V.

[368] Pluto und Merkur.


PLUTO. Merkur, kennst du einen gewissen steinalten und steinreichen Eukrates, der keine Kinder, aber dafür ein Funfzigtausend gute Freunde hat, die auf seine Erbschaft Jagd machen?

MERKUR. Ich kenne ihn sehr gut; du meinst doch den reichen Sicyonier? Und was ist's mit ihm?

PLUTO. Ich wünschte, Merkur, daß du ihm zu den neunzig Jahren, die er schon gelebt hat, noch neunzig andere womöglich und drüber zumessen wolltest. Seine Schmarotzer hingegen, den jungen Charinus, den Damon und alle die übrigen, raffe einen nach dem andern weg.

MERKUR. Das wird aber unschicklich herauskommen.

PLUTO. Ganz und gar nicht! Jedermann wird es sehr billig und gerecht finden. Denn was für eine Ursache haben diese Bursche, ihm den Tod zu wünschen und seinem Vermögen nachzustellen, da sie ihn gar nichts angehen? Das verruchteste dabei ist noch, daß sie, mit solchen Gesinnungen, sich vor den Leuten stellen, als ob sie seine eifrigsten Verehrer wären und, wenn er krank wird, große Gelübde für sein Leben tun, wiewohl jedermann weiß, was sie wünschen. Kurz, es ist ein schändliches Pack heuchlerischer Buben, denen ihre Kunstgriffe nicht gelingen sollen. Laß ihn also unsterblich sein! Sie hingegen sollen ihre Schnäbel vergebens aufgesperrt haben und alle vor ihm abmarschieren müssen!

MERKUR. Was die Spitzbuben für Gesichter schneiden werden, wenn sie sehen, daß sie angeführt sind! Aber Eukrates versteht sich meisterlich darauf, sie anzukörnen und bei der Nase herumzuführen! Der alte Schlaukopf stellt sich immer, als ob ihm der Tod auf der Zunge sitze, wiewohl er[368] im Grunde eine bessere Gesundheit hat als die jungen Leute, die sich so voreilig in seine Erbschaft teilen und das glückliche Leben ausrechnen, das sie schon in Händen zu haben glauben.

PLUTO. Eukrates also soll seine alte Haut ablegen und, wie Joleos, wieder von vorn zu leben anfangen, jene aber ihren verdienten Lohn erhalten und mitten aus ihren süßen Träumen von Reichtümern und Wollüsten weggerafft werden!

MERKUR. Sei deswegen ohne Sorge, Pluto, ich will sie dir alle der Ordnung nach herbeiführen. Es sind ihrer sieben, wenn ich nicht irre.

PLUTO. Tue das! Der Alte soll sie alle vor sich herschicken und aus einem abgelebten Greise wieder zum Jüngling werden.

Quelle:
Lukian: Werke in drei Bänden. Berlin, Weimar 21981, Band 1, S. 368-369.
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