[Aus »Sudelbuch« E]

Die Gedanken dicht und die Partikeln dünne.

[E 16]
[346]

Der Mann hat recht, sollte man sagen, aber nicht nach den Gesetzen, die man sich in der Welt einstimmig auferlegt hat.

[E 33]


Daß die wichtigsten Dinge durch Röhren getan werden. Beweise erstlich die Zeugungsglieder, die Schreibfeder und unser Schießgewehr,[349] ja was ist der Mensch anders als ein verworrnes Bündel Röhren?

[E 35]


Man wird bei allen Menschen von Geist eine Neigung finden sich kurz auszudrücken, geschwind zu sagen was gesagt werden soll.[350] Die Sprachen geben daher keine schwache Kennzeichen von dem Charakter einer Nation ab. Wie schwer ist es nicht einem Deutschen den Tacitus zu übersetzen. Die Engländer sind schon konziser als wir, ich meine ihre guten Schriftsteller. Sie haben einen großen Vorzug darin für uns, daß sie besondere Wörter für die Species haben, wo wir oft das Genus mit einer Limitation gebrauchen, welches Weitläuftigkeit verursacht. Es könnte nicht schaden, wenn man in jeder Periode die Worte zählte und sie jedesmal mit den wenigsten auszudrücken suchte.

[E 39]
[351]

Die Kaufleute haben ihr Waste book (Sudelbuch, Klitterbuch glaube ich im Deutschen), darin tragen sie von Tag zu Tag alles ein was sie verkaufen und kaufen, alles durch einander ohne Ordnung, aus diesem wird es in das Journal getragen, wo alles mehr systematisch steht, und endlich kommt es in den Leidger at double entrance nach der italiänischen Art buchzuhalten. In diesem wird mit jedem Mann besonders abgerechnet und zwar erst als Debitor und dann als Creditor gegenüber. Dieses verdient von den Gelehrten nachgeahmt zu werden. Erst ein Buch worin ich alles einschreibe, so wie ich es sehe oder wie es mir meine Gedanken eingeben, alsdann kann dieses wieder in ein anderes getragen werden, wo die Materien mehr abgesondert und geordnet sind, und der Leidger könnte dann die Verbindung und die daraus fließende Erläuterung der Sache in einem ordentlichen Ausdruck enthalten. vid. p. XXVI [E 150]

[E 46]


Es muß ein Spiritus rector in einem Buch sein oder es ist keinen Heller wert.

[E 50]
[352]

Es ist ein großer Unterschied zwischen etwas noch glauben und es wieder glauben. Noch glauben, daß der Mond auf die Pflanzen würke, verrät Dummheit und Aberglaube, aber es wieder glauben zeigt von Philosophie und Nachdenken.

[E 52]


Um witzig zu schreiben muß man sich mit den eigentlichen Kunstausdrücken aller Stände gut bekannt machen, ein Hauptwerk in jedem nur flüchtig gelesen ist hinlänglich. Denn was ernsthaft seicht ist, kann witzig tief sein.

[E 54]


Er war der eigentliche Besitzer von Lullys Kunst, denn er konnte stundenlang über eine Materie disputieren ohne ein Wort davon zu verstehen.

[E 56]
[353]

Ich bin überzeugt, daß alles gut sein wird an dem Tage, wenn die Geschichte ihre Bücher schließt, aber wer kann mir verdenken, wenn ich auch zuweilen meinen Baß in diesem Konzert brumme?

[E 62]


Ir[by] Nichts kann mehr zu einer Seelen-Ruhe beitragen, als wenn man gar keine Meinung hat.

[E 63]
[354]

In dem güldenen Alter der Welt, ich meine die Zeiten der sogenannten Barbarei, da hielt man doch noch auf ein Buch. Eine Gräfin Agnes von Anjou bezahlte für ein Homiliarium eines Bischofs Haimo zu Halberstadt3 200 Schafe, 5 Malter Weizen und glaube ich eben so viel Malter Roggen und Hirsen. Zweihundert Schafe für einen Band Homilien, das klingt doch noch wie ein pro labore. Aber fragt einmal jetzt einen Halberstädtischen Domherrn was man für seine empfindsame Predigten kriegt. Keine Hammelskeule.

[E 66]
[355]

Burke hat die Formen der Argumente in seinen Reden allein weit vollkommener als Goethe die Formen des Shakespear, und jener[357] ist zu dem Namen des großen Redners und dieser des Shakespear gekommen wie die Keller-Esel (Läuse) zum Namen Tausendfuß, weil sich niemand die Mühe nehmen wollte sie zu zählen.

[E 71]


Was? die Sache verstehen wenn man disputieren will? Ich behaupte, daß zu einem Dispute notwendig ist, daß wenigstens einer die Sache nicht versteht, worüber gesprochen wird, und daß in dem sogenannten lebendigen Disput in seiner höchsten Vollkommenheit beide Parteien nichts von der Sache verstehen, ja nicht einmal wissen müssen, was sie selbst sagen. Dieses ist Lullys ganze Kunst. Es ist kein Arkanum, sondern ein Rätsel, er hatte die Welt zum besten, wie mancher Philosoph vor und nach ihm. Wir besitzen sie alle und sie ist offenbar in der Kunst Prose zu reden schon mitbegriffen. Als ich in England war disputierte [man] auf allen Bierbänken, Kaffeehäusern, Kreuzwegen und Landkutschen über die Amerikaner nach den Regeln des lebendigen Dispüts und selbst in dem Rat der Aldermänner an dessen Spitze Wilkes stund wurde nach diesen Regeln disputiert, ja als einmal [ein] einfältiger Tropf (vid. supra p. 28. 29) aufstund und zu bedenken gab ob es nicht einigermaßen gut wäre die Sache ernstlich zu prüfen, ehe man einen Entschluß fasse, so antwortete ein anderer Mann ausdrücklich, daß, da dieses zu weit führen würde und mühsam wäre, der Entschluß ohne weitre Untersuchung gefaßt werden müßte. Welches auch damals, weil es fast Essens-Zeit war, genehmigt wurde.

[E 72]
[358]

Wer zwei Paar Hosen hat, mache eins zu Geld und schaffe sich dieses Buch an.

[E 79]
[359]

Seine eigene Figur lacht ihn aus.

[E 93]


Wenn man bedenkt, daß der Mensch aus Leib und Seele besteht, daß sich die letztere im ersteren auf tausenderlei Weise verkriechen und verstecken kann, hingegen der erstere sich vergeblich in die letztere zu verkriechen sucht, so ist meines Erachtens die Art wie Karl der 5. das Interim einzuschärfen suchte immer die beste Art Meinungen auszubreiten. Mit einer Handvoll Soldaten läßt sich in einer Campagne mehr Wahrheit ausbreiten, als mit einer Handvoll Büchern, und die rote Religion hat mir in psychologischen Dingen mit einer Klarheit zu räsonieren geschienen, die noch keine andere hat erreichen können, was ist Barbara Celarent gegen Flamme und Schwert und Blut? Und da der Mensch halb Affe und halb Engel ist, und der Affe immer hingeht wo der Engel hin will und vice versa, so ist es gleich viel welcher von beiden den Stoß kriegt. Trabant und Haupt-Planet. Eine Handvoll Soldaten ist immer besser als ein Maulvoll Argumente.

[E 96]


Seine Uhr lag schon einige Stunden in einer Ohnmacht.

[E 97]


Oden, wenn man sie liest, so gehen einem mit Respekt zu sagen Nasenlöcher und Zehen auseinander.

[E 98]
[361]

Wir ziehen unsere Köpfe in Treibhäusern.

[E 100]


Die geheimen und ungeheimen Tiefen der Philosophie. Er kannte die Tiefen dieser Wissenschaft mit allen ihren Untiefen.

[E 102]


Menschen-Verstand ist eine herrliche Sache, allein das unbeholfenste unbrauchbarste Ding von der Welt bei solchen Gelgenheiten wo man ihn nicht nötig hat. Wer sagt euch denn, daß ihr ihn brauchen sollt wenn ihr eine Ode lesen wollt? Sie sind bei schlummerndem Menschen-Verstand geschrieben, und ihr beurteilt sie bei wachendem. Mit einem Wort das rechte Werk ist da, aber ihr bringt den rechten Kopf nicht. Wenn ein Buch und ein Kopf an einander stoßen und es klingt hohl, ist das allemal im Buch? Horaz hätte ganze andere Oden geschrieben, sagen sie. Es wären Zeilen darin, die bewundere man immer mehr je älter man würde und je öfter man sie läse, dahingegen die meisten deutschen Oden immer einfältiger klängen je öfter man sie läse. Kann man sich eine maliziösere Liscowischere Art sich zu erklären aussinnen? Ich glaube einem steinernen Apostel müßte die Gedult ablaufen. Ihr Haubenstöcke, wer sagt euch denn, daß ihr unsere Odensänger mit dem Horaz vergleichen sollt? Was? Horaz lebte an einem der ersten Höfe der Welt und in einer Stadt die das Herz des menschlichen Geschlechts genannt werden konnte. Da konnten die Gassen-Buben das Quicquid agunt homines auf jedem Kirchhof oder hinter jeder Mauer sehen, wenn sie nur die Augen auftun wollten. Da war es freilich eine gewaltige Kunst den Menschen zu kennen, Wahrheiten, bei deren Erforschung wir jetzt alle unsere Physiognomik aufbieten und bei deren Bewunderung[362] uns die Augen über und die Zehen auseinander gehen, wißt ihr was die in Rom waren? Kaffeediscourse, nichts weiter, Dinge über die jeder Betrüger noch 50 Staffeln hinausgehen mußte wenn er seine Künste spielen wollte. Ich hätte fast Neigung die feinen Herrn die unsre Lauenburger Sänger mit dem Horaz messen können und gewiß mit mehrerem Recht mit gewissen Original-Köpfen zu vergleichen, die in Celle in einem gewissen Haus eingeschlossen sitzen. Einfältige Streiche. Unsere Oden-Dichter sind meistens junge unschuldige Tröpfe, die in kleinen Städten leben und singen, wo alle Einwohner einerlei hoffen, einerlei fürchten, einerlei hören und einerlei denken, wo 20 Köpfe in einer Gesellschaft immer für einen gelten, Leute, die aus Dichterlesen Dichter werden, so wie man aus Büchern schwimmen oder aus Rugendas Bataillen die Kriegskunst lernt. Unerfahrene Menschen, davon jeder etwa ein Dutzend eigne und 2 Dutzend geborgte Ideen bar liegen hat, da läßt sich mit über die Welt handeln. Außerdem gibt es ja zweierlei Oden, die gelehrte für Geist und Ohr und die ungelehrte für das Ohr allein, und zu der letzteren braucht man kaum einmal vom Weibe geboren zu sein. Wenn man etwas Silbenmaß in den Ohren hat und dabei 20 bis dreißig Oden als stimulantia liest, so mögte [ich] gern das Gesicht von dem Sterblichen sehen, der nicht eine Ode wiederhallen könnte bei der jedem poetischen Primaner die Nasenlöcher auf und Finger und Zehen auseinandergehen sollten. Mit einem Worte solche Kompositionen muß man gar nicht mit dem Maßstabe messen mit dem [man] Hagedorns Uzens und Ramlers Oden mißt, sie gehören zu einer ganzen andern Klasse von Kompositionen und sind das in der Poesie was Jacob Böhms unsterbliche Werke in Prose sind, eine Art von Pickenick, wobei der Verfasser die Worte (den Schall) und der Leser den Sinn stellt. Will er nicht, oder kann er nicht, gut so läßt ers bleiben. Zu einem solchen Kränzgen finden sich immer Leute.

[E 104]
[363]

Dem Dr. Faust unter andern haben wir ein ganz herrliches Denkmal gestiftet, daß ihn der Teufel noch auf die Stunde in jedem Marionettenstall auf jeder Frankfurter Messe die Woche 6mal holt.

[E 107]
[364]

Über die Fortrückung der Nachtgleichen und der Essenszeit. Die letztere zu untersuchen ist so wichtig für den Moralisten, als die erstere für den Astronomen.

[E 117]
[366]

Es hatte die Würkung, die gemeiniglich gute Bücher haben. Es machte die Einfältigen einfältiger, die Klugen klüger und die übrigen Tausende blieben ungeändert.

[E 129]
[368]

Viele Menschen stehn schon gänzlich stille, denn Fahren und Reiten und Getragen-Werden hat mit ihnen nichts zu tun. Die Toden selbst reisen des Jahrs einmal um die Sonne.

[E 135]


Ein sonderbares Geräusch, als wenn ein ganzes Regiment auf einmal niesete.

[E 136]


Schwätzt doch nicht. Was wollt Ihr denn? wenn die Fixsterne nicht einmal fix sind, wie könnt ihr denn sagen, daß alles Wahre wahr ist?

[E 139]


Sie schreiben aus Vaterlands-Liebe Zeug, worüber man unser liebes Vaterland auslacht.

