönheit gefallen würde. Ich beschloß aber trotzdem, die Werbung zu wagen, sobald ich ihren Bruder sähe, der auch seinerseits nicht ohne Sorge war, da er nicht wußte, ob er meine Patin erhalten würde.

Er kam am folgenden Morgen, als ich gerade mit dem Ankleiden fertig war, ins Schloß. Herr von Santillana, sagte er, ich komme heute nach Lirias, um mit Euch von einer ernsten Angelegenheit zu reden. Ich ließ ihn in mein Kabinett eintreten, wo er sofort zur Sache kam. Ich glaube, fuhr er fort, es ist Euch nicht unbekannt, was mich herführt: ich liebe Seraphine. Ihr vermögt alles über ihren Vater: ich bitte Euch, stimmt ihn mir günstig; verschafft mir den Gegenstand meiner Liebe; macht, daß ich Euch das Glück meines Lebens verdanke. Herr Don Juan, erwiderte ich, da Ihr sofort zur Sache kommt, so werdet Ihr es nicht übelnehmen, wenn ich Eurem Beispiel folge und Euch, nachdem ich Euch meine Vermittlung bei dem Vater versprochen habe, um die Eure bei Eurer Schwester bitte.

Don Juan ließ seiner angenehmen Überraschung, die ich als günstiges Zeichen ansah, freien Lauf. Wäre es möglich, rief er, daß Dorothea gestern Euer Herz erobert hätte? Sie hat mich bezaubert, sagte ich, und ich werde mich für den glücklichsten Menschen halten, wenn meine Werbung sowohl Euch wie ihr gefällt. Dessen könnt Ihr versichert sein, erwiderte er; wenn wir auch adlig sind, so werden wir die Verbindung mit Euch doch nicht verschmähen. Es freut mich, versetzte ich, daß Ihr keine Schwierigkeit macht, einen Bürgerlichen als Schwager anzunehmen; ich achte Euch nur um so mehr: Ihr zeigt dadurch gesunden Verstand; aber wäret Ihr eitel genug, die Hand Eurer Schwester nur einem Adligen geben zu wollen, so wisset, dann könnte ich Eure Eitelkeit befriedigen. Ich habe zwanzig Jahre lang in den Bureaus[505] des Ministeriums gearbeitet, und der König hat mir zum Lohn für meine dem Staat geleisteten Dienste einen Adelsbrief verliehen, den ich Euch zeigen werde. Und damit zog ich mein Patent aus einem Schubfach, in dem ich es bescheiden verborgen hielt, und reichte es dem Edelmann, der es mit großer Befriedigung von Anfang bis zu Ende aufmerksam durchlas. Das ist vortrefflich, sagte er, als er es mir zurückgab: Dorothea ist die Eure. Und Ihr, rief ich aus, zählt auf Seraphine.

So wurden diese beiden Heiraten unter uns beschlossen. Es handelte sich nur noch darum, ob die Bräute bereitwillig zusagen würden; denn Don Juan und ich, wir wollten sie, beide gleich feinfühlig, nicht wider ihren Willen nehmen. Der Edelmann kehrte auf sein Schloß Jutella zurück, um mich seiner Schwester vorzuschlagen; und ich rief Scipio, Beatrix und meine Patin herbei, um ihnen mitzuteilen, welche Unterhaltung ich mit dem Kavalier gehabt hatte. Beatrix war dafür, ihn ohne Zögern als Gatten anzunehmen; und Seraphine gab durch ihr Schweigen zu erkennen, daß sie der Meinung ihrer Mutter war. Freilich war auch der Vater keiner anderen Ansicht; nur verriet er einige Besorgnis wegen der Mitgift, die man, wie er sagte, einem Edelmann, dessen Schloß so dringend der Reparaturen bedürfe, werde geben müssen. Ich schloß Scipio den Mund, indem ich ihm sagte, das sei meine Sache und ich mache meiner Patin für ihre Mitgift viertausend Pistolen zum Geschenk.

