Vorrede auff den Psalter.

ES haben viel heiliger Veter den Psalter sonderlich fur andern Büchern der Schrifft gelobet vnd geliebet /Vnd zwar lobt das werck seinen Meister selbs gnug. Doch müssen wir vnser Lob vnd Danck auch daran beweisen.

MAn hat in vergangen jaren fast viel Legenden von den Heiligen / vnd Passional / Exempel-Bücher vnd Historien vmbher gefürt / vnd die Welt da mit erfüllet. Das der Psalter die weil vnter der banck / vnd in solchem finsternis lag / das man nicht wol einen Psalmen recht verstund / Vnd doch so trefflichen edlen geruch von sich gab / das alle frome hertzen auch aus den vnbekandten worten andacht vnd krafft empfunden / vnd das Büchlin darumb lieb hatten.

JCH halt aber / Das kein feiner Exempelbuch oder Legenden der Heiligen auff Erden komen sey oder komen müge / denn der Psalter ist. Vnd wenn man wündschen solt / das aus allen Exempeln / Legenden /Historien / das beste gelesen vnd zusamen gebracht /vnd auff die beste weise gestellet würde / so müste es der jtzige Psalter werden. Denn hie finden wir nicht allein / was einer oder zween Heiligen gethan haben /Sondern was das Heubt selbs aller Heiligen gethan hat / vnd noch alle Heiligen thun. Wie sie gegen Gott / gegen Freunden vnd Feinden sich stellen / Wie sie sich in aller fahr leiden halten vnd schicken. Vber das / das allerley göttlicher heilsamer Lere vnd Gebot darinnen stehen.

VND solt der Psalter allein des halben thewr vnd lieb sein / das er von Christus sterben vnd aufferstehung / so klerlich verheisset / vnd sein Reich vnd der gantzen Christenheit stand vnd wesen furbildet. Das es wol möcht ein kleine Biblia heissen / darin alles auffs schönest vnd kürtzest / so in der gantzen Biblia stehet / gefasset vnd zu einem feinen Enchiridion oder Handbuch gemacht vnd bereitet ist. Das mich dünckt / Der heilige Geist habe selbs wöllen die mühe auff sich nemen / vnd eine kurtze Bibel vnd Exempelbuch von der gantzen Christenheit oder allen Heiligen zusamen bringen. Auff das / wer die gantzen Biblia nicht lesen kündte / hette hierin doch fast die gantze Summa verfasset in ein klein Büchlin.

ABer vber das alles / ist des Psalters edle tugent vnd art / Das andere Bücher wol viel von wercken der Heiligen rumpeln / Aber gar wenig von jren worten sagen. Da ist der Psalter ein ausbund / Darin er auch so wol vnd süsse reucht / wenn man darinne lieset. Das er nicht allein die werck der Heiligen erzelet /Sondern auch jre wort / Wie sie mit Gott geredt vnd gebetet haben / vnd noch reden vnd beten. Das die andern Legenden vnd Exempel / wo man sie gegen dem Psalter helt / vns schier eitel stumme Heiligen furhalten. Aber der Psalter rechte wacker lebendige Heiligen vns einbildet.

ES ist ja ein stummer Mensch gegen einem redenden / schier als ein halb todter Mensch zu achten. Vnd kein krefftiger noch edler werck am Menschen ist /denn reden / Sintemal der Mensch durchs reden von andern Thieren am meisten gescheiden wird / mehr denn durch die gestalt oder ander werck. Weil auch wol ein holtz kan eines Menschen gestalt durch Schnitzer kunst haben. Vnd ein Thier so wol sehen /hören / riechen / singen / gehen / stehen / essen / trincken / fasten / dürsten / Hunger / frost vnd hart lager leiden kan / als ein Mensch.

ZV dem / thut der Psalter noch mehr / Das er nicht schlechte gemeine rede der Heiligen vns furbildet /Sondern die aller besten / so sie mit grossem ernst in der aller trefflichsten sachen mit Gott selber geredt haben. Da mit er nicht allein jr wort vber jr werck /Sondern auch jr hertz vnd gründlichen schatz jrer Seelen vns furlegt / Das wir in den grund vnd quelle jrer wort vnd werck / das ist / in ir hertz sehen können /was sie fur gedancken gehabt haben / Wie sich jr hertz gestellet vnd gehalten hat / in allerley sachen /fahr vnd not. Welchs nicht so thun noch thun können / die Legenden oder Exempel / so allein von der Heiligen werck oder Wunder rhümen. Denn ich kan nicht wissen / wie sein hertz stehet / ob ich gleich viel trefflicher werck von einem sehe oder höre.

VND gleich wie ich gar viel lieber wolt einen Heiligen hören reden / denn seine werck sehen. Also wolt ich noch viel lieber sein hertz vnd den Schatz in seiner Seelen sehen / denn sein wort hören. Das gibt aber vns der Psalter auffs aller [289a] reichlichst an den Heiligen / das wir gewis sein können / wie jr hertz gestanden / vnd jre wort gelautet haben / gegen Gott vnd jederman. Denn ein menschlich Hertz ist wie ein Schiff auff eim wilden Meer / welchs die Sturmwinde von den vier örtern der Welt treiben. Hie stösset her / furcht vnd sorge fur zukünftigem Vnfal. Dort feret gremen her vnd traurigkeit / von gegenwertigem Vbel. Hie webt hoffnung vnd vermessenheit /von zukünfftigem Glück. Dort bleset her sicherheit vnd freude in gegenwertigen Gütern.