[E 140]
[370]

Eins der fruchtbarsten Erfindungs-Mittel, wogegen das Quis, quid, ubi pp gar nicht aufkommt, ist, daß man, so bald man etwas hört, zu sich selbst sagt: das ist nicht wahr? und alsdann die Gründe sucht, warum man so sagt. Die Regel, daß man nicht eher reden oder schreiben sollte bis man gedacht habe, zeigt von vielem guten Willen des Verfassers, aber von wenigem Nachdenken, und der gute Mann dachte wohl nicht daran, daß man, um mich schöppenstädtisch, aber kräftig, auszudrücken, sein Gesetz nicht halten kann ohne es zu übertretten. Denn nicht zu gedenken, daß viele Leute gar nicht würden sprechen können, so glaube ich überhaupt das Gegenteil. Wie mancher hat endlich aus Desperation etwas Gescheites gesagt, weil er etwas Unüberlegtes verteidigen mußte, und Behaupten ist Philosophieren. Ich nehme die paar identischen Sätze aus die uns Euklides aufgezeichnet hat, mit allen denen [die] in grader Linie und durch erlaubte Verbindungen davon abstammen.

[E 146]


Nachdem die Theorie von der Notwendigkeit eines Mangels an Symmetrie um original zu sein ist gegeben worden, so kann gesagt werden: Ich hielte daher für ratsam daß man den neugebornen Kindern einen sanften Schlag mit geballter Faust auf den Kopf gäbe, der ohne ihnen zu schaden die Symmetrie des Gehirns etwas verrückte. Ich riete ihn ja nicht grade auf die Stirne oder oben oder hinten hin[371] zu geben, auch nicht auf die Seite, weil dieses die Symmetrie keinesweges affizieren würde. Denn in den drei ersten Fällen werden beide Seiten gleich stark unmittelbar getroffen und in dem letzten würde die Reaktion der gegenüberstehenden Seite statt eines Schlages von der entgegengesetzten Seite sein. Ich riete also unmaßgeblich den Schlag grade über einem von den beiden äußern Augenwinkeln anzubringen, denn da alsdann Teile von einer ganz andern Struktur und Lage in Reaktion gebracht werden, so kann es nicht anders sein, als daß endlich die schönste Asymmetrie des Gehirnes erhalten werden wird. Von hinten auf den Kopf zu schlagen wollte ich deswegen nicht raten, weil das Cerebellum oder die Hintergebäude der Seele [da] liegen, wo bekanntlich die Werke des Witzes nicht verarbeitet [werden], und die Seele sich mit auswärtigen Affairen nicht abgibt. Ich habe deswegen oft mit Verdruß bemerkt, daß die Schläge auf den Kopf oder die sogenannten Ohrfeigen in unsern Schulen abkommen und nur noch in der großen Gesellschaft wo sie ganz umsonst angebracht werden, weil die Köpfe alsdann gewöhnlich schon in das Holz gegangen sind, Mode sind. Man hat Exempel, daß Leute, die auf den Kopf gefallen oder darauf mit einem Prügel geschlagen worden sind, zuweilen angefangen haben zu weissagen, und anders von den Dingen in der Welt zu denken, als andere Menschen (die Regeln der Grammatik ausgenommen). Dieses hieß nun freilich dem Guten zu viel tun, und ich erkläre noch alles hierin aus einer symmetrischen Zerrüttung des Gehirns, allein kein Mensch kann leugnen, daß der beneidenswürdigste Kopf in dieser Welt derjenige wäre, den man vergöttern würde, wenn er die eine Seite nicht hätte, und den man in Bedlam einsperren müßte, wenn die andere nicht wäre, das sind die großen Seelen die Affe und Engel zugleich sind, und die freilich zuweilen die läppischen Ideen des erstern mit dem transzendenten Periodenklang des letztern, oder die sonnhellen Ideen des letztern mit den hundsföttischen unverständlichen Zeichen des ersteren ausdrücken. Weiter. Warum schlagen sich die Menschen an den Kopf wenn sie etwas nicht wissen, was sie hätten wissen sollen, ein Gebrauch der den Menschen natürlich ist? Das Kopfschütteln, einige zuerst nach der Rechten, andere nach der Linken.

[E 147]
[372]

Was man nicht gleich sieht ist keine drei Groschen wert, artifizielles Gewäsch.

[E 149]


ad p. VI [E 46] In dem Sudel-Buch können die Einfälle die man hat, mit aller der Umständlichkeit ausgeführt werden, in die man gewöhnlich verfällt so lang einem die Sache noch neu ist. Nachdem man bekannter mit der Sache wird, so sieht man das Unnötige ein und faßt es kürzer. Es ist mir so gegangen als ich meinen Timorus schrieb. Ich [habe] oft mit dem, was ein Aufsatz im Sudelbuch war, einen Ausdruck schattiert.

[E 150]


