[38] Pluto, Vorige.
PLUTO.
Die Parad' ist vorbey; heut hat's wieder gewimmelt von Damen,
Aber ich hab auch jetzt Mordkerls beysammen.
Wer ist denn dieses menschliche Insect,
Das sich in mein Reich einzunisten erkeckt?
CERBERUS.
Es ist kein Mensch, es ist nur ein Wienerharfenist.
PLUTO.
Der Kerl ist ja nicht blind, wie 's jeder andre ist.
CERBERUS.
Er ist mit Blindheit an Leib und Seel gschlagen,
Sonst thät er sich wegen seinem gstorbnen Weib nit her wagen.[38]
PLUTO.
Aha, ich riech den Lunten, gewiß der Mann von der Dizel?
ORPHEUS.
Richtig! Das Weib war mein ganzes Letizel.
Ihr verdank ich mein Aufkommen, wie 's halt schon geht,
Es hätt' mancher kein Brot, wenn er sein Weiberl nit hätt'.
Hat einer ein Weiberl, die sich in d' Leut kann schicken,
So hilft man ihm weiter aus Freundschaft in allen Stücken.
Man bekommt ganze Bandeln von Freunden, man weiß gar nit, wie?
So ein Weib auf der Welt ist ein Terno aus der Lottrie.
PLUTO.
Was bist du für ein Landsmann? Ein geborner Wiener?
ORPHEUS.
Ein Hirschauer bin ich, und Ihr gehorsamster Diener.
Ich muß Ihnen nur mein Lebensgschicht erzähln,
Sie können Sich nachher das Beste draus wähln.
Die Hirschauer sind weit und breit wohl bekannt,
Wie d' Schwaben überhaupt wegen großen Verstand.
Das wissen S'. Als Kind bin ich aufn Schädel gfallen,
Und konnte nicht lernen, war der dümmste von allen.
Ich war wie vernagelt. Alles schlug auf mich zu,
Und mein Schulmeister sagte: Das ist der dümmste Bue!
Da sagt halt mein Mutter: Du erzdummer Strick,
Im Vaterland macht man höchst selten sein Glück.
Du mußt in die Fremd, du bist dumm genug,
Du machst gwiß dein Glück – meine Mutter war klug.
Ich bin auf der Donau heruntergschwommen,
Kaum bin ich beym Schanzel in Wien angekommen,
Da hat man mich gleich für ein'n Ausländer ghalten,[39]
Ich konnt, unter uns gesagt: d' Harfen kaum halten.
Und's waren recht brave Harfenisten in Wien,
Doch waren s' nur Wiener, drum waren s' auch hin.
Sie waren erschossen, ich trug davon 's Prae,
Denn ich bin ein Ausländer Sacredibleu!
PLUTO.
Im Vaterland hungert der größte Prophet,
Die fettesten Bissen frißt's Ausländer-bête,
Doch auf sein Weib zu kommen, mein Freund,
Ich rath ihm zu schweigen, sonst macht er sich Feind,
Sie hat hier einen großen Protector gefunden.
ORPHEUS.
So gschwind schon? sie ist ja kaum todt seit zwey Stunden –
PLUTO.
Und da sieht er wohl ein, es ist eine kitzliche Sach,
Man schont große Herrn und gibt ihnen nach!
Es fehlt ja an Weibern, wie ich hör nicht auf Erden,
Sie sollen ja ordentlich ausgspielt jetzt werden.
ORPHEUS.
Nu freylich, das kann ich schon wieder nicht läugnen,
Doch wird sich halt keine für mich mehr so eignen.
Die kennt meinen Zustand, mein'n ganzen Humor,
Sie setzt, wenn ich bsoffen war, saures mir vor.
Sie kocht mir mein Leibspeis, und tragt ihre Prügel
Geduldig, und schreyt nicht, wie ein anderer Nigel.
Sie singt, wenn ich spiel, und geht sammeln für mich.
Und weiß, wie sie das Geld lockt, und kennt alle Schlich.
Man hört türkische Musik.
PLUTO.
Mordelement, kommen die Schmarozer schon wieder zum Essen,
So kann man allein keinen Bissen mehr fressen.[40]
ORPHEUS.
Wer kommt denn? Ruckt ein Regiment vielleicht ein?
PLUTO.
Wer wird es denn sonst – als das Göttergschlamp seyn.
Buchempfehlung
Anselm vertritt die Satisfaktionslehre, nach der der Tod Jesu ein nötiges Opfer war, um Gottes Ehrverletzung durch den Sündenfall des Menschen zu sühnen. Nur Gott selbst war groß genug, das Opfer den menschlichen Sündenfall überwiegen zu lassen, daher musste Gott Mensch werden und sündenlos sterben.
86 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro