Vierter Auftritt

[68] Zar. Marie.


MARIE. Gut, daß ich Euch finde. Ihr spracht meinen Oheim; hat er Euch gesagt, wie es mit Iwanow steht?

ZAR. Soviel ich weiß, gut. Er ist auf freiem Fuße, wie ich.

MARIE. Das wußte ich wohl; der eine Herr Gesandte hat sich für euch beide verbürgt, aber wie steht es denn weiter mit ihm?

ZAR. Weiter? Soviel ich weiß, gut.

MARIE. Seid nicht so wortkarg; sagt mir, ist er denn wirklich –?

ZAR. Was?

MARIE. Der Kaiser von Moskau?

ZAR. Die Leute sagen es, und Ihr Oheim überhäuft ihn mit Ehrenbezeigungen, also muß es doch wohl wahr sein.

MARIE verzweifelt. Also doch! Und so auf einmal! Ach, du lieber Himmel, was soll denn da aus mir werden? Als Kaiser kann er mich doch nicht heiraten.

ZAR. Möchten Sie nicht Kaiserin sein?

MARIE. Je nun, es mag wohl so übel nicht sein, wenn man sich gegenseitig recht lieb hat; ich habe aber immer gehört, bei den hohen Herren dauerte das nicht lange. Und was hätte ich denn von einem Manne, der den ganzen Tag regierte und sich gar nicht um mich bekümmerte.

ZAR. Was wäre denn da zu tun?[68]

MARIE. Reden Sie ihm zu, daß er abdankt. Was hat er denn davon? Viele Menschen, die ihm den Kopf warm machen, viele Sorgen, Krieg das ganze Jahr, und am Ende kommt doch nichts dabei heraus.

ZAR. Wenn es aber das Wohl von vielen Tausenden gälte?

MARIE nach einer Pause. Das ist etwas anderes. Mich freut es, wenn ich nur einen einzigen glücklich machen kann, und auf ihn warten Tausende – ja dann muß er folgen, aber, es wird mir das Herz brechen. Mit Tränen. Ach, nun fühl ich erst, wie lieb ich ihn habe. Aber wozu diese Mummerei? Warum kam er als Zimmergeselle, um sich meine Liebe zu erwerben, warum nicht gleich als Kaiser? Da wußte ich doch, woran ich war.

ZAR. Verhältnisse wahrscheinlich. Jetzt ein ernstes Wort, liebe Marie. – Ihr Glück liegt mir am Herzen, und gelingt mein Plan, so führe ich Sie heute noch in Iwanows Arme.

MARIE erfreut. In des Kaisers Iwanow Arme?

ZAR. Gleichviel ob Kaiser oder nicht, genug, ich bewirke es, Sie werden seine Gattin.

MARIE freudig. Wär's möglich – Sie könnten – Plötzlich ernst. Ach gehen Sie; Sie sind mir auch so ein Heimlicher, man weiß nie, was man aus Ihnen machen soll.

ZAR. Mögen Sie mich halten, wofür Sie wollen – mein Wort darauf, Iwanow wird Ihr Mann.

MARIE außer sich vor Freude. Wenn das wahr würde, liebster Herr Michaelow, ich wollte Sie für den besten Menschen auf der Welt, für einen Engel wollte ich Sie halten. Aber täuschen Sie mich auch nicht? – Nein, Sie haben sich uns stets so treulich genähert, Ihr biederer Sinn, Ihr gutes Herz hat uns so oft bewiesen, wie gut Sie es mit uns meinen – nein, Sie täuschen uns gewiß nicht, Sie haben zwei so ehrliche Augen. Ach, wäre Iwanow nur da, daß ich ihm unser Glück verkünden könnte! Meinen Oheim kriegen wir herum, das ist Nebensache; und wenn ich erst gewiß wüßte, daß Iwanow kein Kaiser ist, ich wollte vor Freude jauchzen, daß man es bis übers Meer hörte.[69]

ZAR. Nur jetzt noch nicht.

MARIE. Ich werde ganz leise jauchzen. – Noch eins: weiß Iwan schon?

ZAR. Kein Wort. Er darf vor einer Stunde auch keine Silbe davon erfahren.

MARIE. Vor einer Stunde? Aber wie hängt denn das eigentlich zusammen?

ZAR. Das soll Ihnen nach Verlauf einer Stunde alles klarwerden. Für jetzt müssen Sie ihn als Kaiser behandeln, öffentlich wie unter vier Augen, das bedinge ich.

MARIE. Oh, ich werde nichts verraten. Wenn ich ihm begegne, werde ich sprechen: Haben Euer Majestät gut geschlafen, oder haben Euer Majestät heute viel zu regieren, kann ich helfen? Und wenn er mich dann staunend ansieht, dann werfe ich ihm einen Blick zu, so einen gewissen, den versteht er recht gut, und versteht er ihn nicht, so sage ich ihm –

ZAR. St! Kein Wort!

MARIE. Kein Wort, ich tue nur, als ob ich etwas sagte; aber wenn alles vorbei, wenn unser Glück entschieden ist, dann wird ihm gehörig der Text gelesen, weil er mich so geängstigt hat. Lebt wohl, lieber, lieber Michaelow, mögt Ihr nun sein, wer Ihr wollt, ich betrachte Euch als unsern Schutzgott! Herzlich. Für jetzt kann ich Euch nichts weiter bieten, als den Dank eines armen Mädchens, dessen Lebensglück Ihr gründen wollt, heiter für die Zukunft sollt Ihr ein Glied unserer Familie sein. Bei der Verlobung, bei der Trauung, bei der Hochzeit, bei – bei allem, was vorfällt, sollt Ihr der erste sein. Rasch ab.


Quelle:
Albert Lortzing: Zar und Zimmermann. Stuttgart [o. J.], S. 68-70.
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