Romane. Unsere Lebens-Art ist nun so simpel geworden, und alle unsere Gebräuche so wenig mystisch, unsere Städte sind meistens so klein, das Land so offen, alles ist sich so einfältig treu, daß ein Mann der einen deutschen Roman schreiben will fast nicht weiß wie er Leute zusammenbringen oder Knoten knüpfen soll. Denn da die Eltern jetzt in Deutschland durchaus ihre Kinder selbst säugen, so fallen die Kindervertauschungen weg, und ein Quell von Erfindung ist verstopft, der nicht mit Geld zu bezahlen war. Wollte ich ein Mädchen in Mannskleidern herumgehen lassen, das käme gleich heraus und die Bedienten verrieten es noch ehe sie aus dem Haus wäre, und außerdem werden unsere Frauenzimmer so weibisch erzogen, daß sie gar das Herz nicht haben so etwas zu tun. Nein fein bei der Mama zu sitzen, zu nähen und zu kochen um selbst eine[373] Koch- und Näh-Mama zu werden, das ist ihre Sache, es ist freilich kommode für sie, aber eine Schande fürs Vaterland, für die Romanenschreiber eine unüberwindliche Hindernis. Ferner glaubt man in England, daß, wenn zwei Personen von einerlei Geschlecht in demselben Zimmer schlafen, ein Kerkerfieber unvermeidlich ist, deswegen sind die Personen in einem Hause des Nachts am meisten getrennt, und ein Schriftsteller darf nur sorgen wie er die Haustüre offen kriegt, so kann er in das Haus lassen wen er will, und er darf nicht sorgen, daß jemand aufwacht als wen er braucht. Ferner da in England die Schornsteine nicht bloß Rauch-Kanäle, sondern hauptsächlich die Luftröhren der Schlafkammern sind, so geben sie zugleich einen vortrefflichen Weg ab unmittelbar und ganz ungehört in jede beliebige Stube des Hauses zu kommen, ja so bequem daß ich mir habe sagen lassen, daß wer einmal einen Schornstein auf und abgestiegen sei, ihn fast einer Treppe vorzöge. In Deutschland käme ein Liebhaber schön an, wenn er einen Schornstein hinab klettern wollte, ja wenn er Lust hat auf einen Feuerherd, oder in einen Waschkessel mit Lauge, oder in die Antichambre von 2 bis 3 Öfen zu fallen, die man wohl gar von innen nicht einmal aufmachen kann. Und gesetzt man wollte einen Liebhaber so in die Küche steigen lassen, so ist die Frage, wie bringt man ihn aufs Dach? Die Kater in Deutschland können diesen Weg wohl zu ihren Geliebten nehmen, aber nicht die Menschen. Hingegen in England formieren die Dächer eine Art von Straße, die zuweilen besser ist, als die an der Erde, und wenn man auf einem ist, so kostet es nicht mehr Mühe auf das andere zu kommen, als über eine Dorf-Gosse im Winter zu springen. Man will zwar sagen man habe diese Einrichtung wegen Feuersgefahr getroffen, da aber diese sich kaum alle 150 Jahr einmal in einem Hause eräugnen, so stelle ich mir vielmehr vor, daß man es zum Trost bedrängter Verliebten und Spitzbuben für nützlich befunden hat, die sehr oft diesen Weg nehmen, wenn sie gleich noch andere wählen könnten, aber gewiß allemal wenn die Retirade in der Eile geschehen muß, grade so wie etwa die Hexen und der Teufel in Deutschland zu tun pflegen. Endlich eine rechte Hindernis von Intriguen ist der sonst feine und lobenswürdige Einfall der Postdirektoren in Deutschland, durch den eine unzählige Menge von Tugenden des Jahrs erhalten werden, daß sie statt den englischen Postkutschen und Maschinen, in denen sich eine schwangere Prinzessin weder[374] schämen noch fürchten dürfte zu reisen, die so beliebten offnen Mistwagen eingeführt haben. Denn was die kommoden Kutschen in England und ihre vortrefflichen Wege für Schaden tun ist mit Worten nicht auszudrücken. Für das erste, wenn ein Mädchen mit ihrem Liebhaber aus London des Abends durchgeht, so kann sie in Frankreich sein ehe der Vater aufwacht, oder in Schottland ehe er mit seinen Verwandten zu einem Entschluß kommt, so daß daher ein Schriftsteller weder die Feen, noch die Zauberer noch Talismane nötig hat, denn wenn er sein Paar nur bis nach Charingcross oder Hyde park corner bringen kann, so sind sie so sicher als wenn sie in des Weber Maleks Kasten wären.4 Hingegen in Deutschland wenn auch der Vater den Verlust seiner Tochter erst am dritten Tage gewahr würde, wenn er nur weiß daß sie mit der Post gegangen ist, so kann er sie zu Pferde immer auf [der] dritten Station wieder kriegen. Ferner bringen Episoden zum Keim die leider nur allzu guten Gesellschaften in den bequemen Postkutschen in England, die immer voll schöner wohlgekleideter Frauenzimmer stecken, und wo, welches das Parlement nicht leiden sollte, die Passagiere so sitzen daß sie einander ansehen müssen, wodurch nicht allein eine höchst gefährliche Verwirrung der Augen, sondern zuweilen eine höchst schändliche zum Lächeln von beiden Seiten reizende Verwirrung der Beine, und daraus endlich eine oft nicht mehr aufzulösende Verwirrung der Seelen und Gedanken erstanden ist, so daß mancher ehrliche junge Mensch der von London nach Oxford reisen wollte zum Teufel gereist ist. So etwas ist nun dem Himmel sei Dank auf unsern Postwagen nicht möglich. Denn erstlich können artige Frauenzimmer sich unmöglich auf einen solchen Wagen setzen, wenn sie sich nicht [in] der Jugend etwas im Zaunbeklettern, Elsternesterstechen, Äpfelabmachen und Nüsseprügeln umgesehen haben, denn der Schwung über die Seitenleiter erfordert eine besondere Adresse und wenig unerfahrene Frauenzimmer können ihn ohne Hosen tun, wenn sie nicht die unten stehenden Wagenmeister und Stallknechte lachen machen wollen. Für das zweite, so sitzt man, wenn man endlich sitzt, so, daß man sich nicht in das Gesicht sieht, und in dieser Stellung können, was man auch dagegen sagen mag, wenigstens Intriguen nicht gut angefangen werden, die Erzählung verliert ihre ganze Würze, und man kann höchstens nur verstehen, was man sagt, aber[375] nicht was man sagen will; endlich so hat man auf den deutschen Postwagen ganz andere Sachen zu tun, als zu plaudern, man muß sich fest halten wenn die Löcher kommen, oder in den schlimmern Fällen sich gehörig zum Sprung spannen; muß auf die Äste achtgeben, und sich zur gehörigen Zeit ducken, damit der Hut oder Kopf sitzen bleibt; die Windseite merken, und immer die Kleidung an der Seite verstärken, von der der Angriff geschieht, und regnet es gar, so hat bekanntlich der Mensch die Eigenschaft mit andern Tieren gemein, die nicht in oder auf dem Wasser leben, daß er stille ist, wenn er naß wird, da steht die Unterredung ganz still, und kommt man endlich in einem Wirtshaus an, so geht die Zeit mit andern Dingen hin, der eine trocknet sich, der andere schüttelt sich, der eine kaut seine Brustkuchen und der andere bäht sich den Backen, und was dergleichen Kindereien mehr sind vid. p. LVI [E 208] (hierüber Vid. Buch F p. 13 [F 96].) Also fallen die Postkutschen-Intriguen mit den Postkutschen selbst, den rechten Treibhäusern für Episoden und Entdeckungen schlechterdings weg. Aber im Hannöverischen ist ja nun eine Postkutsche, wird man sagen. Gut, ich weiß es und zwar eine die immer so gut ist als eine englische. Also soll man alle Romanen auf dem Weg zwischen Harburg und Münden anfangen lassen, den man jetzt so geschwind zurücklegt, daß man kaum Zeit hat recht bekannt zu werden, und alles was ja die Fremden tun ist, daß sie zum Lob des Königs ausbrechen, der dieses so geordnet hat, oder schlafen, denn sie sind ehe sie in diese Kutsche kommen gemeiniglich im Hessischen, Holsteinischen oder auf dem Eichsfeld so zugerichtet worden, daß sie in der Kutsche glauben sie wären zu Haus oder lägen im Bette. Das sind fürwahr feine Gegenstände für einen Roman, 5 schlafende Kaufleute schnarchend einzuführen, oder ein Kapitel mit dem Lobe eines Königs anzufüllen, von dem ohnehin Deutschland voll genug ist. Das erstere ist schlechterdings gar kein Gegenstand für ein Buch, und das letztere [für] keinen Roman. Was geht die Romanschreiber das an? Darüber mag Robertson oder Hume oder Gatterer oder Schlözer der Nachwelt so viel vorplaudern als sie wollen. Das gehört gar nicht zur Sache, von der ich durch eure unüberlegten Einwürfe fast gänzlich abgekommen bin. Ja wenn nicht noch zuweilen ein Kloster wäre wo man ein verliebtes Paar unterbringen könnte, so wüßte ich mir keinen eigentlichen deutschen Roman bis auf die 3. Seite zu spielen. Und wenn es einmal keine Klöster mehr gibt, so ist[376] das Stündchen der deutschen Romane gekommen. Die Fortsetzung s. unten S. LVI [E 208].

[E 152]


Frei? Wie? Vogelfrei vielleicht?

[E 153]


Deutsche Charaktere. Das ist die schon hundertmal hergeleierte Klage der allgemeinen Bibliothek, über der einem fast alle Gedult ausgehen mögte. Ich frage gleich: Was ist ein deutscher Charakter? Was? Nicht wahr, Tabakrauchen und Ehrlichkeit? O Ihr einfältigen Tröpfe. Hört seid so gut und sagt mir, was ist es für Wetter in Amerika? Soll ichs statt eurer sagen? Gut. Es blitzt, es hagelt, es ist dreckig, es ist schwül, es ist nicht auszustehn, es schneit, friert, wehet und die Sonne scheint.

[E 154]
[377]

Der Engländer tut für den Schall: Liberty so viel als mancher ehrliche Mann in Deutschland für das Ding: Freiheit.

[E 163]
[381]

Daß man seine Gegner mit gedruckten Gründen überzeugen kann, habe ich schon seit dem Jahr 1764 nicht mehr geglaubt. Ich habe auch deswegen die Feder gar nicht angesetzt, sondern bloß um sie zu ärgern, und denen von unserer Seite Mut und Stärke zu geben[384] und den andern zu erkennen zu geben, daß sie uns nicht überzeugt haben.

[E 171]
[385]

Geht hin und schreibt einmal eine Satyre auf den regierenden Kammerdiener, auf den natürlichen Sohn, oder des natürlichen Sohns Bastard oder des Bastards Bankert. Ihr werdet des Henkers werden. Überhaupt wenn ihr in Deutschland auf vornehme Herrn Satyren machen wollt, so rate ich euch zwei Stücke, entweder wählt euch welche aus dem alten Testament, oder bewerbt euch zuvor um ein Dienstgen zwischen den Tropicis, und wenn euch das nicht ansteht, so halts Maul.

[E 187]
[387]

Die Beweiser, da nichts zu beweisen ist. Es gibt eine Art von leerem Geschwätz, dem man durch Neuigkeit des Ausdrucks, unerwartete Metaphern das Ansehen von Fülle gibt. Klopstock und Lavater sind Meister darin. Im Scherz geht es an. Im Ernst ist es unverzeihlich.

[E 195]
[389]

Es sind ganz brave Leute, aber die Hälfte des Guten und Bösen, das man von ihnen sagt, ist nicht wahr.

[E 199]


Margate. Es geht da so wie an allen Orten, wo Bäder sind, man holt ein bißgen verlorne Gesundheit und verliert sein Herz.

[E 200]


Sie verkaufen alles bis aufs Hemd und noch weiter.

[E 201]


Ein Schluck von Vernunft.

[E 202]
[390]

Der fast Lessingische Ausdruck, der dem Gedanken sitzt wie angegossen.

[E 204]


Hierbei kommt noch ein Umstand in Betrachtung der auch alle freundschaftliche Mischung der Gesellschaft in den Wirtshäusern unmöglich macht. Nämlich weil die Postwagen-Reisen mit so vielen Trübsalen verbunden sind, so hat man dafür gesorgt, daß die Wirtshäuser noch um so viel schlechter sind, als nötig ist um den Postwagen wieder angenehm zu machen. Ja man kann sich nicht vorstellen, was das für eine Würkung tut. Ich habe Leute die zerstoßen und zerschlagen waren und nach Ruhe seufzten, als sie das Wirtshaus sahen, wo [sie] sich erquicken sollten, sich mit einem Edelmut entschließen sehen weiter zu reisen, der würklich etwas Ähnliches mit jenem Mut des Regulus hatte, der ihn nach Karthago zurückzugehen stärkte, ob er gleich wußte, daß man ihn dort in eine Art von deutschem Postwagen setzen und so den Berg herunter rollen lassen würde. Ferner haben wir in Deutschland allgemeine Gebete, aber keinen allgemeinen Fluch, und kein Schimpfwort, das überall gilt, und keinen Galgen, den man überall kennt. In dem letztern Umstand geht man recht bis zum Einfältigen weit, da man zu Tyburn alles aufknüpft, was sich in dem millionenvollen Middlesex hängensfähig macht, so hat in Deutschland nicht allein fast jedes Dorf seinen Galgen, sondern in großen Städten hat die Bürgerschaft einen eignen Galgen, und die andern einen eignen, und ich fürchte daß man endlich um unsern Ausdrücken alle Kraft von daher zu verwässern Familien-Flüche erfinden und Familien-Galgen errichten wird.

[E 208]


Deutsche Sitten auf das Theater bringen pp. Ein nobler Vorschlag, wahrhaftig völlig wie der Zichorien-Kaffee und Birken-Champagner.[391] Endlich werden sie gar spotten, daß man hebräische Geschichte auf die Kanzel bringt, und von deutschen Aposteln zu faseln anfangen. Um aller Welt willen sagt mir, was haben wir für Sitten die für das Theater taugen? Sollen wir etwa unsere Bauernschinder darauf bringen, unsere Gespensterweisen und unsere Ärzte die die Wassersucht mit Radnägeln, und die Zahnschmerzen mit Roßzähnen heilen? Einen deutschen Baron der kein Deutsch versteht, aber dafür Französisch spricht, aus dem kein Franzos klug werden kann, die vornehmen Leute von Gout und Monde, für die die Ulmischen Messerschmiede Londonsche Schermesser und die Darmstädtischen Kammacher Pariser Kämme machen? Unsere ewigen Affen der Engländer und Franzosen, der mit dem Hut, der andere im Zopf, der dritte im Sporn, der vierte mit Mon-Dieu, der fünfte mit damn me? Was? Den jungen Helden, der im Feld steht wie ein Franzose bei Roßbach und dafür zu Hause Filet macht wie Herkules, der auf alles zuschlägt die Feinde ausgenommen? Den Hippagogen, der glaubt ein Pferd zu dressieren sei wenigstens so schwer und auf und ab auch so wichtig als ein Volk mit Ruhm und Segen zu beherrschen, der das Verdienst weder im Purper, noch mit einer Uniform noch mit einem schwarzen Kleide sondern mit einer ledernen Hose zeichnet? Unsere vortreffliche Abteilung des menschlichen Geschlechts bald in Adliche und Gesindel, bald in Katholiken und Teufelsbraten, und bald in Schriftsteller und Klotzköpfe? Die deutschen Burgemeister, die sich für römische Konsuls, [den] Schützen-Obristen mit Haarbeutel und Coquarde der sich für den Prinz Ferdinand hält? Unsere Hochzeiten, wo Geld vertan wird, wovon man künftig leben, oder unsere Magisterschmäuse wo die Weisheit verleugnet wird, die man lehren wollte? Der Beamte, dem sein Prälat mit seinen Schmäusen die Ehre der Schwindsucht angetan hat? Unsere Unkosten bei Trauer und Leichenbegängnissen, für die man oft den Seligen wieder neu hätte haben können? Die öftere Verwechselung von Orden und Strick, Beutel-Perücke und Narrenkappe? Unsere hohlen papiernen Titul, unsere Adlichen die sich schämen einen Sohn in den Bürgerstand zu erheben und lieber einen abgehärmten Staatsbettler mit langen Spüllumpen-Manschetten und einer Perücke à trois couleurs als einen gesunden reinlichen und glücklichen Kaufmann zum Sohn haben wollen?

