Ramler, Oden

[26] Berlin. Karl Wilhelm Ramlers Oden, bei Christian Friedrich Voß. 8. 1767. 114 Seit. Nur wenig Lesern wird der Name eines Ramlers unbekannt sein. Die Welt kennet in ihm einen eben so großen Poeten als Kunstrichter, und Deutschland kann auf seinen Landsmann stolz sein. Wir können ihn, ohne Schmeichelei, unsern Pindar, unsern Horaz nennen, und alle unsre Nachbarn auffodern, uns einen Mann darzustellen, der ihm gleiche. – Auch konnte Ramler in keinem glücklichern Zeitpunkte geboren werden. Große Helden haben allezeit große Dichter gefunden, und kein König ist vielleicht jemals schöner besungen worden. Seine »Ode an den König«:


Friedrich! du dem ein Gott das für die Sterblichen

Zu gefährliche Los eines Monarchen gab,

Und, o Wunder! der du glorreich dein Los erfüllst,

Siehe! deiner von Ruhm trunkenen Tage sind

Zwanzig tausend entflohn! u.s.w.


»Die Wiederkunft des Königs«, »An die Muse«, »An die Stadt Berlin«, und mehrere sind mit den prächtigsten Oden des Horaz, Descende caelo etc. Caelo tonantem etc. in eine Reihe zu setzen. »Ptolomäus und Berenice« ist wenigstens eben so zärtlich, eben so vortrefflich amöbäisiert, als donec[26] gratus eram etc. »Auf ein Geschütz« ist eine Nachahmung von Ille et nefasto etc. Und dieser Dichter ist, wenn er reimt, eben so gedrungen, als er in dem Alkäischen Sylbenmaße harmonisch ist. Der öftere Gebrauch der Götterlehre würde bei jedem andern zu tadeln sein, für ihn scheint die Mythologie erfunden. Möchten doch gewisse feindselige Züge, die im Kriege gemacht sind, der Nachwelt kein Denkmal von der Stärke unsers Hasses überliefern! Eine Ode von einem sanftern Inhalte nehme hier den übrigen Raum ein:


An Hymen


Lyäens und Cytheren Sohn

Im schönsten Rausch geboren,

Gott Hymen, der du dir zum Thron

Das Hochzeitbett erkoren.


Dir fleht der sorgenvolle Greis:

»O Stifter der Geschlechter,

Nimm, was ich nicht zu schützen weiß,

Nimm mir die großen Töchter!«


Dir schmückt das fromme Mädchen sich

Bei seinem Morgenliede;

Der weise Jüngling hofft auf dich,

Des falschen Amors müde.


Dich rufen junge Wittben an

Im hochbetrübten Schleier;

Im Flor bekennt der Trauermann

Dir sein gewaltig Feuer.


Du mehr als andre Götter wert,

Dir flehen auch die Prinzen:

»Erfülle, was der Krieg geleert,

Erfüll uns die Provinzen.«


O! wenn dich noch ein Opferschmaus

Herab vom Himmel ziehet:

So komm in meines Lenkons Haus,

Der am Altare kniet!


O komm! zwei Ring an einer Hand,

Und um die Schläfe Myrten,[27]

Und um den Arm ein goldnes Band,

Das Knie der Braut zu gürten.


Die, wann von Wein und Liebe voll,

Ein Gast zu viel begehret,

Und sie doch etwas wissen soll,

Am liebsten Band entbehret.


Die Schar der trunknen Räuber teilt

Sich in die goldne Beute:

Sie flieht indes, – der Liebling eilt,

Und gibt ihr das Geleite.


Wir haben in verschiednen Blättern des vorigen Jahres einer vorhabenden Ausgabe der Werke des Demosthenes, und der übrigen attischen Redner, vom Hrn. D. Reiske in Leipzig gedacht. Gegenwärtig können wir den Liebhabern der Griechischen Literatur die Nachricht erteilen, daß mit dem Drucke des Demosthenes bereits wirklich der Anfang gemacht worden, und instehende Ostermesse der erste Teil davon erscheinen soll. Wir haben nicht nötig, zur Anpreisung dieses Unternehmens viele Worte zu verschwenden. Wem der Name Reiske nicht statt aller Anpreisung ist, muß überhaupt ein Fremdling in dieser Art Gelehrsamkeit sein. Aber wie sehr wünschten wir, das kennende, und das sich noch weiter erstreckende vermögende Publikum, wenn es auch nur aus Patriotismus wäre, zur kräftigsten Unterstützung des Hrn. D. Reiske aufmuntern zu können. Es ist kein schlechtes Vorurteil für Deutschland, daß in den letzten fünfzehn bis zwanzig Jahren, ohnstreitig mehr gute und schöne Ausgaben klassischer Schriftsteller, aus beiden Sprachen, da erschienen sind, als in irgend einem andern Lande: und gegenwärtige Ausgabe des Demosthenes insbesondere werden uns selbst die Engländer, ohngeachtet ihrer prächtigen Taylorschen, beneiden müssen. Eine Probe des Drucks ist auf dem Kaiserl. Addreß-Comtoir zu sehen, allwo man auch die Pränumeration von einer halben Pistole auf einen Teil, bis zu gedachter Ostermesse anzunehmen erbötig. Nach[28] der Zeit wird kein Exemplar unter 3 Rtlr. der Teil, verlassen werden. Eine kleine Anzahl Exemplare wird auf größeres, noch stärkeres und schöners Papier, als die Probe zeiget, abgezogen, auf welche an drei Taler voll pränumeriert werden, und die nach der Hand überhaupt schwerlich zu haben sein dürften.

Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 5, München 1970 ff., S. 26-29.
Lizenz:

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