Wer Ohren hat zu hören, der höre!

[28] Ist es denn hart, die Worte wieder zu sagen, die von den Lippen des sanftesten Lehrers tönten? –

Dem die Geschlechter der Menschen nun tief in das zweite Jahrtausend horchen, und horchen, ohne den leisesten Laut, des göttlichen Sinnes zu vernehmen? –

Das Licht wandelte in der Finsterniß, und die Finsterniß erkannte es nicht.

Ist es die Fassungskraft nicht selbst, die sich erweitern muß, um das Edle aufzufassen? –

Soll der Oehlbaum seine Fettigkeit, der Weinstock seinen edlen Saft lassen, um über den Bäumen zu schweben? –

Da wo die Stimme vernommen wird, wohnet der Geist, die andern Behausungen stehen öde, und sind wandelnde Massen. – Augen,[29] ohne Sehkraft; Ohren, die nicht hören; Arme, die nicht vermögen; Hände, die nicht würken.

Wie der Wind die Wellen kräuselt, so sind sie ein Spiel des Zufalls. –

Wo die Stimme vernommen wird, da tönet sie mächtig wieder; es zeichnet sich im Blick und, Handlung ihre Spur. –

Das leichte senkt, das Lockre dichtet und ründet sich zu einem festen Kern, aus welchem des Lebens edler Baum erwächst. –

Der Sturmwind rauscht, der Donner rollt, das Meer brauset, die Menschenlippe spricht. –

In Wüsten steigen Städte mit Tempeln, und Pallästen Himmelan. –

Das Schiff mit Mast und Segeln tanzt auf den empörten Wellen. –

In tiefen Schachten liegt des Goldes Spur enthüllt. –

Von dem gespannten Bogen fliegt, der befiederte Pfeil, und eilet dem Gedanken nach, der vor ihm schon das Ziel erreicht. –[30]

In seinem Blute sich wälzend ächzt das Wild. –

Die angespannte in sich gedrängte Kraft wirkt durch den Luftraum in die Ferne. –

Sie wohnet in der athmenden Brust des Menschen, und reicht bis an des Himmels Wölbung, und des Oceans ungemeßne Ufer. –

Quelle:
Karl Philipp Moritz: Andreas Hartkopf. Prediger Jahre, Berlin: Johann Friedrich Unger, 1790. , S. 28-31.
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