Das sind feine Gegenstände für eine Komödie. Da könnten unsere[392] Schauspieler und Autoren dabei forthungern. Wer Henker würde denn 3 Groschen für die Erlaubnis bezahlen etwas in irgend einem unbrauchbaren moderichten Magazin von einem Komödienhaus vorstellen zu sehen, was man täglich im gemeinen Leben und im tapezierten Zimmer umsonst sieht? Und für ein Trauerspiel haben wir noch weniger Gegenstände. Ein armer Teufel, der helden[haft] für das Vaterland stirbt, und arme Teufel die für ihre Vogelfreiheit fechten, ein Vater oder eine Mutter, die ihr Sohn unter die Erde studiert, ein Bauermädgen, auf die der Landjunker Sorge gelächelt hat; einen Schriftsteller, den ein Artikel in einem Journal an den Rand des Grabes gebracht. Abgedankte rechtschaffne Minister und Offiziere, ein Bauer an dem ein Advokat saugt, ein Heer von frönenden Untertanen und die Wahrheit mit einem Galgen auf dem Buckel, das sind fürwahr feine Materien. Darbendes Verdienst, hungernde Künstler, Förster und wilde Schweine im Wohlleben. Wie der Nimrod bei Hofe einkehrt, wenn der alte Adam auszieht. Ich dächte ehe wir solche Alfanzereien auf die Bühne bringen, so behelfen wir uns besser mit eingeführter Ware, oder lassen unsere Helden Englisch-Böotische Festtags-Prose donnern, die wo nicht dem Menschen doch dem Journalleser schmeckt. Was hilft es euch denn den Menschen auf eure Theater zu bringen wie er ist, wenn kaum zwei, drei Skelette auf dem Drei-Groschen-Platz ihn erkennen?

[E 209]


Unser Leben kann man mit einem Wintertag vergleichen, wir werden zwischen 12 und 1 des Nachts geboren, es wird 8 Uhr ehe es Tag wird, und vor 4 des Nachmittages wird es wieder dunkel, und um 12 sterben

[E 212]


Wenn die Menschen plötzlich tugendhaft würden, so müßten viele Tausende verhungern.

[E 213]
[393]

Dem Pabst einen Bart machen heißt das reformieren?

[E 214]


Ein Buch ist ein Spiegel, wenn ein Affe hineinguckt, so kann freilich kein Apostel heraus sehen. Wir haben keine Worte mit dem Dummen von Weisheit zu sprechen. Der ist schon weise der den Weisen versteht.

[E 215]


Der Mensch ist nicht so schwer zu kennen, als mancher Stubensitzer glaubt der sich in seinem Schlafrock freut, wenn er eine von Rochefoucaulds Bemerkungen wahr findet. Ja ich behaupte, die meisten kennen den Menschen besser, als sie selbst wissen, sie machen auch Gebrauch davon im Handel und Wandel, allein sobald sie schrieben, da wäre der Teufel los, da wäre alles so feiertagsmäßig schön, daß man sie gar nicht kenne, und da sie sonst ganz natürlich aussähen, so machten sie jetzt Gesichter, wie eine alte Jungfer, wenn sie sich malen läßt.

[E 218]


Wenn [er] etwas fliegen sieht, so meint er gleich es wäre der Vogel Rock.

[E 220]
[394]

In unseren verklärten Tagen, wo den Voltaire verachten das Kriterium philosophischer, und Wielanden für einen armen Sünder halten schöner Talente ist.

[E 230]


Einen Primaner, der den Goethe anbetet und den Wieland anspeit.

[E 231]
[396]

Der Mann, der glaubt ein Kompendium wäre ein Buch, oder Facta registrieren wäre Geschichte schreiben.

[E 232]
[397]

Die große Regel: Wenn dein Bißgen an sich nichts Sonderbares ist, so sage es wenigstens ein bißgen sonderbar.

[E 243]
[399]

Daß es wahr ist, das hätte nichts zu bedeuten, allein die Leute glaubens, das ist den Teufel.

[E 248]


Ordnung müßt ihr im Büchelgen nicht suchen. Ordnung ist eine Tochter der Überlegung, und meine Feinde haben so wenig Überlegung gegen mich gebraucht, daß ich gar nicht absehe warum ich welche gegen sie gebrauchen sollte.

[E 249]
[401]

Briefe über die neuste Literatur: und ich dank es dem lieben Gott tausendmal, daß er mich zum Atheisten hat werden lassen.

[E 252]


Wir sollten deutsche Charaktere auf die Bühne bringen, vortrefflich, und die deutschen Charaktere uns dafür ans Halseisen. Nicht wahr?

[E 254]
[402]

Warum schreibt ihr denn keine Romane wie den Nothanker, das ist doch einmal ein Buch, das jetzt in London deutsch gelesen wird! Nun das habe ich doch gedacht, er wird doch noch endlich kommen der Nothanker, und es war mir so eben bange. Nicht als wenn ich euch nicht auf eure Frage dienen könnte, sondern weil ich meinen Beweis wegen der Romane so eben mit dem Gnadenstoß geschlossen hatte und euch Affengesichtern zu Gefallen nicht noch wieder von vornen anfangen kann. Wir wollen nun so keine Romane schreiben, wir wollen auch einmal unsern Willen haben und – und warum habt ihr das Maul nicht aufgetan wie ich noch warm war?

[E 255]
[403]

Der noch nicht einmal passives und aktives Lesen unterscheiden kann.