SOlche Sturmwinde aber leren mit ernst reden vnd das hertz öffenen / vnd den grund eraus schütten. Denn wer in furcht vnd not steckt / redet viel anders von vnfal / denn der in freuden schwebt. Vnd er in freuden schwebt / redet vnd singet viel anders von freuden / denn der in furcht steckt. Es gehet nicht von hertzen / (spricht man) wenn ein Trawriger lachen /oder ein Frölicher weinen sol / das ist / Seines hertzen grund stehet nicht offen / vnd ist nicht er aus.

WAS ist aber das meiste im Psalter / denn solch ernstlich reden / in allerley solchen Sturmwinden? Wo findet man feiner wort von freuden / denn die Lobpsalmen oder Danckpsalmen haben? Da sihestu allen Heiligen ins hertze / wie in schöne lüstige Garten / ja wie in den Himel / Wie feine hertzliche lüstige Blumen darinnen auffgehen von allerley schönen frölichen Gedancken gegen Gott / vmb seine Wolthat.

WJderumb / wo findestu tieffer / kleglicher / jemerlicher wort / von Trawrigkeit / denn die Klagepsalmen haben? Da sihestu aber mal allen Heiligen ins hertze /wie in den Tod / ja wie in die Helle. Wie finster vnd tunckel ists da / von allerley betrübtem anblick des zorns Gottes. Also auch / wo sie von furcht vnd hoffnung reden / brauchen sie solcher wort / das dir kein Maler also kündte die Furcht oder Hoffnung abmalen / vnd kein Cicero oder Redkündiger also furbilden.

VND (wie gesagt) ist das das aller beste / das sie solche wort gegen Gott vnd mit Gott reden / welchs macht das zweifeltiger ernst vnd leben in den worten sind. Denn wo man sonst gegen Menschen in solchen sachen redet / gehet es nicht so starck von hertzen /brennet / lebt / vnd dringet nicht so fast. Daher kompts auch / das der Psalter aller Heiligen Büchlin ist / Vnd ein jglicher / in wasserley sachen er ist /Psalmen vnd wort drinnen findet / die sich auff seine Sachen reimen / vnd jm so eben sind / als weren sie allein vmb seinen willen also gesetzt / Das er sie auch selbs nicht besser setzen noch finden kan noch wündschen mag.

WElchs denn auch dazu gut ist / das / wenn einem solche wort gefallen vnd sich mit jm reimen / Das er gewis wird / er sey in der Gemeinschafft der Heiligen / vnd hab allen Heiligen gegangen / wie es jm gehet / weil sie ein Liedlin alle mit jm singen. Sonderlich / so er sie auch also kan gegen Gott reden / wie sie gethan haben / Welchs im glauben geschehen mus / Denn einem gottlosen Menschen schmecken sie nichts.

ZV letzt / ist im Psalter die sicherheit vnd ein wol verwaret Geleit / das man allen Heiligen on fahr drinnen nachfolgen kan. Denn ander Exempel vnd Legenden von den stummen Heiligen bringen manch werck für / das man nicht kan nachthun / Viel mehr werck aber bringen sie / die fehrlich sind nach zu thun / vnd gemeiniglich Secten vnd Rotten anrichten / vnd von der Gemeinschafft der Heiligen füren vnd reissen. Aber der Psalter helt dich von den Rotten zu der heiligen Gemeinschafft / Denn er leret dich in Freuden /Furcht / Hoffnung / Trawrigkeit / gleich gesinnet sein vnd reden / wie alle Heiligen gesinnet vnd geredt haben.

SVmma / Wiltu die heiligen Christlichen Kirchen gemalet sehen mit lebendiger Farbe vnd gestalt / in einem kleinen Bilde gefasset / So nim den Psalter fur dich / so hastu einen feinen / hellen / reinen / Spiegel /der dir zeigen wird / was die Christenheit sey. Ja du wirst auch dich selbs drinnen / vnd das rechte Gnotiseauton finden / Da zu Gott selbs vnd alle Creaturn.

DArumb lasst vns nu auch fursehen / das wir Gott dancken / fur solche vnaussprechliche güter / vnd mit vleis vnd ernst dieselbigen annemen / brauchen vnd vben / Gott zu lob vnd ehre / Auff das wir nicht mit vnser vndanckbarkeit etwas ergers verdienen. Denn vor hin zur zeit der finsternis / welch ein Schatz hette es sollen geacht sein / wer einen Psalmen hette mügen recht verstehen / vnd im verstendlichen Deudsch lesen oder hören / vnd habens doch nicht gehabt. Nu aber sind selig die Augen / die da sehen / das wir sehen /vnd ohren / die da hören / das wir hören. Vnd besorge doch / ja leider sehen wirs / das vns gehet / wie den Jüden in der wüsten / die da sprachen vom Himelbrot / Vnser Seelen eckelt fur der geringen [289b] Speise. Aber wir sollen auch wissen / das daselbs bey stehet / wie sie geplagt vnd gestorben sind / das vns nicht auch so gehe.

DAS helffe vns der Vater aller Gnaden vnd Barmhertzigkeit / durch Jhesum Christum vnsern HErrn /Welchem sey Lob vnd Danck / Ehre vnd Preis fur diesen Deudschen Psalter / vnd fur alle seine vnzeliche vnaussprechliche Wolthat in ewigkeit / AMen /AMEN.

Quelle:
Martin Luther: Die gantze Heilige Schrifft Deudsch. 2 Bände, München 1972.
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