Ich sah Don Juan noch abends wieder. Eure Angelegenheiten, sagte ich zu ihm, stehn ausgezeichnet; ich wünsche nur, daß die meinen nicht schlechter stehn. Sie stehn gleichfalls so gut wie nur möglich, erwiderte er; ich habe nicht erst meinen Willen geltend machen müssen, um Dorotheas Einwilligung zu erhalten: Eure Erscheinung sagt ihr zu, Euer Wesen gefällt ihr. Ihr besorgtet, Ihr wäret nicht nach ihrem Geschmack, und sie fürchtet mit mehr Grund, da sie Euch nur[506] ihr Herz und ihre Hand zu bieten hat, daß ... Was wollte ich mehr! unterbrach ich ihn, außer mir vor Freude. Wenn es der reizenden Dorothea nicht widerstrebt, ihr Schicksal an meines zu binden, so verlange ich nichts weiter: ich bin reich genug, sie ohne Mitgift zu heiraten, und ihre Person allein ist das Ziel meiner Wünsche.

Sehr zufrieden, daß wir die Dinge bis dahin geordnet hatten, beschlossen Don Juan und ich, um die Heirat zu beschleunigen, auf alle überflüssigen Zeremonien zu verzichten. Ich brachte den Edelmann mit Seraphinens Eltern zusammen; und als sie die Heiratsbedingungen vereinbart hatten, nahm er Abschied von uns, indem er versprach, am folgenden Tage mit Dorothea wiederzukommen. Da ich dieser Dame angenehm erscheinen wollte, verwandte ich wenigstens volle drei Stunden auf das Ankleiden und Putzen; und trotzdem war ich mit meinem Äußern noch nicht zufrieden. Für einen Jüngling, der seine Geliebte sehen soll, ist es nur ein Vergnügen; aber für einen Mann, der zu altern beginnt, ist es eine Arbeit. Ich war jedoch glücklicher, als ich es verdiente: ich sah Don Juans Schwester wieder, und sie betrachtete mich so wohlgefällig, daß ich mir einbilden konnte, noch etwas wert zu sein. Ich hatte eine lange Unterredung mit ihr. Ich war entzückt von ihrer Wesensart, und ich dachte mir, wenn ich nur immer nett und recht gefällig wäre, so würde ich ein geliebter Gatte werden. Voll dieser süßen Hoffnung, ließ ich aus Valencia zwei Notare holen, die den Ehevertrag aufsetzten; dann wandten wir uns an den Pfarrer von Paterna, der nach Lirias kam und uns, Don Juan und mich, mit den Geliebten traute.

Ich ließ also Hymens Fackel zum zweiten Mal entzünden, und ich hatte es nicht zu bereuen. Dorothea machte sich als tugendhafte Frau ein Vergnügen aus ihrer Pflicht; und dankbar für den Eifer, mit dem ich ihren Wünschen entgegenkam, hing sie bald an mir, als wäre ich jung. Don Juan aber[507] und meine Patin waren von einer leidenschaftlichen Liebe zueinander erfüllt, und zwischen den beiden Schwägerinnen entwickelte sich die herzlichste und aufrichtigste Freundschaft. Auch ich fand in meinem Schwager so viel gute Eigenschaften, daß ich echte Liebe zu ihm in mir keimen fühlte, und er lohnte sie nicht mit Undank. Kurz, unser Bund war derart, daß, wenn wir uns einmal auf einen Tag verlassen mußten, diese Trennung nicht ohne Schmerz stattfand; deshalb beschlossen wir, aus den beiden Familien eine zu machen, die bald im Schloß zu Lirias, bald in dem zu Jutella wohnen sollte; dort nahm man zu diesem Zweck mit den Pistolen Seiner Exzellenz große Reparaturen vor.

Nun führe ich, lieber Leser, schon seit drei Jahren dieses wunderschöne Leben mit so teuren Wesen. Um das Glück voll zu machen, hat mir der Himmel zwei Kinder geschenkt, deren Erziehung die Freude meiner alten Tage werden soll und für deren Vater ich mich in frommem Glauben halten darf.[508]

Quelle:
Le Sage, Alain René: Die Geschichte des Gil Blas von Santillana. Wiesbaden 1957, S. 504-509.
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