[E 266]
[408]

Schimpft nicht auf unsere Metaphern, es ist der einzige Weg, wenn starke Züge in einer Sprache zu verbleichen anfangen, sie wieder aufzufrischen und dem Ganzen Leben und Wärme zu geben. Es ist unglaublich wie viel unsere besten Wörter verloren haben, das Wort vernünftig hat fast sein ganzes Gepräge verloren, man weiß die Bedeutung aber man fühlt sie nicht mehr, wegen der Menge von vernünftigen Männern, die den Titul geführt haben, unvernünftig ist in seiner Art stärker. Ein vernünftiges Kind ist ein schlaffer frommer Taugenichts von einem Anbringer, ein unvernünftiger Junge ist viel besser. Der Schall Liberty.

[E 274]


Eine schädliche Folge des allzu vielen Lesens ist, daß sich die Bedeutung der Wörter abnutzt, die Gedanken werden nur so ohngefähr ausgedrückt. Der Ausdruck sitzt dem Gedanken nur los an. Ist das wahr?

[E 276]
[411]

Da laufen sie wie Wood und Aischines nach Troja und lesen den Homer auf der Stelle, kommt einmal auf unsere Dachstube und lest unsere Werke wo sie geschrieben sind, und ihr werdet ganz anders urteilen. Eine Kammer worin nie etwas dampft, als zuweilen böser Stein-Tabak, und im Winter unser eigner Odem.

[E 281]
[412]

Es gibt Leute, die glauben, alles wäre vernünftig, was man mit einem ernsthaften Gesicht tut.

[E 286]


In einem Städtgen wo sich immer ein Gesicht aufs andere reimt.

[E 289]


Nicht wahr, morgen oder in Ewigkeit nicht. (gebraucht)

[E 290]
[413]

Das wäre eine Sünde? so wenig als Fenster einschmeißen und Äpfel stehlen.

[E 297]


Wenn ich Fenster einwerfe, so geschieht es immer mit Drei-Groschenstücken.

[E 298]


Die Wege sind mit Nimmergrün besetzt.

[E 299]
[414]

Ich mögte nur einen einzigen Tag König von Preußen sein, ich wollte die Berliner zausen.

[E 306]


Schreibt man denn Bücher bloß zum Lesen? oder nicht auch zum Unterlegen in die Haushaltung? Gegen eins, das durchgelesen wird, werden Tausende durchgeblättert, andere Tausend liegen stille, andere werden auf Mauslöcher gepreßt, nach Ratzen geworfen, auf andern wird gestanden, gesessen, getrommelt, Pfefferkuchen gebacken, mit andern werden Pfeifen angesteckt, hinter dem Fenster damit gestanden.

[E 311]
[415]

Sagt, ist noch ein Land außer Deutschland, wo man die Nase eher rümpfen lernt als putzen?

[E 316]
[416]

Statt Goethisch lies Gothisch.

[E 326]
[417]

Was! Wollt Ihr etwa auch wie Cervantes im Fliehen siegen?

[E 327]


Die Leiden des Herrn Baron von Werthers.

[E 330]


Daß die plagiarii so verächtlich sind kommt daher, weil sie es im kleinen und heimlich tun. Sie sollten es machen wie die Eroberer,[418] die man nunmehr unter die honetten Leute rechnet, sie sollten platterdings ganze Werke fremder Leute unter ihrem Namen drucken lassen und wenn sich jemand dagegen in loco selbst regt, ihm hinter die Ohren schlagen, daß ihm das Blut zu Maul und Nase heraussprützt, Auswärtige in Zeitungen Spitzbuben, Kabalenschmiede, und Bengel schelten, sie zum Teufel weisen oder sagen, daß [sie] das Wetter erschlagen solle. Auf diese Art wollte ich meinem Vaterland weismachen, daß ich den Nothanker geschrieben hätte.

[E 334]


Sie sind unterschieden wie promesse und Versprechung, die letztere wird gehalten und die erstere nicht. Vom Nutzen der französischen Wörter im Deutschen. Ich wundere mich, daß man das nicht gemerkt hat. Das französische Wort gibt die deutsche Idee mit einem Zusatz von Wind, oder in der Hofbedeutung. Ist denn promesse so viel als Versprechen? Eine Erfindung ist etwas Neues und eine Decouverte etwas Altes mit einem neuen Namen. Kolumbus hat Amerika entdeckt und Americus Vesputius hat es decouvriert (ja gout und Geschmack stehn einander fast entgegen und Leute von gout haben selten viel Geschmack). Ehmals erfanden die Deutschen noch, jetzt da man mit Recht Schreiben zum Maßstab von Verdienst gemacht und man die kritischen Bibliotheken, Kalender und Lotterielisten und Muster-Charten mit unter die Bücher rechnet, so legen sich die Deutschen mehr auf das Decouvrieren. Ehmals hat man in Frankreich öffentlich über die Frage disputiert: si un allemand peut avoir de l'esprit. Non Messieurs, würde ich gesagt haben, denn versteht ihr unter Esprit was wir darunter verstehen, so habt ihr recht, versteht ihr aber unter Esprit, war wir und die Engländer unter Witz und Wit verstehen, so sollen euch die schwarzen Husaren holen, Ihr Schelmen. Welches ist witziger, sagt, wie ihr einer Dame wegen weniger in ein Buch zu bringen als hinein gehört, oder wie wir der Mannspersonen wegen mehr hinein zu bringen, als wir selbst wissen? Den Damen zu Gefallen nicht mehr Blut sagen sondern Lebens-Burgunder, die Mathematik aus mathematischen Büchern verbannen. Griechisch mit lateinischen Lettern drucken, der Schwangern wegen. Algebra durch A ... ausdrucken der Schwangern wegen.

[E 335]
[419]

Eine Preisfrage an den Himmel.

[E 350]


Als er eine Mücke ins Licht fliegen sah, und sie nun mit dem Tode rang, so sagte er: hinunter mit dem bitteren Kelch, du armes Tier, ein Professor sieht es und bedauert dich.

[E 351]
[421]

Wer wird abwimmern, was er abtragen kann?

[E 365]


Alles wohlklingend und alles erlogen.

[E 367]
[422]

Nicht alle die Wohlgeboren sind Wohlgestorben oder im Reich der Toden Hochedelgestorbene.

[E 372]
[427]

Als ich nun so studierte und schlief.

[E 373]
[428]

Wie gehts, sagte ein Blinder zu einem Lahmen. Wie Sie sehen, antwortete der Lahme.

[E 385]
[429]

Mitleid und Furcht ist es die Aristoteles zur Absicht des Trauerspiels macht, nicht Mitleid und Schrecken.

[E 399]
[431]

Wenn man sich nur recht selbst beobachtet. Ein weißer Bogen Papier flößt mehr Respekt ein, als der schönste Bogen Makulatur. Es füllt einen mit einer Begierde ihn zu beseelen.

[E 406]
[432]

Habe keine zu künstliche Idee vom Menschen, sondern urteile natürlich von ihm, halte ihn weder für zu gut noch zu böse.

[E 412]
[433]

Nicht jeder Original-Kopf führt eine Original-Feder, und nicht jede Original-Feder wird von einem originellen Kopf regiert.

[E 414]


Erkünstelte und natürliche Laune.

[E 417]
[434]

Mit der Feder in der Hand habe ich, mit gutem Erfolg, Schanzen erstiegen, von denen andere mit Schwert und Bannstrahl bewaffnet zurückgeschlagen worden sind.

[E 422]
[435]

Die würklichen Philosophen und die titulären.

[E 425]


Was mich überhaupt bei Herrn Lavater wundert, ist, daß er, der so sehr aufmerksam auf die Zeichen gewesen ist aus denen sich der Charakter erraten läßt, nicht hat merken können, daß man Leuten die so schreiben, wie er nicht leicht viel glaubt,5 daß sie schwätzen mögen so lange sie wollen, denn die Art, pflegt man zu sagen, wie ein Zeugnis gesagt wird, ist zuweilen wichtiger, als das Zeugnis selbst.

[E 426]
[436]

Die alten Dichter haben doch noch den Nutzen, wenn sie auch sonst keinen hätten, daß wir die Meinungen des gemeinen Volks hier und da kennen lernen, die sonst nicht aufgezeichnet sind, auch den haben unsere Genies nicht einmal. Denn unsere Volkslieder sind oft voll von einer Mythologie, die niemand im Städtgen kennt, als der Narr, der das Volkslied gemacht hat.

[E 437]
[438]

Der Mann geht zu weit, aber tue ich das nicht auch? Er hört sich gern in seinem Enthusiasmus. Höre ich mich nicht gerne mit meinem Witz? oder in meiner kaltblütigen Verachtung alles dessen was aus Empfindung getan wird?

[E 442]
[439]

Namentlich alle Buhl- und Betschwestern.

[E 448]
[440]

Unsere besten Universitäten haben sie nicht unangetastet gelassen, von denen doch so viel unüberschwängliches Gute kommt, aus welchem Unwesen denn der Pferdefuß und die Klaue deutlich hervorguckt. Man schafft Professoren an, hoffnungsvolle junge Leute, man schafft Bücher an, liest, exzerpiert, räsoniert sich weiß, gelb, schwindsüchtig, und frigid und impotent. Und was ist denn am Ende der ganze Nutzen bisher noch in Deutschland gewesen? Wackere Advokaten, auch allenfalls wackere Richter und brave Amtleute, das ist wahr. Aber wo sind unsere erbauliche Prediger, denen der Welt- und Menschenkenner mit Vergnügen zuhört? Wo sind unsere Publizisten? Und wo sind (dabei zucken die Schelmen wohl gar die Achsel?), ach Gott wo sind unsre philosophischen Geschichtschreiber? Männer die tief geprüfte Sachen kurz und stark zu sagen wissen, und immer mehr den Menschen vor Augen haben, als den Nieder- oder Obersachsen oder s ... der nicht erst eine Bemerkung macht, und dann sagt daß er sie gemacht hat, der 20–, 30jährige Erfahrung in einer Zeile hinwirft, die hernach dem denkenden Leser mit einem Vergnügen, das kein gleiches hat, sich wieder in Leben-Gebrauch auflöst? Wo sind unsere Philosophen? Wo sind unsere Prosaisten? Noch zur Zeit nur ein einziger Lessing! Barden, Rezensenten, poetische Zitterer, Enthusiasten, die bei jedem Favorit-Vorfall ihr ganzes Feuerwerk abbrennen, haben wir zu Tausenden. Leute die mit ihrer Schrift einem ganzen Rezensenten-Club heilige Schauder abjagen, konventionell für jenes Kollegium, für jene Zeitungsschreiber, für dieses Kränzgen, aber für den Menschen –[441] nichts, gar nichts! Man wird gefunden haben, daß uns die Leute platterdings zu nichts machen wollen. Etwas müssen wir doch sein.

[E 455]


Eine Haupt-Regel in der Philosophie ist, keinen Deum ex machina zu machen, keine Sinnen, keinen Instinkt anzunehmen, wo man noch mit Assoziation und Mechanismus auskommen kann.

[E 460]
[442]

Wenn innere Besserung des Herzens und des inneren Menschen eine Besserung der Gesichtszüge nach sich zöge und, daß man sich durch ein vernünftiges und christliches Leben ein Lavatersches Christusgesicht ziehen könnte, so ließe ich Physiognomik gelten. Auch glaube ich, wenn es des Schöpfers Absicht gewesen wäre, den Menschen endlich eine solche Einsicht zu verstatten, so hätte er in die Form mehr Veränderlichkeit gelegt. Wie kann Rotwerden aus der Assoziation der Ideen und der Anatomie erklärt werden?

[E 489]
[446]

Nichts gefällt dem Apoll besser, als [wenn] man ihm einen mutwilligen Rezensenten schlachtet.

[E 492]


Wenn Leute ihre Träume aufrichtig erzählen wollten, da ließe sich der Charakter eher daraus erraten, als aus dem Gesicht.

[E 494]
[447]

Was muß es auf ein Volk für einen Einfluß haben wenn es keine fremde Sprachen lernt? Vermutlich etwas Ähnliches von dem, den eine gänzliche Entfernung von aller Gesellschaft auf einen einzelnen Menschen hat.

[E 510]


Wenn wir die Mütter bilden, das heißt die Kinder in Mutterleibe erziehen.

[E 511]


Er fiel sich selbst ins Wort.

[E 519][451]

Quelle:
Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe. Band 1, München 1967 ff., S. 337-338,346-347,349-378,381-382,384-404,408-409,411-423,427-443,446-448,451-452.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
[Aus den »Sudelbüchern«]
Aus den »Sudelbüchern«

Buchempfehlung

Jean Paul

Flegeljahre. Eine Biographie

Flegeljahre. Eine Biographie

Ein reicher Mann aus Haßlau hat sein verklausuliertes Testament mit aberwitzigen Auflagen für die Erben versehen. Mindestens eine Träne muss dem Verstorbenen nachgeweint werden, gemeinsame Wohnung soll bezogen werden und so unterschiedliche Berufe wie der des Klavierstimmers, Gärtner und Pfarrers müssen erfolgreich ausgeübt werden, bevor die Erben an den begehrten Nachlass kommen.

386 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon