Eilfte Scene.

[70] Freye Gegend.

Orpheus allein, dann Amor.


ORPHEUS.

Ich bin halt doch ein Narr, mein Herz ist gar schwach,

Ich schau noch immer dem geliebten Kometen nach.

Wenn alle bösen Weiber sich in Kometen transmutiren,

So werden die andern Stern vom Firmament bald abmarschiren.

Denn da bleibt für sie kein Platz übrig, das ist wahr,

Und die Kometen sind dann gewiß nicht mehr so rar.

O Dizel – du hast mirs agethan, ich kanns nicht vergessen,

Ich möchte das Weibsbild vor Lieb jetzt noch fressen.

Dort kommt der Amor her, der laßt d' Flügeln hängen,

Sie werden ihms doch etwa nicht gar versengen.

AMOR weinend.

Ist denn kein Mensch, der sich meiner erbarmt, mehr da,

Du bist der Orpheus, auch so ein Tygerherz, ja?

ORPHEUS.

Was ist denn gschehen? Was ist denn arrivirt?

AMOR.

Die Mama habens mir just arretirt.

ORPHEUS.

Hat s' gstohln oder haben s' d' Schuldner setzen lassen?

AMOR.

Mit dem Mars hats ein wenig wollen spassen.

Und da kommt der Mann dazu, der russige Vulkan,

Und fangt wegen dem Bagatell einen Mordlärm an.[71]

ORPHEUS.

Ich kann mir nicht helfen, es muß heraus,

Du und deine Mama führen ein ordentliches Haus.

Es ist ein Spektakl, was ihr treibt, seit die Welt steht,

Es ist recht, wenn euch einmahl's Wasser an d' Gurgel geht.

Plagt ihr nicht die armen Menschen ohne Gwissen,

Du Nigel, thust nach allen Herzen Scheiben schießen,

Und d' Mama hat am ungezogenen Buben noch Lust,

So wie auf der Welt viele Ältern, wie wohl bewußt.

Was habt ihr nicht angestellt! um es zu melden

Nehmen wir zum Beyspiel Herkules, den Helden:

Die ganze Welt hat er besiegt in Süden und Norden,

Am End ist er durch euch ein Flachsspinner worden.

Aus Philosophen und Weisen macht ihr dumme Jan's,

Aus einem Frauenzimmer gar oft eine Gans.

Aus Hasenherzen macht ihr martialische Krieger,

Aus rechtschaffnen Leuten oft Dieb und Betrüger.

Manchen Millionär habt ihr aufn Bettlstab bracht,

Aber nie noch den Bettler zum Herrn gmacht.

Ihr treibts ja mordialisch – trotz einem Friseur

Setzt ihr die Köpf auf, da schau einmahl her.

Meinen eignen habt ihr abscheulich toupirt,

Es ist nur ein Wunder, daß kein Hirschkopf daraus wird.

AMOR.

Auch du bist verschworen, und wir meinens doch gut,

Wir thuns aus Mitleid, wir unschuldigs Blut.

Was hätten die Menschen für Freud' auf der Welt,

Wenn ihnen das beste, die Liebe halt, fehlt?

Denk an die Jugend, an d' erste Lieb – mein Schatz,

Auf den ersten Handdruck, auf den ersten köstlichen Schmatz[72]

Den dir 's Mensch hat gebn, gelt ich habs gtroffen?

Du bist so selig, wie ein winiger Hund herum gloffen.

Und jetzt schimpfst du? o du undankbars Gschlecht!


Für sich.


Mein Plan ist gefaßt, du kommst mir just recht.

ORPHEUS.

Unrecht hat er just nicht; es hat auch sein bene;

O warum ist gewöhnlich so falsch jede Schöne!

Wenn s' ein Fenster aufm Herzen hättn die Figürln,

So könnten s' uns doch nicht so abscheulich papirln.

AMOR.

Lieb ist ein Element, das will ich dir beweisen,

Ein Stockfisch bleibt der, der die Lieb nicht will preisen.


Quodlibet.


Alles fühlt der Liebe Freuden

Schnäbelt, tändelt, herzt und küßt. –

Alle liebt und paart sich wieder,

Kosend steigt der Lenz hernieder,

Und umarmt die junge Flur.–

Bey Männern, welche Liebe fühlen,

Fehlt auch ein gutes Herze nicht –

Bey uns in Tyrol und im Landel,

Ist Weibertreu aftn nit rar –

Es ist das höchste der Gefühle,

Wenn viele, viele, viele, viele,

Lauter liebe Kinderlein –

Wann ich öfter früh aufsteh,

Und zu meinem Dirndel fensterln geh',

Da sieht s' mich von weiten,

Und ist voller Freuden.


Quelle:
Carl Meisl: Theatralisches Quodlibet, Pesth 1820, S. 70-73.
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