[111] A la Mode.

Kehrauß.

Erstes Gesichte.

Avß voriger Gesichten vnd Geschichten Schluß wird der verständige Leser vnschwer errathen können, wo Philander jetzo sein möge. Alldieweil nach beurlaubtem Hoffleben Er sich befunden da Er noch ist, aber schwerlich, schwerlich länger wird bleiben können.

Vrsach. Ich hatte bißher gesehen vnd erfahren, daß an allen orten, die ich durchwandelt vnd durchzogen, durchgangen vnd durchloffen, durchzöpelt vnd durchtrabet, durchschliffen vnnd durchritschet, durchschlichen vnd durchstrichen, durchstigen vnd durchkrochen, durchhutzelt vnd durchburtzelt, durchstulpert vnd durchfallen, durchritten vnnd durchschritten, durchreyset vnd durchfahren, von der Welt Scheinsal vnnd Eitelkeit fast betrogen worden, vnd daß also das rechte Wesen dieser Orten, da ich noch hucke vnd mich tucke, weder zu suchen noch zu finden seyn werde. Darumb dann auch noch immerhien trachte, wie ich in einem andern Stand vnd Stath, da die zeitliche gebrechen verbessert, vnnd ein ruhiges vntadelhafftes friedseeliges Leben anzutreffen sein möchte, meine tage mit Heyl vollführen könte; dazu mir Gott helffe.

Aber, o wann werde ich dahin kommen? Wo werde ich meine [Rand: Vanitatum / Vanitas] Rechnung in dieser Welt finden? weil mir ja das Gewissen sagt vnd die Erfahrung zeuget, das die Ewige Beständigkeit auff der vnbeständigen Erden vnd bey so vnbeständigen Mänschen nicht anzutreffen seye.

O wie muß die thorheit manchem so sauwer werden! doch warlich, Witz lernet sich eben auch nicht mit nichts. Wer hat je gesehen, von den schleehecken Trauben lesen? vnd weißbrodt essen[111] von den Haberkraupen? Gewiß bin ich mit einem bösen aspect vnder den Y gezogen, wie mir vnlängst ein Dominus Calendarius geschrieben hatte; vnd es ist wahr.

Dann was hab ich seith selber zeit anderes erfahren alß Gefahr, Angst, Sorg, Schrecken vnder den grausamen hochsprechenden feinden vnd Gottslästerern? Rauben, Plünderen, Stößeleiden, Lauffen, Fliehen, Schreyen, Bitten, Zittern, Zagen, Streitten vnd Kriegen, Würgen vnd Morden, so daß ich mich offt gern in ein maußloch hätte verkriechen wollen, wo nur sicherheit darin zu finden gewesen wäre.

[Rand: Nur brod vnd / frieden mit / Gott]Oder, besser davon zu reden; daß ich mir offt gewündschet, meine herrliche Dinge vnder dem Y vmb einen Hirtenstab vnder dem c zu vertauschen; wo ich nur eines so verächtlichen Dienstes im Frieden hätte geniessen mögen. Aber wunderlich hab ich mich bißhero noch durch Gottes Hülff herauß gerissen. Die einige Artzeney negst GOtt, so in allem solchem Vnglücks stand ich gebrauchen können, die gab mir mein Lieber Schulsack, den ich vor Jahren getragen vnd auch nachschläppe, ich ziehe hien, wo ich wolle. In diesem fande ich je noch zu zeiten einen brocken, der mich vmb etwas erquicken kundte, wann es an ein Leiden gienge. Zu Anfangs dieses Frühlings, als in Gemüts-Mattigkeit mich etwas zu erlaben, ich eben einen griff darein thate, kam mir von vngefehr ein Zedelein zur Hand, darauff folgende Wort stehen:


Parnassus.

Est. Mons. Viventium.

Laete. Laute.

Ubi. Musae. Habitant.

Ubi. Apollo. Praesidet.

Ubi. Pax. Viget.

Ubi. Virtus. Viret.

Ubi. Ars. Floret.

Ubi. Boni. sunt. Amati.

Ubi. Amantur. Cordati.

Ubi.

Divitiae et Delitiae

Vitam. Beatam. Propinant.

Possidentibus.
[112]

[Rand: Wie es unseren / Vralten / Vorfahren / auff dem Parnassus / ergangen, dz lese bei / Aventinus / lib. 1. p. 99 b.]

Parnassus ist ein Berg, darauff ohn sterben wohnet,

Fried, Tugend, Kunst und Ehr; da Redlichkeit belohnet,

Vnd Falschheit wird veracht; da List vnd Heucheley,

Verleumbdung vnd Betrug, Auffschneiden, Babbeley,

Dem der sie liebt, zu Lohn, spott, schand vnd schaden geben,

Hie geht es wie es soll, hie ist ein Seeligs Leben.


Ein jeder mag aber erachten, wie mich, der in so einem [Rand: Kriegstrangsalen] Ellenden verderbten Land halb todt wohne, nach dieser Edelen, ruhigen, Friedsamen Wohnung muß verlanget haben.

Dann deß Vnfrieds, der Vnruhe, deß Scharwachens, deß Bereitschafft-ligens, deß Wacht-auffführens, deß viertelstündigen Rondens, deß Maurens, deß Zimmerens, des Schantzens, deß Bestellens, deß Antreibens, deß Beschliessens, deß Auffthuns, deß Besorgenden vbersteigens, deß Waldverkriechens, deß Nächtlichen außreissens, deß Heckenverschlieffens, deß Erfrierens, deß Schnee vnd Wasser wattens, deß vierzehentägigen Kleiderligens, deß Kleiderläusetödtens, deß Niderstossens, deß Niderschiessens, deß Qui va là, deß Demeurez là, deß Donnez dessus, deß Mort, Teste, Ventre, Sang, Chair, deß Corps, Ame, Diable, Renier, Fouttre, Bougre etc. war ich warhafftig so müde, dz ich weder ohren noch augen mehr mochte auffthun zu hören oder zu sehen, vnd offt so Eckkümmich als ein Lauß im Kindbett.

Darumb dann, als ich vor Quasimodo (auff gut Westrichisch vor Kose Mose) dem anderen Sontag im Spirckler (Aprili) Monat, vierzehen tag nach Fraw Klüwel (Mariae Verkündigung) von den Haanen aber eines gehackt (ein vbeler wunsch, das dich der Haan hack auff dem Strohsack. Sie haben mich einest auff einem Strohsack gehackt das mir schier die Seel außgegangen) tribulirt vnd gemartert worden; also daß ich mir gäntzlich vorgenommen, gar durchzugehen vnd heimlich außzureissen; so konte ich doch solches, weil man niemand mit seiner Gewehr durch die Wacht passiren lasset, nicht wohl ins werck richten.[113]

Vnd anderer seits lage mir der Parnassus so im sinn, das mich dauchte, wann ich dahien gelangen könte, auff Erden mir weiteres nichts manglen solte, vnd alßdann würde ich haben, wonach ich so lang gerungen hätte.

Derowegen an einem Sontag hernach, als ob ich nur in die Gärten spatzieren wolte, gantz allein mit einem à la mode stecken (Hirtenstab) in der Hand das wasser hienunder schliche, in hoffnung, meinen Feinden vnvermerckt auß dem Gesicht, als auch geschahe, zu kommen vnd irgend einen gespaanen anzutreffen, der [Rand: das gute Land] es mit mir in das gute Land, (Also nennen wir ben vns das Gülcher Land vnd Ertzbistumb Cöllen) da mann brod genug zu essen hätte vnd ruhig schlaffen dörffte, durchwagen thäte. Aber in all meinen Gedancken war es nur der Parnassus. Da, glaubte ich sicherlich, würde ich alle tage Sauermilch vnd Bratwürst mit dem Apollo zobezehren. Als ich aber auf eine Viertelstunde die Matten hienunder kam vnfern bey einem bronnen, vnden am Bruder-garten genant, ersahe ich ein großes Roß gegen mir daher traben; was Haar es gewesen, kan ich jetzt nicht sagen; Allein als es mir nahete, merckete ich, meinem damahligen verstand nach, ein par Flügel, die das Pferd zu beiden seiten zu guncklen vnd zu gauncklen herab hangen hatte. Auch sahe ich einen grossen breiten Regenhut auff dem Sattel liegen, als ob er darauff gebunden wäre.

Wie macht sich da mein Glück! sprach ich zu mir selbsten. Gewiß wird sich heut der handel anfangen schicken vnnd ein besserer Sterne, als bißhero leuchten; weil mir eben das entgegen kame, welches zu meinem vorhaben ich mir nimmer besser hätte wündschen mögen. Dann der Parnassus vnnd dessen grosse Genade lag mir so im sinn, daß ich mir nicht anderst einbilden kunte, als Apollo, der alles weiß wie ein Sterngucker, hätte mir dieses leere Pferd zu sonderem trost vom Parnassus entgegen gesandt, damit ich ohne grössere Beschwerde zu ihm auff einen Schmauß kommen möchte. Erinnerte mich in dem des gelehrten Pferdes Pegasus, von dessen bronnenschlägigem Huoff ich ein stuck in meinem schulsack an statt Helthumbs mit mir truge.[114]

Dann sahe ich die gunckläte Stiffel an (also hab ich hernach erfahren, daß es keine Flügel, sondern Stiffel gewesen) vnd ja, ja, sprach ich: daß sind gewiß seine Flügel; Ja es ist der Pegasus; Ja, Apollo hat dir ihn entgegen geschickt, es ist einmahl nicht anderst.

Dieses alles hatte ich mir so fest eingebildet, daß mich gedeucht, [Rand: Einbildungen] ich sehe daß Pferd schon fliegen mit allen vieren. Will mich also nimmermehr verwundern, daß die Westricher vor Jahren einen Bauren in einem rothen Wullin-hembd, welcher hinder dem Zaun saß seine Notthurfft zu verrichten, vor ein Erdbeer gessen, oder die Pommern ein Pflugsrädle für eine Brätzel verschlungen, oder der Westricher Nachbauren einen Korb voll Hobelspän vor einen Salat verzehret, oder die Schwaben, etc. Ich glaub für wahr, daß ich dißmahl ein mehrers gethan, wo mir nur einer dazu geholffen hätte.


[Rand: Einbildung / oder Wahn]

Einbildung ists; wann die nicht thät,

Irrthumb so viel die Welt nicht hät.

Mancher ißt ein Aaß für Speck,

Mancher ißt für Butter Treck,

Dannoch sich bildet ein, er hab nichts bessers gessen;

Darumb was einem schmackt, daß laß ihn immer essen.


Derowegen, als das Pferd nun auff mich zu kame, wer war frewdiger als ich? ich scheybelte meinen Hut durch die freye Lufft in die Hecken dort hienauß, so weit ich mochte, dann ich wohl erachten kund, daß ich einen besseren da kriegen wirde; erwischte das Pferd also mit der lincken Hand beym Ziegel (es fallet mir jetzt ein, es ist gewiß ein Schimmel gewesen) sprach ihm zu, es solte fest stehen, biß ich wäre auffgesessen, ich wolt sein yff die Nacht beim barren auch nicht vergessen, solt ein fester stattlichen Cöllerthäler Habern fressen etc.

Da ich aber den Ziegel in der lincken Hand eben vornen gegen den Sattel hielte, den Hut auffsetzen vnd mich hienauff schwingen wolte, dann die Stiffel hätte ich noch für Flügel gehalten, taschte ich mit erschrecken zwo Mänschenhände, welche fest vmb den Sattelknopff in einander geschlossen sich allda anhielten.[115] Deßwegen beydes Ziegel vnd Pferd ließ davon fahren vnd nicht erdencken kundte, was dieses für ein Abenthewer sein muste.

Doch als ich dz Roß in vierfüssigem Ernst sahe davon traben, ruffte ich beydes dem Pferd, den Stifflen (die ich in dem, weil sie mir einen vngehewren stoß in die lincke Seite geben, davon mir daß Miltz mein tag wehe thut, erkennen lernen) vnd dem Hut zu, sie solten still halten vnnd mir auff mein ansprechen, was Apollo machte? vnd im Sinn mit mir hätte? Bescheid ertheilen. Dann es ist wohl zu wissen, daß auf dem Parnassus auch die Pferde, die Stiffel vnnd die Hüte reden können.

Hierauff antwortete mir eine Stimme vnder dem Hut fast verständlich mit diesen worten: Där Här wold mir ferseyhen. Ick gan forfar nicht halden. Das färd hat sinen kang, ick muß reiden. Wer vnd wessen diese Stimme gewesen seye, habe ich hernach erfahren vnd ihr werds bald hören.

Aber wer war dißmahl vbeler dran als ich? dann mein Hut war hienweg; vnd indem ich vermeynte, wohl staffiret auff einem schönen Pferde zu reiten, so muste ich vbel versehen zu fuß auff meiner Mutter Fülle davon gehen. Wer damahlen noch zu hause gewesen wäre, der solt ein Bößwicht sein, der nach dem Parnassus mehr gefragt hätte. Aber das Spiel war angefangen, es muste nun außgemacht werden.

[Rand: Quisque / suae sortis / faber est] Wir Mänschen können viel dinge nicht verstehen. Ich sahe die Gefahr, darein ich mich begeben wolte, vor augen; noch kunte ich nicht davor sein; ich rang nach meinem eigenem Unglück, vnnd doch wider meinen selbst willen.


Manchem Mann rufft das Glück,

Der will nicht bleiben stehen;

Mancher sieht seinen Strick,

Will ihm doch nicht entgehen;

Wer aber hofft auff Gott,

Dem schad kein Schad noch Spott.


[Rand: Scham] Damit ich mich nun nicht schämen dörffte (so gehets, manchen Mann verhindert die vnnötige Scham offt an aller Wolfart. Aber kein Wunder, dann in der Natur ist es also bewandt: wem es vbel gehet der ist vnbehertzt. Er schewet vnnd schämet sich, seine[116] Noth zu sagen vnd zu klagen, wie sehr er sonst erfahren, weil [Rand: Pauper / ubique jacet] er förchtet, man werde ihn nicht gern hören, noch ihm glauben geben, sondern frisset seinen Jammer in sich mit Hertzens wehe vnd Jammer. Vnd hienwiderumb, wer vnbehertzt ist, dem gehet es verhinderlich in allen sachen.


[Rand: (Cent. I Epigr. / meorum)]

Qui caret Argento miser est timet omnia. Pauper

corda gerat quamvis fortia, corde caret.)


Damit ich mich, wie gesagt, nicht schämen dörffte, gienge ich in den Wald hienein, meine Noth auffs wenigste den Vögelen zu klagen vnd durch ihren lieblichen Gesang irgend eine Labsahl zu erschnappen.

Vnfern in einem Altweg merckete ich einen frischen Hufschlag vieler grosser reysiger Gäule, also daß ich darauß erachten kundte, es müsten sich in der Nähe eine truppe Reitter auffhalten vnd irgend einen streiff nach vnserer Soldaten art auff ein sester dürrbieren, oder ein par baurenschue, oder wann es wol gerathet, auff ein schnutziges Pferd thun wollen. Doch vngeachtet gieng ich dem Huffschlag nach, auff daß ich nur wider zu Leuten kommen möchte, mich dessen getröstend, es treffe mich an, wer immer wolte, er mir doch nicht viel würde nehmen können. Dann ich hatte selbst nichts, war ärmer als der armen Greden sohn. Vnd gewiß, wo ich einsen auff dem Weg selbst hätte mögen meister werden, ich glaub, ich solt meinen Hut vnd noch mehr gesucht haben.

Doch war ich voller vnmuth, daß es mir deß Ersten tags meiner Außfart, wie wohl zu Fuß, so vbel gangen; biß letzlich ich mich auß meinem Schulsack, den ich vmb aller Welt gut nicht dahinden gelassen hätte, widerrumb mit dem herrlichen, Weinseeligen vnd Armutköstlichen Spruch erlabet, der da sagt:


Cantabit vacuus coram Latrone viator.


Wer reysen will,

Der schweig fein still,

Geh steten schritt,

Nem nicht viel mit,[117]

So darff er nicht viel sorgen.

Wer nichts hat, mag doch borgen.


Car

Seurement va

qui rien n'a.


[Rand: Reysen mit / Botten] Ein Kerl der nicht viel zu verliehren hat, der kans auff dem weg frisch hinein wagen wie die Botten; der sich aber vor Gefängnuß vnd Außlosung zu beförchten hat, der gehet behutsamer in seinen sachen.

Bald an einem Holweg erblickte ich etliche Reuter auß dem Wald auff mich zu setzen. Aber was wolte ich thun? ich war schon im freyenfeld vnd da nicht mehr zeit, an das außreissen zu gedencken. Ich dachte wol wie Jenner: Hecken her! hecken her! aber vergebens vnd vmbsonst. Die Reuter waren mir auff der fersen, ehe ichs recht innen worden.

Auß ihrem Thun, Kleidung vnd Gestalt sahe ich bald, daß [Rand: Wälscher Soldaten / thaten] sie nicht zu den Wälschen Völckern gehören müsten. Dann sie machten nicht viel wesens mit fluchen, schwören vnnd Gott verläugnen; thaten mir auch weder leid noch schmach an; sondern deren einer hiesse mich hinder ihn auff das pferd springen; merckte so viel, daß ich mit ihnen reiten vnd davon müste.

Auß ihrem Gespräch vnd Worten, die mich zwar Teutsch zu sein andeten, konte ich doch nichts verstehen als etliche Buchstaben, das R.I. O und V. Sie sassen nicht auff Sätteln, sondern ritten auff den blossen Pferden ohn einigen andern gehülff: sie führeten wie Jenner hochgelehrte Doctor sagt, vnd wie die Kochersperger reden, weder prästalen, noch Baumpplier, noch Mustehcken noch lädere Ritmutzen, noch Dronendäschen, sondern waren allein mit einem grossen langbreit-zugespitzten Dägen vmbgürtet. Ihre Kleidung war von Kalb, Rehe, Hirsch, Bären, Wolff vnnd Fuchshäutten vnd fellen, doch vnbereitet, also rauh mit den haaren, wie sie schlecht abgezogen. O wehe, Ja wohl, so es von vnsern Völckern gewesen wären, sie hätten es mir gemacht wie andere mahl vnd ich vnden noch erzehlen werde.[118]

Indem wir nun vberzwerchs zuruck durch den Wald auff [Rand: Geroltz-Eck] die Matten kommen, erkante ich mich alsobald, das wir nicht weit, vnnd nechst bei Geroltz Eck, einem Alten Schloß auff dem Waßgau, wären, von dem man vor Jahren hero viel Abenthewer erzehlen hören: daß nemblich die vralte Teutsche Helden, die Könige Ariouistus, Arminius, Witichindus, der Hürnin Siegfried vnd viel andere in demselben Schloß zu gewisser Zeit deß Jahres gesehen würden; welche, wan die Teutsche in den höchsten Nöthen vnd am vndergang sein werden, wider daherauß vnd mit etlichen alten Teutschen Völckern denselben zu hülff erscheinen solten. Wie ich theils solcher dinge im werck erfahren.

Dann wir konten so bald nicht auff die Matten kommen, gleich in einem dicken busch ritten wir in eine grosse höle vnd vnder dem boden durch ein weites mit liechtern bestecktes Gewölb langs fort, biß wir endlich zu einer andern wacht gelanget (dann die Erste, Eingangs, hatte uns vnverwiegert passiren lassen) allda wir still zu halten befehlt wurden; werender welcher zeit ich an einem Stein, obenzu des Gewölbs beym außgang diese Schrifft in alten, doch fast leßlichen Buchstaben, abgesehen:


[Rand: Scalig. in / Aus.]

CAES. RO. EXER. IMP. P.P.

S.C. AV. TREVE. INGRE

ESSUM. H. CASTRA. SARRAE.

FLV. PRO. MIL. CUSTODIA.

BIENN. POTITUS. EST.


Vnd endlich mitten im Schloßhoff heraußkamen.

Was diese Schrifft bedeuten möge, dz wissen die Gelehrte. Ich hab aber nachgehends erfahren, daß der Alte Teutsche König vnnd Fürst der Sachsen Arminius denselben Stein zum Gedenck zeichen, als er den Römischen Feld-Obersten Varus mit dem gantzen Heer erschlagen vnd hernach in diese Lande herüber gezogen, allda einmauren lassen.

So bald ich in den Hoff kam, da kandte ich mich nicht mehr. Dann ob ich schon vor diesem vielmahlen bey vnd vmb dieses Schloß gewesen, so war ich doch niemahlen hineingekommen, hatte auch dergleichen Leute, deren eine mänge vmb mich herumb lieffen,[119] nimmermehr gesehen. Einer besah mich da, der ander dort, Einer zopffte mich da, der ander zopffte mich dort, Einer fragte mich diß, der ander daß, Einer sagte mir diß, der ander daß, Einer lachte meines Wambs, der ander spottete meiner Hosen, der dritte des Barts, des Vberschlags. Vnd war nichts an meinem Leib, das sie nicht beredeten, durchzogen vnd hechelten.

In summa, ich war ihnen allen als ein Meerwunder, aber in forcht stunde ich, daß es mir wie vor mehrmalen, da ein anderer meine Kleider ohn meinen willen getheilet, hätte ergehen mögen. Auch war solche Forcht nicht gantz vergebens.

Weil ich aber so gar nichts antworten wolte, schöpfften sie den verdacht alsobald auff mich, daß ich ein Wahl oder Wählscher sein müste. Derowegen einer mich auff Lateinisch fragte: Et tu quid novi? homo novissime. vereor, ne ut Valerius Procillus et M. Mettius explorandi animo in Castra nostra veneris. Quid Caesar tuus? nondumne spiritus conceptos posuit? quid Aedui? quid perfidus ille Divitiacus? Hibernane exivit Labienus? quid in Castris morbidulus iste Q.T. Cicero? Ich schwiege eine weyle still. Letzlich, Ach Herr, sprach ich, ich verstehe kein Latein, als wann mich hungert; gebe mir einer Brod genug, ich wolte ihm jetz alles Latein dafür lassen.

Er verstunde mich sehr wohl, deßwegen ein anderer an mich setzete mit Frantzösisch. Et Vous, sagt er, Francois Romanizé, n'a on pas bien estreillé ces deux coquins là, Arunculejus et Sabinus auec toutte leur suitte? si Ambiorix eust voulu croire, nous eussions peu faire à ce petit bougre de Cicero n'estes vous pas de leur bande? Ey Herr, sprach ich zu diesem, ich bin Teutsch, ich kan kein Wählsch, ich weiß nicht, was ihr sagt, kan nicht verstahn.

Einer wolte Griechisch an mich, der ander Spannisch, der dritt Italianisch mit mir reden: aber ich sagte ihnen allen; ich wäre ein gebohrner Teutscher Michel, könte kein andere Sprach als dieselbe. Vnd das war mir sehr gesund, dann wo ich mich anfangs vnder[120] diesem Bürschlein etwas hätte mit einer andern Sprach mercken lassen, Sant Felten solte mich beschissen haben.

Ich dachte aber bey mir selbst, daß müssen alte Leutte sein, die mich von denen dingen fragten, so vor beynahe Siebenzehenhundert Jahren geschehen wären.

Vnd in dem ich also stunde vnnd denen, die mich zu schawen da waren, zum gelächter dienen muste; merckte ich meinen vermeynten Pegasus mit den Stifflen vnd dem Hut das Gewölb herauff reitten, vnd meinen Hut, wie man mit den Haasen nach dem hatz pfleget, hinder sich auff dz Pferd gebunden nachführen. Kundte ferners weder Mann noch Gesicht sehen, als allein die zwo Hände, so noch wie vor vmb den Sattel-knopff als Ebhew hart vmbgewachsen vnd eingeschlossen waren. O wehe, dachte ich, dieses soll dir wohl nicht zum besten gereichen mögen, obschon ich mich frevels gantz frey vnd sicher wuste.

Aber einem Mann, der in Nöthen ist, geschihet offt vnrecht [Rand: Miserorum timidi / quoque / sunt Amici] ohne vrsach vnd ohne sein verschulden; weil er vieleicht Niemand hat, der den Lästerern vnd ihrer Boßheit sich widersetzte vnd ihm ein Wort zum besten reden wolte, insonderheit zu Hoff vnd bey grossen Herren, da man offt auff eines Lästerers falsches anbringen gleich in seinem sinn vrtheilet, ehe man den betrangten gehöret oder der sachen sich recht erkundiget hätte, welches verständige Leuth billig scheltten vnd solche Lästerer, wan sie betretten werden, zur gebührenden Straff ziehen lassen.

Zu gutem meinem Glück aber sahe ich meinen Ehrlichen Alten, der mir in voriger Zeit viel trew erwiesen, Expertus Robertus genant, auß einem grossen Saal mit halb lächelndem Gesicht gegen mir zugehen: dem ich also bald mit demütiger Ehrerbietung entgegen lieffe, vnd mir anderst nicht zu muth war, als ob ich, wie man spricht, vnsern Herr-Gott gesehen hätte.

So froh war ich. Vnd so machens geängstigte Leute, wann [Rand: Ambt eines / Freunds] sie irgend in Noth stecken vnd ihnen ihrer Bekannter vnd alter Freunde einer entgegen gehet. O wie seuffzen, sehnen vnd verlangen sie! O wie dücken vnd schmücken sie sich wie ein armes Hündlein. Zu loben sind die jenige, welche sich eines solchen Freunds, der in Nöthen ist, annehmen; zu schelten sind die, welche[121] sich so vnwürsch stellen, daß ein betrübter Mann sie anzusprechen sich muß förchten, damit sie aber genugsame anzeigung geben, daß sie noch nichts gelitten, viel weniger erfahren haben.

[Rand: Freund kan / offt mit Nichts / helffen] Sobald die Anwesende sahen, daß ich deß Alten Freundschafft hatte; dorffte oder wolte deren keiner mehr mich ichtwas angehen oder fragen. Vnd nachdem er von mir erforschet, wie ich dahin gerathen? wie es mir seit unserer letzten Besuchung in diesen Landen ergangen [Rand: Kriegstrangsalen] wäre? vnd ich ihn mit kurtzen worten beschieden, so vnd so; Ich hätte zwar vermeynet nunmehr in fried vnd ruh dem meinigen nach zu gehen; so wär ich doch gleich anfangs von denselben Völckern biß in das Fünffte mahl rein außgeplündert, dreymahl vberrumpelt, Einmahl in einer Belägerung gefangen, letzlich aber vermittelungß Ehrlicher leute wider loßgelassen worden, wie wohl ich alles das meinige zusetzen müssen, solches aber gegen dem Leben für nichts geachtet. Einmahl hätten sie mir den Strick an den Halß legen vnd mich vor den meinigen erwürgen wollen. Hätte vnglaubliche Gefahr vnd Noth außgestanden auff allen seiten; wäre in dem eussersten Hunger gesessen ohne hülff deren, die mir doch helffen sollen. Auch, wo Gott nicht hand ob mir gehalten hätte, wäre ich zwantzig mahl erschossen, so viel mahl erstochen, von Wilden Thieren zerrissen vnd gefressen worden. Wie Ihm dan sonder zweiffel dieses vnd viel hundert andere erlittene Vngelegenheiten gewiß würden zu Ohren seyn gekommen.

Tuo. bono. Sprach der Alte. Es ist dein Nutz, ist dir zur [Rand: Gottes / Regierung] Prob vnd Heyl geschehen; GOtt führet die seinen wunderlich, vnd kein Mänsch ist, der es verstehen könte, als der selbst in Nöthen ist gewesen. Darumb so sperre dich nicht wider den willen Gottes, stehe fest als ein Felß auff Gottes Wort gegründet:


[Rand: Embl. 19 / D.I. Catz]

Den Rock-steen di ick meen, is t' richtsnoer van ons leven,

Den noot-dvvank van ons doen, van God ons vorgeschreven:

Maet-roos, di met gevvelt, en na syn eygen Wensch,

Der Rock-steen treken vvil, dat is den dommen mensch.

Gods schikinge staet vast, geen mensch kan die bevvegen:

Wat spertelt ghy, ô d vvaes, vvat vvorstelt ghy hier tegen?

Wort vvyser, all die u hier in vvel cer vergreept,

Die gaen vvill, vvert geleyt, die niet en vvil, gheslept.
[122]

Behüte Gott, sprach er, Aber es sind schröckliche Trangsahlen die du mir sagest, vnd zweiffele ich nicht, die wercke werden an sich selbst noch viel grösser gewesen sein, als du sie mit worten her erzehlest. Nun wohl an, Gott wird auch vber diesen Berg helffen, wie dein P.P. Florus dermahlen gesagt hat, dulde nur, vnnd


[Rand: Perfer et obdura. / Dolor / hic tibi proderit / olim]

Ruff Gott in allen nöthen an,

Er wird dich gewißlich nicht verlan.

Dein Hoffnung stell zu Gott allein!

Das andre alles achte klein.


Dann


Wer hofft auff Gott vnd dem vertrawt,

Der wird nimmer zu schanden:

Vnd wer auff diesen Felsen bawt,

Ob ihm gleich geht zu handen

Viel Vnfalls hie,

hab ich doch nie

den Mänschen sehen fallen,

Der sich verloßt

auff Gottes trost;

Er hülfft seinen Glaubgen allen.


Es ist ein köstlich ding einem Mann, daß er das Joch trage [Rand: Quondam / meminisse / juvabit] in seiner Jugend. Erfahrung bringet Gedult, Gedult bringet Hoffnung, Hoffnung aber läßt nicht zu schanden werden.

Ja sprach ich, es wäre sich gut dulden, wenn der verzug nicht so lang werete. Es ist grosse Noth vnd Streit innerlich im Hertzen vnd duncket mich offt fast vnmüglich sein, auß zu harren. Der Alte aber antwortete mir widerumb: Mein Sohn


Ob gleich es wehrt biß in die Nacht

Vnd wider an den Morgen,

Soll doch dein Hertz an Gottes Macht

Verzweyffeln nicht noch sorgen,[123]

Er ist allein der Gute Hirt,

Der dich endlich erlösen wird

auß deinen Nöthen allen.


Du wirst ja noch wohl auß deinem Christenthum vnd auch auß deinem Schulsack wissen, was gesagt seye


Patior. vt. Potiar.


I faut endurer pour parvenir,


Schweig nur vnd Leid,

Das diß dein Leid


Es kompt die Zeit,

Wird werden Frewd.


Qui peut souffrir, surmonte.


Per Spinas ad Rosas.


Dann nur den die Dornen stechen,

Der die Rosen will abbrechen.


Die nooten vvil smaken

Die moetse Kraken.


[Rand: D.I. Catz / Embl. 17.]

Het aes lacht u vvel toe, t' Speck eten vvaer u leven,

Maer ghy vvilt in die val u selven niet begeven:

ghy hout u buyten schoots, en geeft u nergens bloot?

maer sonder groot gevaer en vverter niemand groot.

Geen Kooren sonder hayr, geen Note sonder schellen:

soo yemandt pluckt een Roos, de prickels gaen hem quellen.

all die vvat sonderlinghs, vvat groot veel gerne vvou,

Wat staet hy slecht en siet? de hand most uyt de mou.


Ob auch schon andere sind, die nach der Weltweise deiner erlittener Verfolgungen spotten, hindert nichts, laß sie reden, die [Rand: Candide / Cordate] Gänse können es nicht. Wann du gethan, so viel einem Teutschen Ehrenmann bey so Gewaltsamen zeiten müglich gewesen, ist es allgenug. letzlich müssen sich doch alle Lästerer in ihren eigenen worten selbst Lügen straffen. Es ist ein altes wahres Sprichwort, daß die Narren der Gescheyden lachen, die Vnsinnige der Weisen, die Gottlose der Frommen. Darumb dann auch ein Gescheyder[124] desto weniger nach solchen Maulaffen fraget, sondern sich deß Alten Teutschen Spruchs getröstet. Es heisset:


Thue Recht, schew Niemand.


Ama Dio et non fallire,

Fa pur bon et lassa dire.


Lieb Du von Hertzen Gott

Vnd weiche nicht davon,

Veracht der Narren spott,

Vnd kehr dich nicht daran.


Vnder den Leuten

Ist Niemand ohn streiten.


Aber Leiden ist Heylig:


Est pietas palmae similis, Patientia pugno:

Haec pugnat, palmam sed tamen illa refert.

Reum te facere aliquis potest, nemo nocentem.


[Rand: Lips. cent / 4. Ep. 100 / miscell.]

Nur Fromm vnd Trotz dem Teuffel.


Nun ich soll dich auß genädigstem befehl vor den Ertzkönig bringen, wollest also mir nachfolgen vnd wohl zusehen, das du in deinen Reden nicht mißlich gehest, sonderen die Pure lautere Warheit in allem, so man dich fragen wird, frey herauß sagest. Dan bey diesem Ertz-Teutschen König ist es nicht wie in anderer Herren Höffen, da man zu gehör redet vnnd offt einem zu gefallen eines [Rand: Aulicum] daher schneidet, daß sich möchten die Balcken biegen. Vnd ob dir schon ichtwas vngleiches hierin widerfahren solte, so geb dich gedultig darein vnd leide es; vieleicht ist es die letzte prob, die du noch in diesem Land hast außzustehen. Bitte nur Gott, daß er dir Verstand vnd Gedult verleyhen wolle. Im vbrigen gehe auffrichtig durch gegen jedermann vnd versiehe dein Ampt, so du eines hast, mit Ernst, werde nicht verzagt, ob andere sauer sehen. Es kann nicht anderst sein. Es wird endlich doch alles daß, so du außgestanden vnd leiden müssen, dir zum besten dienen:
[125]

Drumb dück dich vnd laß vber gan,

Das Wetter will sein willen han.


Vnd wan das vnglück vnd die Trübsahl genug gewütet vnd getobet, deine Erlösung vnd die gute zeit volgen, da du dich alles außgestandenen Leids wirst ergötzen können. Calamitas enim virtutis occasio est. Igitur pelle pusillanimitatem. Aber hüte dich alßdan, daß du deß Herren deines Gottes nicht vergessest, sondern Ihm dafür danckbar seyest, vnd deine Nachkommende lehrest, wie GOtt vertrawen seye die höchste Weißheit, daran der Seelen ewige Wolfahrt gelegen


Douce est la peine

quand elle ameine

aprez tourment

contentement.

Nul homme vient au bout de son contentement

qui n'a premier souffert du mal et du tourment.


Mein Gott, sprach ich, wie macht ihr es so lang, wie predigen die Alten so gern? wan sie anfangen, sie wissen kein Ende mehr an ihrem Reden zu finden.

Vnd ihr Junge, sprach er hinwiderumb, Mein Gott, wie vngern höret ihr, daß man euch in den schilt rede vnd die warheit sage. Ihr wisset von euch selbst nicht, wie ihr euch oder ewern sachen rathen sollet, vnd doch, so auß wohlmeynen euch ewere Vorgesetzte waß zusprechen vnd zu ewerem besten lehren wollen, so wolt ihr es entweder gleich selbst besser wissen, oder doch werdet ihr solches zu hören so verdrüssig vnd faul, daß es eine schande ist; vnd müsset dannenher allemahl mit rewen vnd Leyd erfahren, daß, wer sich nicht gern habe züchtigen lassen, der seye ein Narr biß an sein Ende geblieben.

Zwar hatte ich diese Predig nicht ungern gehöret, aber ich hätte lieber gewolt, daß er mir eben jetzt von was anders gesagt [Rand: Hoffen] hätte. Darumb Spero dum Spiro, sprach ich. Ich will hoffen, so lang ich lebe.


In meinem Leiden will ich hoffen,

Kompt mirs Glück so hab ichs troffen;

Kompt mir dann das Widerspiel,

So g'scheh doch, was Gott haben will.
[126]

Vnd indem der Alte fortgienge, volgete ich ihm hie nach in den grossen Saal. In welchen ich volgenden tags vor die Helden erfordert worden. Alda wir auff eine halbe stunde warten musten, Zeit deren ich in demselben herumb gienge vnd etliche alte Schrifften in die Wand gehawen abschriebe:


1.

[Rand: Rath vnd / Gerichts Lehr]

Gunst, Neid, Geschenck sei fern von Euch,

Ein jeden thut im Rechten gleich.

Der Wittwen, Waisen habt gut acht.

Die Noth der Gfangnen wohl betracht.

Den Eygen-Nutz last herrschen nicht,

Sonst strafft euch Gott in seim Gericht.


2.

Die Tugend last nicht vnbelohnt,

Die Bösen strafft, der Frommen schont.

Dann wie man sich helt in dem Rath,

Also helt sich die gantze Stadt.


3.

Wenn man nicht folget trewem Rath,

Zehlt nur die Stimm, wigt nicht die That,

So folget nichts dan schimpff vnd schad

Vnd kömpt die Rew gar viel zu spat.


4.

Wenn man Gesätz vnd Ordnung macht

Vnd nicht drob helt, wird man veracht.

Wer Ordnung macht vnd selbst nicht halt,

Derselb in sein selbst Netze falt.


5.

Hör vnd laß reden beyde Theyl,

Bedencks, darnach so gib Vrtheil.

Dan wie du mich richtst vnd ich dich,

So wird Gott richten dich vnd mich.


6.

Wilt hanfdlen? thus mit gutem Rath,

Sonst wird dichs rewen nach der That.

Denn wer ohn Sorg vnd Raht regiert

Gar offt durch Wahn betrogen wird.
[127]

Vber dem oberen Richtstuhl stund die Gerechtigkeit abgemahlet, in der rechten eine Wage, in der lincken hand ein Schwert haltend mit diesen worten:


[Rand: Judiciis / Amor aut / odium melioribus / obstat.]

Ich gib eim jeden nach gebür,

Dann Gunst und Haß ist nicht bey mir.


Ferner hingen etliche auff Pergament geschriebene Sprüche vmb die Zwo Saulen, an jeder viere:


An der Ersten.


2. Cron. 19.

Sehet zu, was ihr thut, denn ihr haltet das Gericht nicht den Mänschen, sondern dem Herrn.


2. Cron. 24.

Es soll einerley Recht unter Euch seyn, den Frembdlingen wie dem Einheimischen. Denn ich bin der Herr ewer GOtt.


5. Moys. 1.

Keine Person solt ihr im Gericht ansehn, sondern solt den kleinen hören wie den grossen vnd für niemands Person euch schewen.


5. Moys. 17.

Was recht ist, dem solt du nachjagen.


An der Anderen.


5. Moys. 27.

Verflucht seye, wer das Recht des Frembdlingen, deß Waisen vnd der Witwen beugt.


5. Moys. 27.

Verflucht sey wer Geschenck nimbt, daß er die Seele des vnschuldigen Bluts schlegt.


Psalm. 82.

Schaffet recht dem Armen vnd Waisen vnd helffet dem Elenden vnd Dürfftigen zum Rechten. Errettet den Geringen vnd Armen vnd erlöset ihn auß der Gottlosen Gewalt.


21. Jeremi 12.

Haltet deß morgens Gericht vnd errettet den Betrübten auß des Frevelers Hand.
[128]

In einem Fenster waren diese Wort neben etlichen Geschichten in schönem Glaß gemahlet:

Senile. Odium. Juvenile. Consilium. Privatum Commodum. Evertunt. Respublicas.

Nach einer halben Stund wurden wir durch einen Trabanten geruffen. Gienge ich also dem Alten etliche Stafflen nach, hienauff in ein zimbliches weites Gemach, doch gar schlecht zugerüstet gegen denen, die vnsere Geborne Herren haben; allein daß es auch voll Hirsch-Gewicht vnd andrer Thiere Gehörns an den Wänden allenthalben behencket. Ich sprach zum Alten: Ich glaub, daß die grösseste vnd meiste Hörner zu Hoffe zu finden seyen. Ja freylich, antwortete Er mir, dieweil Ein jeder zu Hoff die Hörner erst muß abstossen.

Zu Oberst desselben Gemachs sahe ich einen grossen alten Mann [Rand: Ariovistus] mit einem breiten Bart, einem kleinen Hut vnd güldiner kleiner Crone darauff, vnnd in mitten deren neben einem halben Roßschwantz einen grossen busch Rebhanen, Vrhanen, Granich vnd Hanenfederen vnder einander herab hangen. Hatte allein zween Trabanten mit Schlachtschwertern vff drey oder vier schritt neben ihm stehen.

Ich erschracke gleich ersten anblicks, zopffte dero halben den Alten zurück vnd fragte ihn, ob dieser der Ertzkönig wäre? vnd wie sein Name? Ariovistus, König Ehrenvest, so sprach der Alte. Er ist sonst von Geburt ein Schwab, welche Ihn auff ihre Sprach Kunich Airouist heißen, daher Ihn der Caesar Ariovistus genant in seinen Schrifften.

Sobald mich der Ertzkönig ersahe: Laß do Walschon Schalmon harvoara chommon, sprach er, vnd zu dem Alten, Er solte mir Dolmätschen; dan er schier keinen Wahlen mehr sehen oder hören möchte.

Aller-Schröcklichster, Grausamster Herr Ertzkönig, sprach ich [Rand: Angst vnd / Scham macht / offt irren wider /wollen] (indem gab mir der Alte einen stoß, damit ich mich ein wenig besinnen möchte, dann mir war so angst vnd bang, das ich in meinem Hirn weder Titul noch tatul mehr finden konte, der sich hätte schicken wollen) Indeß der Ertzkönig, der mir so schröcklich vnd grausam vorkame, wider anhube: Hörstu Wahlscher? wie frevel mustu sein, daß du ohnerfordert hieher in mein Gebiet vnd Läger kommest. Ist dir schon vergessen, wie ich die beide[129] Verräther, den Valerius Procillus vnd M. Metius, ihrer Schelmenstück wegen hab abgelohnet? Meynest du, das ich dir einen andern Brey werde kochen lassen? Du must ja ein verwägner Kerliß sein. Weist, wie ich vnd der Cäsar, den ihr Verrähter durch den Divitiacus in das Heddau locken lassen, mit einander stehen, daß er mir meine beide Weiber vnd eine Tochter vnehrlicher, vnritterlicher, Schelmischer weise ermordet, die andere aber gefangen weggeführet; mir mein mit freyer Faust vnd gutem Recht erhaltenes Land mit gewalt abtrungen, meine trefflichste Knecht vnd Gespanen erschlagen. Meynstu nicht, ich werd solch Mordthaten durch meine Macht an ihm rächen, auch an dem geringsten seines Volcks, den ich mag betretten? vnd nun an dir selbst den anfang machen?

[Rand: Der Wahlen / einbildungen] Der Hochmütige Esel, was hat er mich einen groben, vngehobelten, tölpischen Teutschen zu nennen gehabt? der ich vnd alle meine Volcker mehr verstand vnd Redlichkeit im Hertzen haben als der gantze (nur im vndergang Ehrlicher, vortrefflicher, vnverschuldeter Freyer Könige vnd Fürsten vnd deren abgetrungener Herrschafften vnd Reiche bestehender) Römischer Rath. Ihr Verrähter, wie schindet vnd schabet ihr noch heut zu tag meine arme Vnderthanen in diesen Landen? kan auch Wüterey erdacht werden, die ihr nicht an den armen Leuten verübet? Ist auch ein Ehrlich Weibsbild im Land vor euch sicher? welches Ort habt ihr mit ewerem Gottslästern vnd Fluchen, mit dem schröcklichen Gottesverläugnen nicht erfüllet? was ist ewer Lob vnd ruhm anderst als ein blosses Auffschneiden, so allein bestehet in vielen greifflichen groben Lügen? da ihr all ewer Kinderwerck für Heldenthaten außruffet vnd schreyet, hiengegen der Ehrlichen Teutschen Mannheit vnd Dapfferkeit hönisch haltet, ihre Auffrichtigkeit vnd Trewe verachtet vnd verlachet? ohne deren hülff vnd beystand ihr doch längest hätten müssen den Sattel raumen.

Vnd Ihr, sprach er zu dem Alten, verdolmätscht dem Wählschen Schelmen, was ich gesagt hab. Vnd einmahl, ich will ein Exempel ihm erweisen, daß, wo ich ihne künfftiger Zeit in diesen meinen Landen finde, er den Bauren vndergeben, das er von ihnen redlich bezahlt vnd ihm rechtschaffen abgerechnet werden solle all das abgezwungene, abgetrungene, erfortelte vnd erschacherte Contribution, Commis vnd Servise Gelt vnd Gut; daß ihm die[130] flögel sollen umb die Ohren sausen. Sagts ihm vnd last mir den Wählschen schelmen ins loch hienunder setzen etc.

Ob mir damahlen angst gewesen seye oder nicht, das laß ich den rathen, der jemahlen in solcher brenn gewesen. Dan ich sahe, daß der König ein Röscher, Harter, Strenger Mann war, ließ es derowegen den Alten walten, der mich kante vnd meines verhaltens viel einen besseren bericht hatte.

O mein Gott, was Hertzens Noth, wo ein Kerl muß hören vnd leiden, das man ihm Vnrecht thue, vnd darffe es doch nicht widerreden oder klagen. Es ist zwar ein seeliger Trost, das Vbel mit Gedult vertragen vnd das Vnrecht mit gutem Gewissen leiden. Aber wie mancher muß gleichwohl also ohne hülff vnd rettung zu schanden gehen vnd ohne seinen verdienst verderben!

Die Wälsche Völcker waren eben dem Ertzkönig dißmahlen gar nicht Lieb; vnder welchen es doch, wie in der gantzen Welt gute vnd böse, Ja manchen Rechtschaffen Redlichen Helden, manchen dapffren Lobwürdigen Mann gibt; vnd durch dene dem Teutschland offt treffliche dienste vnd Hülff widerfahren. Vnd ob ich schon für viel von denselben gerne gesprochen hätte, so dorffte ich doch dißmahl zu meiner entschuldigung, viel weniger zu Rettung ihrer Ehren, deren ich sahe in vielen dingen Gewalt vnd vnrecht geschehen, ichtwas vorbringen oder sagen.

Ehe aber der Alte zur rede kommen mochte, fiele ihm König Airouest wider in die Wort vnd sprach: Ja, es ist nicht mit dem genug, das die Wählsche ingemein alles Vnglück in meinen Landen vnd vber meine Völcker anstellen, mit vnerhörten viehischen Frohndiensten vnd sie biß auff das Blut vnder den Näglen außsaugen; sondern dieser Schlimmer Hund da ist noch so kühn gewesen, daß er mir heut meinen Kammerdiener, Zwerg Kelß (Celsum) auff offner freyer Landstraß absetzen vnd plünderen wollen. Welches einige stück werth ist, daß ich den Schelmen an vier Strassen solte auffhencken lassen. Dann einmahl, in Abstraffung solches Frevels kann ich in die harr nimmer gedult tragen. Da siehe man den Lecker an, wie er da stehet, hat weder Hut noch Haub, siehet auß wie ein Mörder. Vnd wer weiß, ob er nicht vmb dergleichen Schelmenstuck irgends gefangen gelegen vnd also ohne einen Hut außgerissen vnd entloffen.

[131] [Rand: Fürsten vnd / Herren Kammerdiener] Ich hab seithero selber zeit diesen dingen vielmalen nachgedacht, warumb etliche Fürsten vnd Herren heutigs tags vielmehr einen Schneider, oder Zwergen, oder Fatzvogel zu einem Kammerdiener haben als irgend einen Gelehrten, Erfahrenen Kerl, einen Wundartz, einen Trompeter?

Dieser Zwerg Kelß war ein Ellende Krufft, ein Außwürffelin der Natur, hatte einen Buckel hinden vnd vornen, wuste nichts vnd konte nichts als beym Frawenzimmer etwas mit dem grossen Messer auffschneiden, vnd darumb muste er auff vnbedachtsames anhalten deroselben zum Kammerdiener angenommen werden. Dergleichen bey grossen Herren offt mit höchstem schaden geschihet. Die ja so sorgfaltig in erkiesung eines Kammerdieners als eines Hoffmeisters seyn solten. O das Frawenzimmer stellet zu Hoff offt viel böses an. Sie können auch viel gutes anstellen, wann sie wollen.

[Rand: Bodin. 6. / de Rep.] Jener König gebrauchte sich eines Schneiders vor einen Herold, eines Bartscheerers vor einen Gesandten, Eines Artzts vor einen [Rand: Cominaeus / de Lud. XI.] Kantzler, vnd muß deßwegen noch heut zu tag den Historischreibern zu ihren Geschichten dienen.

Schneider gehören in solche Dienste nicht angenommen; sie dienen in solchen Aembtern zur pflege vnd zärtelung, zur Weichheit deß Leibs, zu vnnötigen spitzfünden, zur vppigkeit, zu verachtung vnd Spott der Herrschafften vnd zu verkleinerung ihres Stands. Teutsche Helden sollen Gelehrte Leute insonderheit gern vmb sich haben, solche wohl besolden, damit sie ihre Heldenthaten den Nachkömmlingen zur volge auffzeichnen. Sie sollen Wundärtzte zu solchen diensten brauchen, die ihnen die vom Feind geschlagene Wunden heilen, Trompeter, die sie zum Streit wider die Feinde auffmunteren vnd anmahnen. Vnd sollen nicht wohl nach dem sehen, der ihres Leibs Lüsten, als der ihrem Ehrlichen Namen dienen möge. Aber Herren sind Meister, sie thun was sie wollen. Doch solche Kammerdiener machen auch, daß ihre Herren offt thun müssen, was sie nicht wollen vnd was sie hernach gerewet.[132]

Ich war aber in aller dieser zeit, weil ich Eingangs am Titul gefehlet, so verzagt, das ich fast nicht wuste, was ich reden, oder ob ich reden wolte. Derowegen der Alte sprach, ich solte mich ein wenig ermuntern, dan wie gute gerechte sache ein Kerl [Rand: Behertzt doch / nicht verwägen] hab; wan er vor dem Richter also erschrocken stehet, so gebe es gleich argwohn einer bösen sache, vnd wäre mancher an seinem selbst vnheil also schuldig.

Es ist wohl wahr, antwortete ich, aber ich halte es vnmüglich sein, das ein Kerl, dem es so vbel vnd verhinderlich gehet als mir, solte viel Lust vnd Hertzes haben können; quand l'affliction se lasche, le Coeur est serré; vnd wan ich schon was reden vnd [Rand: Magistra / vitae Fortuna] das allerbeste vorbringen solte, wirde es doch wenig krafft vnd nachtrucks haben. Alldieweil, wan es einem vbel gehet, er rede so weißlich vnd dienlich zur sache, als immer sein kann, so wird es doch fast gering vnd für alber geachtet; da hiengegen, wann es einem Kerl wohl gehet, wan er sonst mittel vnd freunde hat, wan er einen rucken weiß, er rede vnd thue so läppisch vnd vnfüglich als er wolle, so muß es doch schön vnd recht sein, so muß es doch gelobet vnd hochgehalten werden. Felices feliciter loquuntur. Ein glücklicher Mann rede, was er wolle, so muß es wohl geredet vnd gesagt sein. Miseri sapientia risus; Aber eines Ellenden Manns hoher verstand wird nur verachtet vnd verlachet. Ubi fortuna, Ibi S.P.Q.R., wem das Glück wohl will, dem will auch die Oberkeit vnd der Richter wohl, wann er schon ein Schalck wäre. Wem das Glück nicht will, der fällt auff den rücken vnd bricht die Naase. Sat bene loquitur, cui fortuna fauet. Assez bien danse, à qui la fortune chante. Wem das Glück will, der thut alles recht; wann es schon bey allem Rechten vnrecht wäre etc.

Zuletzt, auff anmahnen deß Alten, faßte ich einen muth vnd fieng also an: Gnädigster Herr Ertzkönig, E. May. wollen mir [Rand: Apologia / pro istis] zu gut halten, ich bin ein Teutscher, getragen, gebohren vnd erzogen vnd mein lebtag nicht Wälsch gewesen, erbiete mich solches mit Brieff vnd Siegel zu erweisen; vnd obschon E.M. billige[133] Vrsachen haben, vber die Wälsche vnd ihre thaten, so sie in diesem Lande verüben, zuklagen, so ist doch gewiß, daß man ihnen in vielen dingen auch vnbillig die schuld gibt, vnd sie nicht alle so böß sind. Man findet gute vnd böse vnder ihnen wie bey allen Mänschen.

Halt führe mir den Schelmen hien, wie? sprach der König. Will er noch vnderstehen, sich mit worten gegen mich einzulassen, der Wälschen sachen zu vertheidigen vnd versprechen? Nein, nein, Gnädiger Herr König, ich bitt vor zorn, ich rede nur vor mich, ich will nicht für andere Leute erst suppelzieren.

Das meynt ich auch. Halt Schelm, sprach er weiters, waß? woltst du jetzt gern ein Teutscher sein? was hat dich dann die noth angangen, daß du mir meinen Diener Kelß absetzen vnd auff freyer Strassen berauben wollen? Ich dachte bey mir selbst, ist das ein König, vnd würfft also mit Schelmen vmb sich! doch nam ich mich nichts an vnd sprach: Gnädiger Herr König, mein will ist es gantz nicht gewesen, hatte auch nicht gemeynt, daß ein Mänsch in dem Sattel gesessen wäre, vnd derowegen verhofft, weil ich zu Fuß in den hohen Schuen vbel fort kommen könte, zu Pferd möchte es sich irgend besser schicken, vnd ich desto ehe allhie erscheinen können, E.M. auffzuwarten. Siehe den Wälschen auffschnitt, sprach der König, soll das ein Teutsch Gespräch seyn? es [Rand: Complementa / Wälsches Auffwarten] sind Wälsche gefärbte Lügen vnd bossen, da nichts hinder zu holen ist. Auffwarten? wie ein Schuster gegen dem andern, ein Schneider gegen dem andern nur zu erzählen weiß, vnd ein grosses Gramantzen zumachen; es sind falsche Wort, dafür sich ein Teutscher billig solte hüten.

Genädigster Herr König, sprach ich, ich bin warlich ein Teutscher mit haut vnd mit haar, da ist kein zweiffel an.

In dem kam einer mit grossem Gelächter in den Saal geloffen, das ich wohl sahe, er müste entweders ein Spitzbub, oder [Rand: Hoff Narren] doch ein Schalcks Narr sein, der stellete sich neben den König; dan es ist je vnd allwegen also gewesen, das etliche Weltliche Fürsten vnd Herren viel ehe einen Narren oder Zwergen vmb sich haben vnd leiden mögen als einen Witzigen; viel höher von einem Schalcks-Narren halten, als von einem Gewissenhafften Diener; viel ehe des Pfarrherrn entbehren als deß Narren; ehe einen Narren mit[134] Schäncken beladen, als einen verdienten eyfferigen Mann nur mit der eussersten Nothdurfft versorgen.

Dieser Schalcks-Narr kam an mich, zausete mir dz Haar, griff mir in Bart, wie wohl ich nicht viel hatte, ropffte mich am Wambs vnd Hosen mit kreischen vnd ruffen: hieher Wälscher, huy Wälscher, huy à la mode, hot zopff, har tropff, huy Laudel, jyst faudel, har zottel, zu dir hottel, herumb lottel, hinumb trottel, etc. Vnd viel deß verdrieß mehr, daß ich letzlich entrüstet sprach: Mit Erlaubnuß, wan es nicht vor dem König wäre vnd du nicht eben seiner Diener einer wärest, ich wolt sagen, du hätst gelogen wie ein Schelm vnd ein Dieb.

Darauff mir der Alte ein stoß gab vnd sprach: es wäre zu grob gefrevelt, vor dem König also zu reden; vnd noch viel mehr, daß ich mich anmassete, als ob ich mit fäusten hätte zuschmeissen wollen.

Wer wolte, sprach ich, diese Schimpff alle also vngerochen leiden? Lieber, antwortete der Alte widerumb, weissestu auch noch, was du vor diesem selbst gegen Ruffo Dubio Thrasone gesagt hast: Ne te frotte point à un moindre que toy, car il fera gloire de t'irriter, et te deplumera des plumes de ta vanité et praesumtion.

Zancke dich nicht mit dem, der geringer ist dann du; Er [Rand: Mann soll sich / mit keinem geringern / zancken.] wird dir sonst Hohn sagen vor den Leuten vnd dich zu schanden machen in deiner Thorheit. Hadere nicht mit dem, der auß deiner gewalt ist, dan er wird deiner lachen vnd dir hon sagen vor den Mänschen, das sie deine Thorheit sehen, vnd du dich schämen müssest in der Eittelkeit deiner Wercke; vnd werden die Kinder von dir Lieder singen vnd wirst verspottet werden auff der Gassen.

Laß den Narren reden, er wird kein Loch in den Leib reden.

Wo aber der König, so dessen allen lachete, den Schalcks-Narren nicht abgehalten, ich glaub er solte mir das Gefraß rechtschaffen troffen haben.

Mich deucht, sprach der König, ob du schon einem Teutschen nicht gleich siehest, es möchte doch wz daran seyn, weil du so Teutsch herauß redest vnd dir nicht bald wirst lassen ein Wort das Hertz abstossen.[135]

Vnd zum Alten sprach er: kennest du diesen Kerl, daß du ihn so stossest vnd warnest? Ja, sprach er, fast wohl, Genädigster Herr König, er ist ein Geborner Teutscher. Nun, Nun, sprach der König, wohlan, wir wollen es morgen sehen, führ du den Tropffen jetzo hinunder vnd laß ihm zu essen geben vnd im Gemach bleiben, biß auff weiters verordnen. Hernach, als ich hienauß gienge, sprach er: soll der Bernhäuter ein Teutscher sein, vnd gehet der Schelm so lottelicht daher als wie ein Wälscher, als wann er hätt in die

Hosen [Rand: Teutschlinge] geschissen. Ist zu erbarmen, das meine Völcker sich so gar Narren vnd von ihren angebohrnen Feinden verführen lassen!

Indem ich etliche grosse reverenzen machete vnd mit dem Alten hinauß gienge: du thust nicht recht, sprach er, du siehest, daß [Rand: Zu viel Höfflich / ist /Närrisch] der König die wälschen Bossen alle hasset. Ich laß es seyn, daß du solcher Dinge gebrauchest gegen selben Leuten; aber bey Teutschen ist nichts damit zu erjagen. Es ist einem Teutschen Helden ein Grewel, wan er dergleichen Wälsche Lappenbossen siehet. Warumb [Rand: Joh. Lerius / de Brasil c. 5.] brauchest du nicht, wann du je närrisch sein wilt, die Höfflichkeit, so die wilden in Brasilien im brauch hatten, welche die Hembder auffhebten biß vber den Nabel vnd sich liessen in den [Rand: Bey Grossen / Herren behutsam] hindern sehen, welches gar herrliche Dinge sind bei Ihnen. Auch lerne von mir, das bey Grossen Herren man gar behutsam muß reden. Mancher wohlverdienter Mann kommet in vngenaden vmb eines vngleichen worts willen. Grosse Herren sind gar kützelicht; mit einem Blick kan man sie in Harnisch bringen, bevorab wann sie nicht recht im laun sind, oder einem ohne daß gern in die Haare weren; das magst du ins künfftig von mir behalten. Ich will dir zwar trewlich beyrahten, aber du must mir auch einmahl folgen!

[Rand: Teutsch Essen]Führete mich also der Alte wider durch den Hoff in ein Gemach nechst an dem Burgthor auff dem boden; vnd wiewohl es gleich Nacht, ich auch fast müde war, so konte ich doch vor forcht weder essen noch schlaffen, auch wurde mir nicht viel köstliches auffgetragen. Ein Kahr mit gerunnener Milch, ein stuck Gerstenbrod, ein Haberbrey vnd etlich öpffel, Käß vnd Nüsse, auch ein Geschirr mit Wasser. Das war die Speisse vnd Tranck. Ein Sack mit stroh gestopfft war das Bett vnd die Bettstatt zusammen. Was für Kolender ich die Nacht vber gemacht hab, kan ich nicht[136] sagen: es war ein rechte Conjunction ƀ und ?. vnd hatte ich mich henckens gar nahe versehen vnd tausentmal gewünscht das ich im Rhein lege.

In diesem Gemach, in welchem ich zum offtermahlen hernach gewesen, stunden folgende Reymen vber der Thüre angeschrieben:


Kompt dir zu Hauß ein Frembder Gast,

Gibs ihm so gut, als du es hast.

So er ein Ehrenmann von Blut,

Nimbt er mit Käß vnd Brod vor gut;

Doch so er ein Vnflat geborn,

So wär auch Käß vnd Brod verlohrn.


Deß Montags früh mit der Sonnen auffgang hörete ich ein Horn blasen; so bald kam mich ein Gräusahl an, doch hatte der Bläser gewiß wenig Athem mehr im Leib, dann es war ein elendes [Rand: Bläser] blasens; vnd hatte mich gewundert, das in einer so vornehmen Königlichen Burg nicht bessere Bläser oder Thürner sein solten, die doch eines Herren Hoff mehr zieren als viel andere köstliche sachen. Hörete dabey ausruffen, konte aber eygentlichen nicht verstehen, was es sein mußte, als etliche wenig Wort vernahme ich, nemlich Kuonickh Saro, Kuonickh Airovist, Kuonickh Hermann, Kuonickh Witckhund; noch andere.

Der Alte aber kam bald an das Fenster vnd sagte mir, das ich mich wohl bedencken solte, was ich wolte antworten, dieweil König Airouest die anderen Teutschen Helden, die alle dißmahls in der Burg ein jeder in seiner Wohnung wären, meinetwegen zusammen beruffen lassen, damit sie meiner Person vnd Handlungen wegen gewissen Bericht erforschen möchten.

Bald wurde ich auß befehl von dem Alten in den obgedachten [Rand: Teutsche / Helden] grossen Sahl geführet, da sahe ich Sieben Manns-personen, recht davon zu reden, Sieben Helden in grosser gravität vnd Stärcke deß Leibs auff eingemaurten Seßlen sitzen, mit langen breiten Bärten, so theils die Haar mitten auff dem Haupt in einen schlupff zusammen gewunden vnd fast grosse Schwerter an der seite hencken hatten; theils lange Wurffspieß in der einen faust, in der andern grosse Pfäffesen oder Schilde, vnd auff dem Leib mit Wolff, Bären vnd Hirschhäutten, daran theils noch die Gewichter oder Gehörn[137] waren, gezieret, welches förchterlichen war anzusehen. Wie sonst ihre Kleidung gewesen, kan ich nicht beschreiben, doch hab ich vor [Rand: Weiber / vorwitzig] wenig tagen noch von einem Vorwitzigen Weib gehöret, welche auch einmahl in der Burg gewesen, das diese Helden mächtig große Latzen an den Hosen getragen.

Etliche sachen sahe und hörete ich allda schleinig vnd schier in einem huy außmachen, vnd gleich Vrtheil geben, dessen ich mich [Rand: Rechts-Händel] verwunderte. Der Alte aber sagte mir, das wäre die Vrsach, weil zu ihrer zeit noch keine Advocaten oder Vorsprechen gewesen, deßwegen die Händel desto weniger auffgezogen worden. Ja, sprach ich, was haben sie aber auch für Händel gehabt? Es hat nicht solche sachen geben wie heut, da man sonder Rath der Advocaten schwerlich wird ohne grossen Irrthumb vrtheilen können.

Vnd in dem nach verrichtung etlicher derselben man mich hiesse hervor tretten vnd mich einer nach dem andern ansahe, zusammen murmelten; forschete ich von dem Alten, so mir zur seit stunde, wer einer oder der ander wäre; dann ich noch keinen kandte als den König Airovest. Vnd er sagte mir: der gar Alte Held, so zu oberst saß mit einem Bart biß auff die Knye, ist der König Saro, Einer von den dreissig Helden, so mit dem ersten Anfänger vnd Ertzkönig der Teutschen, Tuitscho, auß Armenien in diese Lande wohnen kommen, von dem auch noch heut zu Tag das Wasser die Sar, hienegst bey, den Namen hat. Welchen der Ertz-König Airouest als seinen Voranherren hefftig in Ehren halte. Der Dritte vnd nächste an dem Ertzkönig ist Heerman, ein Hertzog zu Sachsen vnd Braunschweig, welcher den Römischen Feld-Obersten Varus mit allem Heer in Hessen erschlagen, von den Römern Arminius genannt. Der Vierte heißt von den Lateinern Vitichindus, König Witikhund, auch ein Fürst der Sachsen. Der dort Kallofelß, ein Oberster des gantzen Hunßrücks vnd Eyffeler Lands, von dessen Geschlecht, so wol das Eltiste ist von allem Teutschem Adel, noch heut zu tag viel vortrefflicher Männer vbrig sind; auch ein abgesagter Feind deß Caesars, von ihm Cativulcus genannt. Der neben ihm Fridmeyr, von dem Caesar Viridomarus genant, von geburt ein alter Teutscher, vor jaren im Heddaw wohnend, ebenmässig deß Caesars feind. Der ander da Tütschmeyer, vom Caesar Indutiomarus geheißen, Oberster Statthalter zu Trier.[138]

Vnder diesen fing der jüngste, als der Redsprächigst, nemlich Herr Teutschmeyer, an vnnd sagte, daß ich gestern abends von Ihr. Mayst. wirde vernommen haben die Vrsachen, so sie zu gerechtem Zorn wider mich beweget hätten; vnd wie ich zu dem End vorbescheiden, meines Wesens vnd Verrichtungen sattsamen bericht vnnd antwort zu geben; darumb dann ich auff die mir vorkommende Fragen gründlich vnd ohne gesuchte außflücht, die mir sonst nicht zum besten gereichen möchten, aussagen solte.

1. Wie mein Name? 2 Wer ich wäre? 3 Woher ich wäre? [Rand: Fragen] 4 Wie ich dahien kommen? 5 Waß ich allda zu schaffen hätte? Vnd weil es schon gegen zehen Vhren, ward mir bedachts-zeit biß vmb Ein Uhr nachmittag angesetzt, meine verantwortung vorzubringen, doch mußte ich an Eydstatt angeloben, daß ich die Warheit nicht verhälen, noch flüchtigen fuß setzen wolte, biß nach außtrag der Sachen; dessen der Alte meinetwegen der Bürgschafft, auff mein bitt, sich beladen.

Nachmittag, alß ich widerumb vorkame vnd die Herren sambtlich in ihrer Ordnung wie deß morgens herumb sassen, vnnd mir meine Notthurfft zu reden vergönstigt worden, hub ich mit kurtzen worten (dann Grosse Herren das lange Geschwätz vber die massen [Rand: Bey Grossen / Herren kurtz / vnnd gut] hassen; vnnd offt geschicht, das einer eine gute sach bei ihnen mit dem vbermässigen reden gantz vnnd gar verderbet; vnnd hingegen eine zweifelhafftige sache mit einer vernünfftigen, kurtzen, klugen Rede kan erhalten) also an: Allergnädigste Herren, auff die mir heut frühe genädigst vorgelegte Fragen meinen vnderthänigen Bericht zu thun: So ist

1. Mein Name, Philander 2 Bin ich ein Geborner Teutscher von Sittewaldt 3 Weiß zwar selbst schier nicht, was ich sonst bin: Ich bin, was man will; hab mich in diesen Ellenden Zeiten müssen in allerley Leut köpffe schicken vnd wie Hanß Wursts Hut auff allerley weise winden, trähen, drücken, ziehen, zerren vnd böglen lassen; viel leiden, viel sehen, viel hören, vnd mich doch [Rand: Der Krieg vnnd / die Trangsahlen / lehren wunder / Dinge] nichts annehmen müssen; Lachen, da es mir nicht vmbs Hertz war; Gute wort geben denen, die mir böses thaten; mich müssen gebrauchen lassen wie das kalte Gebratens; bald für ein Ambtmann, vnd nach dem ich von den Wüterichen etlichmahl außgeplündert, geängstigt, geschätzt, tribulirt, verjagt vnnd vertrieben worden,[139] für ein Hoffmeister, Rentmeister, Vorsprech, Advocaten; bald für ein Jäger, Vorschneider, Stallmeister; bald widerumb für ein Ambtmann, für ein Baumeister, für einen Schultzen, Bittul, Baurenartzt, für einen Roß- vnd Kühehirten, für einen Schützen, Soldaten, für einen Bauren. Vnd in meinem Ampt offt die Arbeit thun müssen, deren vor diesem ein Schultz, Bittul, Roß- oder Kühehirt, Schütz, Soldat vnnd Bauer sich geschämet hätte.

4. Bin ich hieher kommen ohne verhoffen vnd wider meinen willen, weil ich zu Hauß in der Vnruhe vnd Kriegsgefahr dermassen verstürtzet gewesen vnd mir vorgenommen, auff den Berg Parnassus zu reysen, weil man sagt, es wäre der Parnassus, Locus Pacis, Quietis, Tranquillitatis et Felicitatis, da es noch recht hergienge, wie im Schlauraffenland, aber vnder wegs von ettlichen Reittern auffgefangen vnd hieher gebracht worden. Hätte auch 5. andersts allhie nicht zu schaffen; sondern wolte umb Gnädigste Erlaubnuß fürter zu gehen vnderthänigst gebetten haben.

König Airouest hieß mich besser hinzutretten. Vnd Hörestu, sprach er, Ich bin auff meiner gestrigen meynung, je länger ich dich ansehe vnd höre, gestärcket, daß du nicht ein geborner Teutscher, sondern ein Walscher seyst vnd als ein Kundschaffter hiehero kommen. Dann es darumb nicht folget, weil dir die Teutsche Sprach bekant, daß du deßwegen ein Geborner Teutscher seyest vnd ein Teutsch Gemüth vnd Hertz habest.

Gnädiger Herr König, sprach ich, wie könte ich doch einem Walschen im Hertzen je vnd immer hold sein? da ich doch alles Creutz vnd Ellend, alle Noth vnd Zwang von Ihnen bißhero habe dulden vnd erleiden müssen.

Warumb dann, so du ein Gebohrner Teutscher bist, hastu nicht auch einen Teutschen Namen? Was soll dir ein Griechischer vnnd Hebreischer Name im Teutschland? was ist Philander für ein Gefräß? bistu von Sittewaldt, warumb hastu dann einen Wälschen Namen? waß? Hm? was meynstu? Hä?

[Rand: Namen / Narren] Gnädigster Herr König, sprach ich, es sind solche Namen gemein bei vns. Gemeyn? ja, wie die Wälsche Laster auch. Was habt ihr vermeynte Teutschen dann für Trew in ewren Hertzen gegen ewrem Vatterland? wann ihr bedächtet, wie durch die Römische[140] Tyrannen, insonderheit den Caesar, vnd die Wälsche Vntrew alles in Zerrüttung kommen, das ihr gleichwohl ihre Namen zu gebrauchen euch noch gelusten lasset? haben dann die Teutschen Namen nicht lusts vnd zierde genug, euch zu nennen? Ewere Tugenden vnd Thaten an Tag zu geben? Ist euch dan das liebe Teutsche so gar erleydet? daß Ihr, Erman, Erhardt, Manholdt, Adelhardt, Baldfried, Karl, Künrath, Degenbrecht, Eitellieb, Friederich, Gothfried, Adelhoff, Hartwert, Reichhart, Ludwig, Landshuld, Ottbrecht, Ruhprecht, Redewitz, Sigfried, Theuerdanck, Volckhard, Witzreich, Wolrath etc. vnd andere Liebe, Schön klingende Teutsche Namen nur vber Achsel ansehet vnd verlachet?

Muß euch dann in eweren Bocks-Ohren das Grichische Philander, Philippus, Adolphus, Nicolaus, Theophilus, Theodorus etc. vnd andere, besser lautten? Ja, so dz ärgste ist, wan von Gott je einem ein Teutscher Name widerfahret als Adeloff oder Adulff vnd dergleichen, das er sich doch vor eiteler Wahnwitz vielmehr belieben lasset, solche von dem Grichischen 'Αδελφὸς herzuerzwingen, als von dem wahrhafftigen Teutschen Vrsprung, Adelhoff, einer der in den Adel hofft; Adelhuff oder Adelhülff, Einer der dem Adel hülfft, oder dem Adel huft, herzunehmen? Oder seinen Angebornen Teutschen Nach-Namen mit wälschem Nähtz, Kalckh vnnd Kath (als dem Hoffärtigen, Armutseeligen, Einbildigen De) zu vberzuckern, Einzubeitzen vnd Einzusaltzen, damit der Vnflat nicht stinckend werde. Schämet ihr euch dann ewerer selbest vnd ewrer redlichen Vorfahren?

Schäme dich für dem Teuffel, wann du ein ehrlich Teutsche Ader in deinem leib hast, das du einen andern Namen, einen Außländischen Namen, vnnd den du vielleicht selbst weder verstehest noch weissest, solst einem verständlichen bekanten Teutschen Namen vorziehen, oder mit Wälschen farben anstreichen, mit De vnd Di füttern wollen!


[Rand: Monsieur de / Lottelboß / Monsieur de / Lampe / Monsieur de / Bradfürst / etc.]

Wer seinen anererbten Namen

Flickt mit wälschem Natz zusammen,

Und wer gern ein Jünckerlein;

Der hat Mangel an eim Sparren

Vnd gehört ins Buch der Narren,

Solt er sonst ein Doctor sein.
[141]

Kum, hieher, sprach Herr Teutsch Meyr, vnd alß ich nahe zu ihm kam, Solstu ein Teutscher sein? sprach er, dein gantze gestalt gibt uns viel ein anders zu erkennen. Vnd glaub ich gewiß, [Rand: Hüt Narren] das du darumb deinen Hut, (den er mir mit grossem gelächter ließ vorweisen, dann sie hatten ihn zum Schauspiel in den Saal an ein Hirschgewicht hencken lassen) vnderwegs von dir geworffen, nur das man die närrische Form nicht sehen solte. Dann sobald [Rand: Newsüchtige / Narren] kan nicht ein Wälsche närrische gattung aufkommen, daß ihr vngerathene Nachkömlinge nicht sobald dieselbe müst nachäffen vnd fast alle viertel Jahr ändern; auch darfür haltet, wo ein Ehrlicher Gewissenhaffter Mann bey seiner alten Ehrlichen Tracht bleibe, daß Er ein Hudler, ein Halunck ein Alber, ein Esel, ein Tölpel sein müsse.

Wie viel gattungen von Hüten habt ihr in wenig Jahren nicht nachgetragen! jetzt ein Hut wie ein Anckenhaffen, dann wie ein Zucker-Hut, wie ein Kardinals Hut, dann wie ein Schlapp Hut; da ein stilp Ehlen breit, dort ein stilp fingers breit; dann von Geissen haar, dann von Kamelshaar, dann von Biberhaar, von Affenhaar, von Narrenhaar; dann ein Hut als Schwartzwälder Käß, dann wie ein Schweitzer Käß, dann wie ein Holändisch-Käß, dann wie ein Münster-Käß. Vnd das ist heut die newe närrische Tracht; bald kompt eine andere in gestalt eines Fingerhuts hernach, die närrischer ist. Vnd diese alle wolt ihr ellende Leute nachmachen? also, daß erscheinet, all ewer Reichthumb vnd Mittel seyen allein, mit newen Trachten zu verschwenden, erworben worden:


[Rand: D. Brand]

Dann trägt man kurtz, dann lange Röck,

Dann grosse Hüt, dann spitz wie Weck,

Dann Ermel lang, dann weit, dann eng,

Dann Hosen mit viel farb vnd spreng.

Ein Fund dem andern kaum entweicht,

Dann Teutsch Gemüth ist also leicht.

Daß zeigt was in dem Hertzen leyt.

Ein Narr hat ändrung allezeit.
[142]

Vnd das zu lachen ist, wo irgend ein König, ein Fürst, ein [Rand: Newer Trachten / Vrsach] Herr, ein Reysender, vmb deß reysens, vmb des Jagens willen ein solchen Hut, ein solchen Mantel, ein solchen Rock, ein solch Kleid, ihm zu seinem nutzen vnnd Vortheil machen läßt; vnd ein Newsüchtiger Monats narr, Ein Schneider bey der Nadel, ein Schuster bey dem Knippen, Ein Student bei den Büchern solchs siehet, der doch wohl sein lebtag nicht auff ein Meil wegs reyset, noch weiter hienauß kompt als seiner Mutter Fülle, weder reittet noch jaget, weder hätzet noch baysset, dannoch es will nachäffen? einen solchen Mantel tragen, daß ihm der Regen deß Hauses die Knye nicht soll zerschlagen, ein chappeau de fuyart auffhaben, damit er ihm nicht abfalle, wann er davon will traben, ein par Stiffel bis an Latzen anziehen, damit ihm das Wasser nicht oben ein lauffe, wann er in den Regen deß Weinfaß gerathet oder durch den Rhein seiner Stuben muß reitten.

Vnd wie zu vnsrer zeit der Hut ein Zeichen war der Freyheit, also ist es nun zu eweren zeiten dahien gerathen, daß der Hut ist ein Zeichen der Dienstbarkeit. Dann warlich, mit solchen newen Trachten halten die Wälsche ewre Hertzen gefangen vnd gebunden vnnd lencken sie, wohien sie wollen:


Du trägst ein Wälschen Hut,

Die Wälsche deiner lachen

Und zwacken dir dein Gut

Vnd dich zum Narren machen.

Drumb, wer hat Teutschen Muth,

Hab sorg zu seinen Sachen.


Last ihn ein wenig sonst besehen, sprach Herr Kallofelß; vnd als ich zu ihm trat vnd Er mich bey den Haaren nahme. [Rand: Haar Narren] Ist dann das ein Teutsches Haar? sprach er, Bist du ein Teutscher, warumb dann mustu ein Wälsches Haar tragen? warumb muß es dir also vber die Stirne herunder hangen als einem Dieb? man soll ja einen Ehrlichen Mann an der Stirne erkennen, welche guten theils seines Gemüths Zeugnuß ist; vnd wer seine Stirn also verhüllet, das ansehen hat, als er sich vor etwas müsse schämen, das er ein Schelmenstuck begangen habe. Warumb muß dir das[143] Haar also lang vber die Schultern herab hangen? warumb lastu es nicht kurtz beschneiden auff Teutsche weise? oder doch, so du es länger tragen woltest, vberm Kopff einschlüpffen, als bey uns der Brauch ist? komm her, laß vns sehen, hastu auch noch deine Ohren?

Ist das nicht eine lose Leichtfertigkeit! Diese lange Haar also herunder hangend sind rechte Diebs Haar vnd von den Wälschen, welchen vmb einer Missethat oder Diebs-stucks willen irgend ein Ohr abgeschnitten, erdacht worden; damit sie mit den Haaren es also bedecken möchten vnd man es nicht sehen oder mercken könte; vnnd ihr, die ihr Teutschen Ehrlichen Namens vnnd unsere Nachkommen sein wollet, wolt solchen Lasterhafften Leuten in ihrer Vntugend, in deren sie sich selbst schämen, vnd die sie zu bemäntelung ihrer Schelmenstücke erfunden haben, nachäffen? vnd darin noch als in köstlichen schönen Dingen prangen? ja offt ewrer eigenen Teutschen Haar euch beschämen? da doch ein Römischer Keyser, wan er in seinem Pomp gehen vnd gar Herrlich sein wollen, ein Teutsches Haar für eine sondere Zierde hat auff getragen. Ihr aber wolt hiengegen lieber eines Diebs oder Galgen-Vogels Haar euch auff den Kopff setzen lassen. Aber


Wer sich seines Eignen Haars schämet, der ist nicht

werth, das er einen Kopff hat.


Soltestu ein Teutscher sein, sprach Herr Friedmeyer, sihe was für einen Wälschen närrischen Bart hast du dann? vnd da deine Ehrliche Vorfahren (wann du anderst eines Teutschen Manns Sohn bist) es für die gröste Zierde gehalten haben, so sie einen rechtschaffenen Bart hatten, so wollet ihr den Wälschen vnbeständigen Narren nach alle Monat, alle Wochen ewre Bärt beropffen vnd bescheeren! ja alle Tag vnnd Morgen mit Eysen vnd Feuer peinigen, foltern vnd marteln, ziehen vnd zerren lassen? jetzt wie Ein Zirckel-Bärtel, jetzt Ein Schnecken-Bärtel, bald Ein Jungfrawen-Bärtel, Ein Deller-Bärtel, Ein Spitz-Bärtel, Ein Entenwädele, Ein Schmal-Bärtel, Ein Zucker-Bärtel, Ein Türcken-Bärtel, Ein Spannisch-Bärtel, Ein Italianisch-Bärtel, Ein Sontags-Bärtel, Ein Oster-Bärtel, Ein Lill-Bärtel, Ein Spill-Bärtel, Ein Drill-Bärtel, Ein Schmutz-Bärtel, Ein Stutz-Bärtel, Ein[144] Trutz-Bärtel etc. Vnd indem ihr euch der rechten Bärt vnd Knebel schämet, noch gar zu Bengeln werdet.

Zu vnsern Zeiten hat man an den Federn erkennen lernen, was es für ein Vogel war, am Bart was für ein Mann da war. Wie wolt es heut immer müglich seyn? da, je älter einer wird, je mehr er seinen Bart stutzen vnd stimlen lasset, vnnd also die Welt vnnd das Jugend-liebende-frawenzimmer vberreden vnd betöhren will, ob er ein Jung Gesell oder ein Jüngling wäre. Hat nicht jener vnser Teutscher Schweitzer redlicher gethan? als er gefragt worden, warumb er ein so langen Bart hätte? vnnd [Rand: de Hieronym. / Rhet. / Prof. Basil. / Lycosthen.] gesprochen: damit, wann ich diese Haar ansehe, ich gedencke, daß ich ein Mann seye, vnd kein Weib, vnd mich Mannes-Thaten vben vnd befleissigen solle. Dann der Bart zieret den Mann vnd soll ihn anreitzen, das er sich in allem Thun rechtschaffen, dapffer vnd als ein Mann verhalte. Wie hoch hat es der Hebräer König, David, empfunden, als ihm Hannon die Knechte bescheeren ließ an ihren Bärten? dann sie waren geschändet vor Israel vnnd allem Volck. Nun ist ewre meiste sorge, sobald ihr Morgens auffgestanden, wie ihr den Bart rüsten vnd zuschneiden möget, damit ihr vor Junge Narren vnd Lappen könntet durchwischen? O ihr Weiber-Mäuler. Ihr vnhäarige! In den Löffel-Jahren gehet ihr zu zopffen, zu trillen, zu ropffen, biß die Gauchs-Haar herauß wollen; vnd wann ihr durch gunst der Natur dieselbige endlich erlanget habt; so wist ihr ihnen nicht marter genug anzuthun, biß ihr sie wider vertreibet. Ihr Bart-Stimmler! Ihr Bart-Rauber! Ihr Bart-Schinder! Ihr Bart-Schneider! Ihr Bart-Stutzer, Ihr Bart-Zwacker, Ihr Bart-Folterer! Ihr Bart-Wipper! Ihr Bart-Marteler! Ihr Bart-Peiniger! Ihr Bart-Abtreiber! Ihr Falsche Bart-Müntzer! Ihr Bart-Verderber! Ihr Bart-Narren! Ihr Bart-Mörder!


Wälsch Bart, Weiber Art.

Lappen Bart nimmer gut ward.


Vor zeiten


[Rand: D. Brand]

Ein Ehr wars, etwan haben Bärt

Daß waß gar Mannlich schon vnd Wert;[145]

Da wurd man auch billig geehrt.

Jetzt hand die Wybschen Gäuch gelehrt

Vnd schaben alle tag die Backen,

Sie wäschens, das sie sollen schmacken,

Vnd schmiren sich mit Affenschmaltz

Biß an die Augen vnd den Halß.


[Rand: Kleider / Narren] Solltest du ein Teutscher sein? sprach Hertzog Herman: Mann sehe deine Kleider an, was vor ein Wambst ist das? was für Hosen vnd Strimpff? Ich glaub, das du allererst mit von Pariß kommest? ein Wohlthörichter Tausch, den ihr da thut gegen solche Newe dinge! Das alte Teutsche Gelt wird hässlich vmbgetauscht! Aber Recht, die Wälsche können es ihnen fein zu Nutz machen. Meynt ihr, wan der Teutschen saur erworbenes Gut nicht alles nach Pariß für solche närrische newe Trachten vbermacht wirde, es könte sonst nicht verthan werden? Habt ihr Teutsche (wan du je einer von unsern vngeschlachten Nachkömmlingen bist) nicht in der Erfahrung, das, welchen Völckern Ihr euch in Kleidung also gleich stellet vnnd sie nachäffet; das dieselbe dermahlen Euch vnd ewre Hertzen bezwingen, Euch vndertrucken vnnd zur Dienstbarkeit ziehen werden? dann sie ja schon Ewre Hertzen, das beste Bollwerck, die Schantzen der Augen vnd Aussenwerck der Sinne vndergraben, Eingenommen vnnd gewonnen haben. Ist euch dan nimmermehr ichtwas gut genug, daß auß ewrem Vatterland kommet? Man spüret wohl, das Ihr Verächter Ewres Vaterlands seit vnnd dessen Verräther. Wo ist ein Volck vnder der Sonnen, als die vngerathene Teutsche jetzt sind in ihrem Kleidertragen, so vnbeständig, so Eckel, so Närrisch. Wo siehet man deßgleichen bey Eweren Nachbauren geschehen?


[Rand: Barth. Ring- / Wald Lauter / Warheit / 93. blat]

Ich lob die Poln in Ihrer Zier,

Sie bleibn bei der Alten Monir,

Bekleiden sich nach Landes-brauch

Wie Türck vnd Moscowitter auch.


Aber Ihr in dem Teutschen Land

In Kleidung haltet kein bestand,

Daran man euch mit wahrem grund

Wie andre Völcker kennen kund.
[146]

Sondern Ihr seit recht wie die Affen,

Nach Wälschen vnd Frantzosen gaffen,

So wohl nach Böhmen vnd dergleichen,

Die Ihrer Lande Grentz erreichen.


Was die an Rüstung, Roß vnd Wagen

Gebrauchen vnd am Leibe tragen,

Daß müssen Jungfraw, Mann vnd Knaben

Auch allenthalben vmb sich haben.


Mit welcher Tracht vnd losen Dingen

Sie sich nur vmb die Heller bringen.

Vnd machen, wie mans wohl erfind,

Daß alles Gelt im Land verschwind.


Ja wann sie noch bei einem blieben,

Vnd nicht so offter Wechsel trieben

In Röcken, Wambsen, Stiffel, Hut,

So gieng es hien, vnd wär noch gut.


Aber, eh dann man sich vmbsicht,

So wird was Newes auffgericht,

Darauff so fallen sie in gemein,

Wie solt ihr dann vermüglich sein?


Bedenckt doch diß in allem Stand,

Ihr liebe Leut im Teutschen-Land,

Auff daß ihr nicht von ewrer Haab

Durch a la mode nemmet ab.


O solte Keyser Karl der Grosse, Keyser Ludwig vnd Otto, die solche frembde Trachten einzubringen mit Ernst vnd Eyffer hochsträfflichen verbotten, deine a la mode Hosen vnd Wammest sehen, sie würden dich als einen Wälschen Lasterbalg auß dem Lande jagen.

Aber last hören, sprach König Airouest zum Alten, das Hanß Thurnmeyer lese, was im Saalbuch von ihm geschrieben.

In dessen ein grosses Buch, auff dem Tisch, der in mitten deß Saals stunde, ligend, auffgethan vnd nachfolgendes gelesen wurde: die Teutschen vnd Francken, nach dem sie gemeiniglich vnder [Rand: Aventin. / lib. 4. p. 189.] den Wahlen vnnd Frantzosen zu kriegen pflegten, nahmen sie zu hand derselbigen kurtze Mäntel vnd Röcklein an. Da solches sahe Keyser Karl, ward er zornig vnd schrye: O ihr Teutschen vnd[147] Freye Francken! wie seit ihr also vnbesonnen vnnd vnbeständig? das ihr deren Kleidung, die ihr vberwunden vnd bestritten habt, derer ihr Herren seit, annehmet? Ist nicht ein gut Zeichen, bedeutet nichts guts. Ihr nemmet ihnen ihre Kleidung, so werden sie euch ewre Hertzen nemmen. Was sollen diese Wälsche Flecken vnd Hadern? decken den gantzen Leib nicht, lassen ihn wohl halb bloß, sind weder für Hitz noch für Kälte gut, für Regen, noch für Wind; vnnd wo einer im Feld seines Gemachs, mit Züchten zu melden, muß thun; bedeckens einen nicht, erfrören die Beine. Ließ demnach ein Land-Gebott außgehen, daß man solche Frantzösische Kleider weder kauffen noch verkauffen solte. In dem Winter trug er gemeiniglich nach dem gar alten brauch der Teutschen ein Wolff-beltz, oder auß Fuchsbälgen, oder auß Schaafffellen gemacht, an; vnd da er in Friaul im Winter lag vnd sahe, das die Teutschen von den Venedischen Kauffleuthen außländische köstliche Gefüll kaufften vnd darin herein prangeten; musten sie auff ein zeit also gekleidet, da es gleich regnen wolte, an das Gejägde reitten. Da führet ers mit fleiß durch dicke Stauden vnd Dornen, damit solche Kleider nicht allein durch regen verderbt, sondern auch zerrissen wirden. Darnach führet er sie wieder heim, musten von stund an bey den Kaminen essen; da wurden die Kleider erst noch übler verderbt durch die Hitz des Fewrs. Er verzog mit Fleiß das essen lang in die geschlagene Nacht hinein; seinen Wolff-beltz ließ er trücknen zu morgens am lufft, war ihm nichts. Vnd als die Teutschen mit ihrem köstlichen Gefüll für ihn musten kommen, das alles verderbet war; Zeiget er seinen Beltz, sagt: Ihr läppischen Leut, welches Kleid ist nun nützer, dz mein, das mich einen Schilling stehet; oder das ewer, darumb ihr gantz ewer Vätterlich Erb verschwendet habt?

Da hörstu nun, sprach König Airouest weiter.

Vnd Herr Kallofelß, weist du nicht mehr, was vnlängst dein [Rand: Krichingen] Frommer Herr Peter-Ernst von Krichingen dem Hertzog Heinrich von Lotringen geantwortet, alß er Ihn gefragt, warumb er in Kleidung nicht auch so köstlich auffzöge als andere Herren vnd Edele? sprach: Genädigster Fürst: Ich bin schwaches leibs vnd nicht so starck alß diese, deren Einer eine gantz Mühl, Einer ein Meyerhoff, Einer[148] ein gantz Dorff am Halße trägt; das ist mir vnmüglich zu tragen. Ich will heut tragen, das ich morgen wider tragen kan; was sollen mir die Lumpen, die man höher achtet alß den Mann selbsten, die dem Mann eines guten theils seiner Ehre berauben?

Meynstu, sprach Herr Teutschmeyr ferners, das Kleid werde dich zum Mann machen? Sind schon deren, wie ihrer dann viel sind, die solches dafür halten; so seind sie desto mehr zu schelten, [Rand: Vestis facit / virum] weil sie sonst nichts rühmliches an sich selbsten, sondern all ihre Hoffnung auff das Augenmaaß gesetzet haben.

Genädigste Herren, sprach ich, so siehet man gleichwohl, das ohn ein gut Kleid keiner geachtet wird, er sey so Geschickt, als er immer wolle. Hiengegen, wan ein Kerl schon nichts weiß oder gelernet hat; gleichwol wan er brav daher geschritten kommet, vor anderen herfür gezogen wird, geehret vnd geliebet; vnd wohl heisset:


Vir bene vestitus pro vestibus esse peritus

Creditur à mille, quamvis Idiota sit ille.


[Rand: Johann / Strauß / Kleider / Teuffel. D.]

Ein Mann der Schöne Kleider hat,

Geachtet wird eins Fürsten Rath

Vnd für ein Glehrten angesehn,

Dafür er doch nicht kan bestehn.

Ist einer vbel angethan,

Der mag kein Lob bey leuten han,

Vnd wan er gleich wüst alle Kunst,

Noch hat er bey der Welt kein gunst;

Man gibt dem Weißheit vnd gewalt,

Der sich mit Kleidung macht gestalt.


Ja, Ja, sprach Herr Tütschmeyr widerumb, Also vrtheilen Ewer vorwitzige Weiber heutiges tags. Insonderheit vnd zuvorderst soll man Ewer Fürstlichem vnnd Grävlichem Frawenzimmer [Rand: Frawen- /Zimmer] solche Thorheiten billig heim schreiben, welche dafür halten, sie können ihre Herren vnd Ehegemahlen nicht sehen oder lieben, wann sie nicht alle tag in neugebachener Form frisch auffziehen. Ja sie wollen selbst nicht allein alle Viertel Jahr, alle Monat, mit großem Vnkosten vnd mit vergeydung der armen Vnderthanen Schweiß vnd Bluts newe Trachten haben, die man Ihnen auff der Post mit a la mode bekleideten Puppen vnd Tocken von Pariß muß[149] [Rand: Hoffschneider] zuschicken, sondern auch ihre eigene Hoffschneider (welche Gelt-verschwendende Bursch Sie ja den Vornehmsten Räthen an Gunst vnd Gnaden gleichhalten oder wohl vorziehen) mit großem Gelt-Wechsel, als ob sie Land- oder Statt-Richter werden müsten, nach Pariß verschicken, allein daß sie solche newe Narrentrachten alda erlernen vnd erdencken mögen; welche Schneider vnd Schuster theils mehr kosten alß ein Doctor, der fünff Jahr in der Lehr vnd auff der Reyß mag zubringen. Vnd was ein solcher ellendiger Schneider alßdann für Eine Narrheit nur erdencket, so muß das gantze Hoffwesen dem Narren in der Narrheit nachgerichtet werden, vnnd keiner sich sehen lassen, der nicht zu solcher Thorheit sich bequemen wolte.

[Rand: Hier. Bock / fol. 280] Was mangelt euch Teutschen doch, sprach Herr Kallofelß, an der Kleidung vnnd Gewand? habt ihr nicht ewern Hanff vnd Flachß eben so wohl, damit ihr euch müget zur Notthurfft, ja auch zum vberfluß bekleiden als andere Völcker? deßgleichen was mangelts an Wollen vnd der Seiden? habt ihr nicht Schaaf vnd Seidenwürm alß die Wälsche? was Hoffart tringet dann euch arme Vögel, das ihr auch müsset Scharlach, Attlaß vnd Sammet haben? O wie groß ist der Stoltz, so allein auß dem Geitz entspringet, daß sich niemand an dem, so GOtt der Herr Reichlich vnd vberflüssig bescheret hat, will ersättigen lassen. Siehet man daß alles nicht täglich an allen Orten? In der Kleidung von Frembdem Gewand? In der Speise vnd Tranck von Frembder Specereyen vnd Gewürtz? In der Artzney von Frembden vnbekannten schädlichen Säfften vnd Gummi? vnd deren ist kein maaß noch ende. Gott wolle solches wenden vnd sich ewer annehmen.

Aber last vns vnser Frommes Frawenzimmer vnd Teutsche Heldinen hören. Sollte S. Elisabeth König Andres des II. in Vngarn Tochter (ein Schwester Andreß, deß alten Hochfürstlichen [Rand: Croy] Hauses Croy vrhebers) vnd St. Adelheyt wider kommen vnd sehen, das solche Reichthumbe vff so lose Vppigkeiten verwendet, hiengegen die Armen in höchster Armuth, in Hunger, Kälte vnd Blösse gelassen vnd verlassen werden! ja das man, zu solchen losen[150] Newrungen noch der Armen ohne daß durch das Kriegswesen außgesogenen Vnderthanen erpresste Angst- vnd Seelen-Gelter verschwendet; sie wirden Raach ruffen. Aber die Raache wird nicht aussen bleiben. Sie ist, meyne ich, allen genug auff dem Halß. Ihr aber seit in dem Vnglück zu ewerm warhafftigen Vndergang verstocket, GOtt wolle sich Ewer in Genaden Erbarmen.

Waß Vnglücks stellen ewere Weiber vnd Töchter auffs Newe jetzt an mit den Grossen Gepulsterten, Gefuterten Löchern? als ob sie sich durch solchen Wulst eine bessere Leibesgestalt vnd Feiste machen wollten; dannenhero sie solche Würste vnd Füllsaal nicht vnbillig Speck zu nennen pflegen, deren etliche biß in die 25 Pfund [Rand: Weiber-Speck] schwer am Leib tragen. Das müssen ja feiste Säuwe sein, vnd ein Ehrlicher Mann nicht vnbillig sich schewen, einen solchen Schmutzigen Garstigen Lauß-sack anzugreiffen. Vnd damit die Herren sehen, sprach er, was mir gestern allererst vom Rheinstrom wegen solches Newen Wunder- vnd -Weiber-Specks zur Kurtzweil vberschicket worden, so wollen sie diese Reymen (die er auf einem Zeddel Hanß Thurnmeyer vberreichen vnd zu lesen befahle, der mir sie auch hernachmahlen abzuschreiben vergönstiget) hören; welches dann nicht ohne grosses Gelächter geschahe; diß waren aber die Reymen:


1.

Lustig, Lustig, Ihr Freund auff einen Hauffen!

Wer trauren wolt der wär ein Gäck,

Weil vnsre Weiber geben Speck,

So dörffen wir nun keine Säw mehr kauffen.


2.

Jetzt hat ein End mein Klagen und mein sorgen,

Der Ecker fall gleich wie er woll,

An Speck mir doch nicht manglen soll,

Ein einigs Weib kann mir ein Centner borgen.


3.

Hab ich schon kein Schmaltz im Hauß,

Sollt ich mich dann darumb kräwen?

Was frag ich viel nach den Säuwen?

Weib, lang du den Speck herauß!

Ist das nicht ein Schmutzigs leben,

Das die Weiber jetzt Speck geben?
[151]

Ach Genädigster Herr, sprach ich, der Speck vnd die Weiber gehen mich nichts an, will auch nicht für sie viel reden; allein, was meine Kleidung anbelanget, so geschicht es bißweilen, daß [Rand: Wälsche / Expeditiones] Einer mit solchen Wälschen Völckern muß zu thun haben, bei denen, wie bekant, nichts außzurichten ist, wann man sich Ihnen in Gebärden vnd Kleidungen nicht gleich stellet.

Allrecht, sprach König Airouest, weil es ja so sein muß, so bleib es also. Hans Thurnmeyer! schreib du diesen meinen Satz in das Saalbuch:

Wer mit Narren muß zu thun haben, dem soll erlaubt sein Schellen zu tragen.

Wann ihr Ewer altes Herkommen, Ewere alte Standhafftigkeit, steiff, fest vnd recht in acht nehmet, die Wälsche wirden Euch mit solchen Trachten wohl vnvexiret lassen.

Ich weiß, sprach Herr Kallofelß, noch heutiges tags Ein Fromme Fürstin vnd Ein Fromme Grävin vnnd Ein Liebe vom Adel (welche jetzt hochschwanger gehet, die auch GOTT genädig entbinden wolle) in Teutschland, so uns allen wohl bekant wegen ihrer Tugend; die trägt sich Erbar in einem feinen Erbarn Schwartzen Kleid, mit Ehrbarem feinem weißem Geräth, ohne Stoltz, ohne Hochmuth, ohne vergeydung; was sie aber an Gelt vnd Vermögen auffbringen kann, das theilet sie vnder Arme Betrangte Leute vnd hülfft, das durch solchen Ihren Beystand der arme Landmann wider zu seinem Hüttlein kommen, widerumb säen vnd pflanzen möge, damit das Land in einen bessern Stand gebracht vnd der Eingerissener Vndergang auff das müglichste verhindert werde. Aber O, wie ist solche Fromme Fürstin, Grävin vnd Edelfraw so kranck vnd schwach! vnd zu besorgen, ehe du wider dahien kommest, sie von der Welt abgescheiden sein möchte; darumb du dich wohl zu eylen hast, wan du sie noch wilt lebend finden.

Als ich diese Wort, daß ich wohl zu Eylen hätte, hörete, dachte ich bey mir nicht anderst, als ich hätte meine Sach nun wohl außgericht vnd Erlaubnuß, also bald vmbzukehren. Machte [Rand: Nothleidende / sind demütig] derowegen (als Erlösete Leute, gegen die, so ihnen auß Nöthen helffen, pflegen, das sie einem hände vnd füsse küssen vnd nicht wissen, wie sie sich genug demütigen sollen) eine grosse tieffe reverentz, vnd mit vielem Bücken, Ritschen vnd hand-küssen wolte ich mich bedanckt haben gegen Ihm. Aber Er stiesse mich mit einer zornigen rede von sich vnnd sprach: Halt, Kerl, es ist noch[152] nicht an dem. Ich glaub, du wilt meiner spotten mit deinen Narren-Geberden! du Kleider-Narr weistu nicht? daß


Ein Teutscher, der sein Kleid veracht

Vnd sich vmbsieht nach Wälscher tracht,

Der bleibt ein Narr vnd wird verlacht,

Biß ers nach art seins Vatters macht.


Vnd König Witichund sprach: komm herumb zu mir! waß? [Rand: Geberden- / Narren] bistu ein Teutscher? Ei was hastu dann für ein närrischen Wälschen Gang, Sitten vnd Geberden an dir? waß wiltu? wo wiltu hin? bistu närrisch worden? wie gehestu daher, alß woltestu dantzen oder [Rand: Gang] springen, vnd fochtelst mit den händen als ein Gauckler? Siehe, wie er Schu an hat, wie Bockßfüß. Es nimbt mich nicht wunder, [Rand: Schue] das er gern hat reitten wollen. Ich glaub, er solt ihm die Füß abgehen in den hohen Wälschen Schuhen, oder wohl gar den Halß abfallen.

Was ist das für ein wunderliches Bücken und Ritschen, mit [Rand: Bücken] dem Kopf, mit den Händen vnd Füssen, mit dem gantzen Leib? du schnapst mit dem Kopff zu den Füssen wie ein Däschen Messer, daß man auff vnnd zu thut. Meynstu, das solches einen teutschen Mann ziere? weistu, was die Wälschen selbst von ihrem Grammantzen halten, welches du ihnen doch so närrisch nachäffest? meynstu nicht, das sie deiner Einfalt vnd doppelen Thorheit lachen? was meynstu, das wir solches Bückens vnnd Burtzlens allhie achten, die wir gewohnt sind, drein zu schmeissen vnd zu schlagen als die Blinde, vnd mehr auff vnser Pferd vnd Vieh achten als auff solche lumpenbossen? Hast nicht viel gehört, dz solche Spiegel-narren, solche Küss-thoren, solche Bückesel, wo sie auff solcher Narren weise verharren, ichtwas nutzen.


[Rand: D. Brand]

Du gehst als auff Bocks füssen har,

Vnd wirffst den Kopff dan hie dan dar,

Dann hien zu Thal, dan auff zu Berg,

Dann hinder sich, dann vberzwerg.

Wann du wärst in der Vogel Orden,

Man spräch, du wärst windhälsig worden.
[153]

Dann gehstu bald, dann gar gemach,

Daß giebt ein anzeig vnd vrsach,

Daß du hast ein leichtfertig Gmüth,

Vor dem man sich dan billig hüt.

Auß Sitten man gar bald verstaht,

Was einer in dem Hertzen hat.


Meynstu, unsere Vorfahren, die redliche Helden, wan sie dich also sehen solten, würden darvor halten, daß du ein Teutscher wärest? O weh nein, sie würden glauben, du wärest allererst von Babel kommen vnd woltest noch einmahl eine Zerrüttung mit den Geberden anfahen in der Welt. Was soll das Fingerlecken? das Händ vnd Armträhen? das von-vnd-zu-dir-zucken vnd drucken? das Ritschen vnd Bucken?

Ihr Teutschlinge! Ihr vngerathene Nachkömlinge! Was hülfft euch solche newe Vnarth? Altes Wesen her! Alte Geberden her! In Hitz vnd Frost übet euch, nicht in Schmincken vnd Schmucken. Alte Hertzen her! Alt Gelt her!

Wo ist ewer Alt Gelt hinkommen, als das ihr solche newe [Rand: Der Teutschen / Verderben woher?] Trachten vnd Bossen darumb erkauffet, vnd den Außländischen all ewre Mittel zuführet, ohn welche sonst sie euch nimmermehr also würden bekriegen, vndertrucken vnd bezwingen können?

All solch Bücken vnnd Ritschen, solch Händ vnnd Füß küssen ist [Rand: Zimpperlich] erzwungen werck; wer sich so gar Zimperlich stellet, der ist ein Heuchler; entweders förcht er sich, oder will etwas bettlen, oder hat ein bös stuck im sinn. Vnter diesen dreyen ist allzeit eines gewiß. Wer Auffrecht vnnd von Hertzen durchgehet was darff er allererst sich also verstellen? die reverenzen sind ein farb des Hertzens, ein anstrich; alles was angestrichen ist, das ist falsch vnd nichts werth; was offen ist, das gehet schlecht zu, darff betrugs gar nicht.

[Rand: Guar. l. 2. / ep. 38. p. 384.] Solch Gaucklen mit Händ vnd füssen ist keim Teutschen angebohren. Es ist Vnteutsch, Vntrewlich; diese Geberden vnnd Gramanzen nehmen alle Vertraulichkeit hienweg, in dem einer [Rand: Vnteutsche / Höfflichkeit] nicht trawen darff, mit dem andern keck, hertzlich vnnd verträulich zu reden, weil man allzeit förchten vnd sorgen muß, Er spotte nur, Er versuche einen nur, Er verlache einen nur, man rede nicht recht, man titulire, man verkehre sich nicht recht.[154]

Dann einmahl last sich alte Teutsche Redlichkeit vnd Auffrichtigkeit nicht bergen noch vertuschen. Einmahl weiß man das diese Gramanzische Sucht den Teutschen nicht angebohren. Einmahl weiß man, daß allen Ritterlichen Teutschen, Alten vnd Newen, allezeit solche scheinende Falschheit zu wider gewesen. Einmahl weiß man, daß die Teutsche Dapfferkeit je vnd allezeit so redlich gewesen, die das Gut gut, das Böß böß vor jedermänniglichen hat nennen dörffen. Einmahl weiß man, daß die Gleißnerey, das Heuchlen, das Schmeichlen dem Teutschen Blut vnd Sitten nicht anderst als das fewer dem wasser zu wider gewesen. Einmahl siehet vnd spüret mans noch alle tag an allen Redlichen, Teutschen Hertzen, an welchen dieses Gifft noch kein theil hat gewinnen mögen, das ihnen nichts mehr zuwider als eben diese Auffschneidereyen in Worten vnd in Geberden. Einmahl weiß man, das die Teutsche Redlichkeit jederzeit hat Mund vnd Hertz bey einander gehabt; welches doch dz grosse Gebrall vnd Grammanzen nicht zulasset. Einmahl weiß man, daß das Hochedele Teutsche Blut auß angebohrner Tugend keiner Nation spinnenfeinder, alß eben denjenigen jederzeit gewesen vnd noch ist, die der scheinbaren Heucheley in Worten vnd Sitten ergeben. Einmahl erfahret man, das solche Hertzen vntüchtig sind vnd in der Heucheley also erweichet, daß sie zu waß dapffers schwerlich mehr mögen angezogen werden. Weich in Worten, weich in Sitten vnd Geberden, weich am Hertzen.

[Rand: Weichlinge] Was ist weicher, dann jener Leib, der keine andere dan eitel weiche Geberden hat?

Was ist das Newe Welt Abentheur, das gar vngestalte vnd gar zu gemeine jetzige Neygen vnd Bücken, Hände vnd Füsse küssen anderst dann ein vberauß grosse Weibische vnd Kindische Weyche vnd Gaucklerische Gelencke deß Leibes? Was ist weycher in den Männern dann allein das verstälte Weibische Lächlend vnd Heuchlend Gesicht vnd Augen? Was ist weychers als allein jenes Gemüt, das sich nach jedes Willen vnd gefallen wenden vnd biegen thut? Was sind vnsere von den Frantzosen kommende oder zu den Frantzosen ziehende vnnd die Frantzosen liebende Teutschlinge anderst als Effaeminatissima Virorum pectora? (Gott verzeihe mir, weil ich diese vns Feindseelige Sprach mit vndermische) welche[155] kein eigenes Hertz, kein eigenen Willen, kein eigene Sprach haben, sondern der Wälschen willen ihr willen, der Wälschen Meynung ihr Meynung, der Wälschen Rede, Essen, Trincken, Sitten vnd Geberden Ihr Reden, Ihr Essen vnd Trincken, Ihr Sitten vnd Geberden? sie seyen nun Gut oder Böß.

O der täigigen Feigen weyche! Darauß eitel forchtsame Verzagte Weychlinge vnd nichts-gültige Weiber-Hertzen werden, die nicht gut noch tauglich, ihre Weibische Weiber, geschweige Statt oder Land zu regieren sind. Dann wan ein solcher Weichling gegen Niemand seine Meynung vnd die Wahrheit mit Ernst vnd Mannlich reden darff, wie wird er darffen die Wehr zucken, wan die offenbahre feinde das Vatterland, als dan geschicht, angreiffen? wie dan ein Jeder Ehrenmann von Gott vnd seinem Blut schuldig ist.

Woher kompt es jetzt in vnserem betrübtem Land, das man Stätt vnd Vestungen so freventlich ohne verschulden angreifft? auch hergegen dieselbe den Erb-vnd andern Feinden so willig auffgibt? allein auß dieser Weyche.

Woher kompt es, das mancher Fürst vnnd Potentat fast nirgend keinen Redlichen Auffrichtigen Diener bekommen kann, welchem er nicht mit grosser Sorg vertrawen müsse? kompt alles auß dieser Abschewlichen Sucht vnd auß dieser Weyche her, das die Diener, so sie ohne Gewissen sind, sich von widrigen durch Geschenck vnd Versprechen gewinnen vnd nach derselben Willen vnnd Meynung lencken lassen.

[Rand: Woher der / Herrschafft vnd / der Diener Vnheil /komme] Woher kompt es, daß mancher Fürst vnd Potentat fast keinen Redlichen Gewissenhaften Diener mehr kann leide vnd behalten? oder denselben seiner trewen Verdienste wegen will Erkennen? Kompt auß eben dieser Verdampten vnd Land-Verderblichen Sucht vnd Weyche her, daß die Herrschafften von Weychlingen, von Fuchsschwäntzern, Auffschneidern, Sitten- vnd Geberden-Narren sich einnemen vnd wider die Jenige so Redlichkeit, Auffrichtigkeit vnnd Warheit lieb haben, verleyten lassen.

Wehe dem Diener, der an seinem Herren vnd Vatterland vntrew vnd ein Verrähter wird! wie können seine Kinder einige Hoffnung haben der Wohlfahrt!

Wehe der Herrschafft, die einen Gewissenhafften Diener wegen der Vngemeisterten vnd Vnvberwindlichen Warheit von sich lasset! Wie kan es anderst sein, als daß ihr armes Land endlich durch die[156] Lügenhaffte Fuchßschwäntzer (welche den mangel vnnd das böse zu sagen sich schewen, vnd nur immer zu nach glatten, weichen, wohlgefälligen Worten vnnd Zeitungen trachten) muß zu grund vnd in das Verderben kommen!

Die Hunde Fuchsschwäntzen Ihren Herren, aber zu rechter [Rand: Die Hunde / lachen mit dem / Wadel] Maaß vnd gebühr; dann auch, wan ihr Herr ihnen zu scharff, oder etwas wider billige Gewohnheit thun will, so zeigen sie ihm die Zäne an statt deß Wadels. Solche Gesellen aber sind mehr dann Hündisch, sie wähen ihren Wadel (Ihre wort, dann was der Hund mit dem Wadel thut, das thut ein Fuchsschwäntzer mit der Zunge: siehe, ein so wüstes Thier bist du, du Fuchsschwäntzer!

Quodque Canis caudâ, tu facis ore, facit.)

zu allen dingen, ohne einigen vnderscheid oder Gewissen, der Warheit oder der Lügen, Gutes oder Böses etc.

Wan ein Rath oder Diener seinem Herren ein schädliches oder Vnchristliches Fürnemmen darumb gut hiesse vnd lobete, weil er vorhien wißte, daß solches seinem Herrn von Ihm annemblichen sein wirde, darüber aber der Herr in groß Vnglück vnd gefahr geriethe; mit was redlichem Ehrentitul und Lohn meynstu, das ein so fürtrefflicher Mann zu verehren wäre?

Ebener massen, als wan ein weycher Medicus oder Artzt bey Fürsten vnd Herren pflegen wolte vnd sprächen: Ey Lieber, oder Genädiger, oder Genädigster Herr, Esset hien mit gutem Lust, dan quod sapit nutrit, was wohl schmackt das thut wohl, das kompt E.G. zu gut! Wie meynestu, das solches Auffschneiden vnnd zu-gefallen-reden, solches süsse placebo dem Herren wirde bekommen? wie meynestu, das solcher Artzt einen Danck erhalten wirde, wan der Fürst oder Herr darüber erkranckete? oder wie wirde er solches gegen Gott vnd in seim Gewissen verantworten?

Erforsche, welcher vnder zweyen Hunden der beste seye? der [Rand: welcher der / beste Hund / seye?] jenig, welcher wachtbar vnd auffmerckig, welcher jeden vnbekanten anbellet vnd vber alles, so ihm mißfallet, murret vnd die Zäne blecket? oder aber der Ander, welcher sich von jedem berühren, streichen vnd Liebkosen vnd ihm seines Herren vnd eine frembde Hand gleich gelten lasset, zu allem stillschweiget vnd vor männiglich den Wadel wähte, jeden lecket, zu jedem heuchelt? wird nicht[157] dieser letzterer seinem Herren in der Noth vngültig vnd an ihm zu einem Verräther werden, in dem er etwan einen Dieb oder seines Herren Feind, den er anbellen vnd beissen solt, Liebkosen vnd zu lassen wird? vnd wird nicht der ander seines Herren Heyl vnnd Glück seyn, welcher den Feind vnd frembden anbellet, ob ihnen murret vnd seinen Herren vor der Gefahr warnet?

O Alte Mannheit, O Alte Teutsche Dapfferkeit vnd Redlichkeit, wo bistu hien verflogen?

Von der Wälschen Weyche kommet es her, daß man sich in allem also verhalten will, das man danck habe vor der Welt, Gott gebe, was die Seele davon trage.

Ob ein Ding dem Gemein-Nutz heylsamb oder schädlich seye, da fraget ein alamodischer Weychling nichts nach, wan nur seiner Gelegenheit, seinem Ansehen nichts geschicht oder abgehet. Wan sie nur Ihren Namen bei Gemeinen vnd mehrers Heylosen leuten nicht verliehren, da lassen sie alles gehen vnd walten; da will vnd mag sich keiner mit der Mannheit vnd Mannlichen Teutschen Dapfferkeit bey den Halßstarrigen oder auch bey den Ansehnlichen feindseelig machen; da will keiner das Vnrecht zu straffen angreiffen; da will keiner das Gute mit seinem Exempel zu fürdern der Erste werden. Wan es aber zum Danckverdienen, zum Geschenck-nehmen, zum Lehen-Bettlen kompt, da will ein jeder der beste vnd Negste daran sein, da streitet man mit einander, welcher sich mit schmeichlen hienzu machen oder das Gemeine Lob deren im Gewissen sich vbel bewusten gewinnen möge! Vnd mercken diese Weychlinge durch Straff Gottes nicht, daß eben dadurch sie ihr ansehen vnnd rechten Respect bey Ehrliebenden Leutten verliehren.

O Pfuy dich Teuffel, Pfuy dich! Was wirden solche alamodische Weychlinge erst thun, wan sie von den Feinden des Vatterlands mit hohen Aemptern, mit Centnerischen Geschencken gelocket vnd gereitzet werden solten? O wehe! da wirde man groß Wunder sehen! da wirde man groß Meer-wunder sehen vnd Ihrer viel von den öffentlichen Feinden vnd Verräthern an Redlichkeit vbertroffen werden, deren die meiste in ihrer Tyrannei weit dapferer vnd mannlicher als viel alamodische Weychlinge in ihrem leben vnd thun sich verhalten.

Vnd o, noch einmahl, du Alte Mannheit, du Alte Teutsche Dapfferkeit vnd Redlichkeit, wo bistu hien verflogen?[158]

Pfuy! Pfuy! fort! fort mit deinen Weychen, Wüsten, Närrischen Geberden vnnd Gäuckeleyen! Pfuy dich, du ellendiger Tropff!


Ein Aedeles Gemüth steckt nicht nur in Geberden

Vnd äusserlichem schein; die Wälsche Höfflichkeit

Verhälet offtermahl den grösten Schalck auff Erden

Vnd deckt ihn etwan zu mit einem Stoltzen kleyd;

Doch, wan Verstand vnd Tugend sind beisammen

sampt der Erfahrenheit,

so ziert die Höfflichkeit

Vmb desto mehr dem Aedelmannes Namen.


Mein, wz Gelts kostet euch dise Narrheit nicht? Es scheinet warhafftig, Gott hab euch Teutsche dahien geschlaudert, daß ihr ewer Gold vnd Silber müßt in frembde Lande stossen, alle Welt [Rand: D. Luth. T. 2. / Jen. f. 481. et / 482.] reich machen vnd selbst Bettler bleiben. Engeland solt wohl weniger Golds haben, wan Teutschland ihm sein Tuch liesse. Franckreich solt wohl weniger Golds haben, wan ihr ihm seine Ceremonien, Geprängs, Auffschneiden, alamode-Bossen vnnd Sprach liesset. Italien solt wohl weniger Golds haben, wan ihr ihm sein Reitten und Fechten liesset. Rechne du, wie viel Gelts eine Meß zu Franckfort auß Teutschland geführet wird ohne Noth und Vrsach, so wirstu dich wundern, wie es zugehe, das noch ein Heller in Teutschland seye. Franckreich ist das Silber vnd Gold-Loch, darein auß Teutschland fleußt, was nur quillet vnnd wächßt, gemüntzt vnd geschlagen wird bey den Teutschen. Wäre das Loch zu gestopfft, so dörffte man jetzt der Klag nicht hören, wie allenthalben eytel Schuld vnd kein Gelt, alle Lande vnd Stätte mit Zinsen beschweret vnd außgewuchert sind etc.

Die zeit war mir trefflich lang vber all diesem Gespräch. Vnd wiewohl ich wußte, daß es warhafftige vnd Rechte Helden wort waren, so wurde mir doch das Stehen an einer stätte so saur, das ich vor müde fast auff den Boden gesuncken vnd mich ein wenig gegen die eine Säule anleinen muste.

Wie soltestu ein Teutscher sein? sprach Herr Tütschmyer. [Rand: Freß vnd / Schleck- / Narren] Ich hör, das du dich gestern vnnd heut mit vnserer Speiß vnd Lager nicht begnügen lassen; vnnd glaube, du meynst, es müsse[159] bey vns Redlichen Teutschen hergehen wie bei den vppigen Wälschen? mit allerley niedlichen Speisen, die mehr zum Schleck, Schwachheit vnd Verderben deß Mänschlichen Leibs angesehen als zu dessen auffenthaltung. Was gedencket ihr vngeschlachte Teutsche, das mit Außländischen Artzneyen, mit Außländischen Speisen vnnd Würtzen, mit Außländischen Trachten, mit Außländischem Trincken, mit Außländischer Weibischer Weychheit ihr ewere Teutsche starcke Leiber also schwächet, ewere Kisten und Kasten eröset vnd ewere Kinder hinder euch zu Bettlern lasset?

Wan ewere Weiber deßgleichen thäten oder thun wolten auß angeborner Weychheit, Schwachheit vnd Vorwitz, so soltet ihr sie mit aller Strenge davon abmahnen vnd abhalten. Aber so kehret ihr es vmb vnd werdet ihr selbst zu rechten Weibern und Mämmen vnd thut vnd trachtet nach dem, was zärtelicht, Weibisch vnd Mämmisch mag geachtet werden, wie von dem Milchmaul Sardanapalus [Rand: Geschrib. /Kronick / Jacob von / Königshoffen] zur Lehr auffgezeichnet worden: Er nahme sich an Wiblicher Werckhe vnd Geberde. Er span Side vnd Garn: Er bletzete vnd negete selber Kuttern vnd Küssen vnd thet Wibes Kleider an.

[Rand: D. Luth. / Tom. 3. Jen. / An. 27. fol. / 327. b.] Da behüte euch Gott Ihr Teutschen, das ihr ja nicht so bald klug werdet, auff das ihr eine gute weile noch gute Zärtlinge bleibet vnnd lasset Wehrlinge vnd Nehrlinge sein.

Hat euch der Redliche Bock nicht genugsam gestossen? Hat er euch nicht teutsch genug gepredigt vnd gelehret? so mag euch der Wolff ein andermal besser predigen; muß dan ewere weise alzeit die beste sein? thut es ein stuck rindfleisch, Speck vnd Saur-Kräut nicht mehr? muß es alles mit Feld-hünern, Wachteln, Krammatzvögeln, Austern, Schnepffen, Schnecken vnnd Trecken verpfeffert sein? Muß es dan mit eitel Melonen, Citronen, Lemonen, Pomerantzen, Ragousts vnd Ollipotridos hergehen? mit solchen Trachten, da mit einer jeden Zwölff arme Mänschen hätten erhalten vnd gespeiset werden. mögen.
[160]

O der verdampten Gastereyen,

Da man mit Wälschen Naschereyen

Offt grösser Gut in kurtzer zeit

Verschwendet, alß sonst tausend Leut,

[Rand: Gastereyen.]

Sich in der grösten Roth zu laben,

In eim Jahr nicht zu hoffen haben!


Was vor Gewissen ist bey euch? woher kompt es, das so viel arme Leut vnder euch erhungern vnnd sterben müssen? Nicht wunder ist es: Vns wundert nur, wie der Segen vnnd die Gnade Gottes euch noch so lang hat beywohnen können!


Mancher Fürst hat ein Wälschen Koch lieb.

Ein Wälscher Koch ist ein Verlippter Dieb.

Wälsche Suppen,

Teutsche Juppen

Zusammen sich nicht reymen wohl,

Ein Teutscher Bauch Teutsch fressen soll.


Es ist durch ewere Läcker-mäuler dahien kommen, das man [Rand: Hier. Bock. / pag. 572. 573. / et 841.] viel guter gemeiner Speisen nichts mehr achtet noch gebrauchet; vnd muß nunmehr ewere Speiß auß den Wählschen Landen, ja gar auß Türckey vnd Indien geholet werden. Will einer jetzund ein Bancket zurichten; so will er solches nicht auß der Kuchen, sondern auß der Apothecken haben, vnd daß mit grossem Kosten. Also strafft euch Gott, wan ihr seine Geschöpff (welche euch zur Nahrung vnnd Gesundheit geschaffen) verachtet; das ihr frembde, vngesunde vnd vnkantbare Speysen vnd Artzneyen (ja ewere eigene Kranckheiten) mit Gelt kauffen müsset.

Da siehe man, der Tropff ist schon so schwach vnd Matt, weil er seine Schleckerbißlein nicht mehr hat, das er fast will vmbfallen vnd nicht wol kan auff den Beinen stehen; so erweiben, erweychen vnnd erzärtlen sie sich mit ihrem vppigen Wesen. Da meynt Ihr Albere Teutschen, Ihr müsset alles ernaschen vnnd erkosten, [Rand: Gua l. 2. c. 38. / p. 378.] davon Ihr nur erzehlen höret. Vnd wie fast Ihr in Kleidung vnd allen anderen Dingen fürwitzig, also in allerley Frembden Außländischen Speisen vnd Getränck, die nicht Hunger oder Durst, sondern allein den Fürwitz zu büssen erfordert vnd mit grossem Vnkosten ersucht werden; als etwan die Austern vnd [161] [Rand: Schnecken / Essen.] dergleichen. Wie auch jener Bauer newlich im Würthauß hiebey sich der Schnecken gelusten vnnd dieselben also rauhe mit Pfeffer vnnd Saltz zerschlinden vberreden lassen; deren auch eine grosse menge geschlunden vnnd ein guten süssen Newen Wein darauff getruncken; hernach bei dem Offen auff der Banck nach der länge sich zum Schlaff nidergelegt vnd den Mund offen behalten; allda die Schnecken eine nach der Andern wider auß dem Maul vnnd nach dem Offengeländer hienauff vnd herumb hauffen weiß krochen, das die beywesenden alle lustig sehen mögen.

[Rand: L.T. 2. l. / p. 738. b.] Es ist euch, Sprach Er weiter, weder zu rathen noch zu wehren; Ihr Teutsche (Ihr Teutsche, die Ihr unser Nachkömmlinge seit mit dem Namen, sonst nicht) seit solche Gesellen: was New ist, da fallet ihr auff vnnd hanget daran wie die Narren, vnd wer euch wehret, der macht euch nur döller drauff; wan aber Niemand wehret, so werdet ihrs bald selbst satt vnnd müde, gaffet darnach auff ein anderes Newes.

Darumb muß man euch Tropffen nur machen lassen, endlich allemahl werdet ihr mit ewerem eigenen Schaden doch witzig werden.

Mich däucht, sprach ich, (also ist mir dise rede im Frevel entwischet) Ich wolte besser wissen, vnd zwar auß Erfahrenheit, wo die Schwache Glieder vnd Weychigkeit, vnd insonderheit mir, [Rand: Sorg und /Forcht] herkäme: Es ist die Sorg vnnd die Forcht deß Ellenden Lebens, darin wir sind, die, nicht wunder, vns die Natürliche Kräfften deß Leibs gar vertrucknen solte. Bey den Alten Teutschen ward Niemand also mit Sorg vnd Forcht beladen, vnnd das gab ihnen [Rand: Münster / Cosmo / gr. pr. vom / Teutschl.] solche grosse Krafft, daß sie so Groß vnnd Starck wurden. Dan wo ein Junger Mänsch in grosser Sorg und Forcht stehet, werden seine Kräfften geschwächet, vnd mag nicht wohl am Leib tügen vnd zunemen, als wan er frey wäre.

Behüte Gott! Ich kundte diese wort nicht wohl außreden, da solte man gesehen haben, wie sich dieser Herr vber solche meine vnbedachtsame Einrede (wie ich dan jetzt selbst bekennen muß) erzürnet vnd mich mit allen bösen Worten vnnd Namen also beladen hatte, dz ich mich dieselbe zuerzehlen noch selbst schäme; aber mir darauß leicht die Rechnung machen kunte, das ich meine sach durch diese allzuvorwitzige Rede wirde trefflich böß gemacht haben.[162]

Vnder dessen, Expertus Robertus der Alte, mir die Lection stattlich her sagte; wie vbel es einem Jungen Kerl anstünde, wan er irgend eine Meil sechß gereiset, ein wenig Vnglück außgestanden vnd etwan einmahl den Grobianus gelesen, das er sich drumb gleich so fern erkühne, das er auch Hochweisen, Mächtigen Helden, Gebornen Herren, Oberkeiten vnd Räthen, darff in die Rede fallen, zusprechen, es besser verstehen, besser wissen vnd sagen wollen; da doch vielmehr ein Junger Kerl bei Weisen Verständigen Leutten [Rand: Apud Patronos / parce] schweigen, vnnd sich nach Ihren Reden reguliren, schicken vnd Gehorsamlichen, mit gebührender Ehrerbietung verhalten solle.

Ach mein Getrewester Herr vnd Freund! sprach ich, Ich hab es ja so böße nicht gemeynet; sondern allein gedacht, dz ich auch ein wenig wolte hören lassen, was ich irgends einmahl erfahren hätte. Es ist zwar nicht ohn, das man bey seinen Obern vnd Befürderern sich nicht herfür thun soll mit Worten, noch sich zu weit an den Laden legen, oder ihnen in die Rede fallen, vnd es besser willen wollen. Wan aber ein Kerl eben allezeit so gar still schweiget vnd zu keiner Sache etwas vor seinen Oberen reden thut, so hat es dz ansehen, als ob er gar nichts wiste oder verstünde, vnd ihm also als einem Vndüchtigen Gesellen an seiner Befürderung offt hoch verhinderlichen fallet. Man hat ja alle weil gesagt, daß man herauß reden solle, was einem vmb das Hertz ist, vnd nicht also hinder dem Berg halten wie die alamodische Heuchler. Ich wolte sonst wohl geschwigen haben.

Das sind deine Einbildungen, sprach der Alte, Aber es ist viel anderst. Gelehrte Leutte vnnd Obern die Vrtheilen viel anderst, sie dörffen auch deß Geschwätz vnnd Rahts der Jugend gar nicht; auß einem Einigen Wort oder kurtzer Rede können sie gar leicht merken, was hinder einem Kerl seye, ob er zu brauchen seye oder nicht; vnd dörffen nicht allererst durch vorgemahlte frembde Weißheit vberredet vnd gewunnen werden.

Aber, Ihr wolt vnser Nachkömlinge sein vnd Ehrliche Teutsche genant werden, sprach Ertz König Airovest widerumb, wie will dan ewer Wesen so gar nicht mit dem vnserigen vbereinstimmen? Wie kompt es, das alle Newerungen von den Wälschen müssen hergenommen[163] werden, so gar, das Ihr euch befleissiget, ihnen auch in den Lastern gleich zu sein? In Fressen vnd Sauffen, in Fluchen vnd Spielen, in Gott-schänden vnd gar verläugnen, in Huren vnd Buben? alles muß Wälsche weiß, auff Wälsche fazon, auff alamode hergehen, in Reden vnd Schwätzen, in Singen vnd Springen, in Jählen vnd Schreyen, in Räncken vnd Schwäncken, in guten Worten, in bösem Hertzen.

Ja ihr Teutsche selbst, auff das ihr euch desto eher vntereinander auffreibet, müßt euch mit Gold vnd Gelt erkauffen lassen, damit ihr ewer eygen Vatterland, ewre eygene Freunde quelen, vndertrucken, außsecklen, verderben vnd in Dienstbarkeit bringen möget. Thurnmeyr, lese du das Saalbuch, was stehet davon?

Hanß Thurnmeyer, der an dem Tisch mitten im Saal saß, blätterte dz vorige Buch ein wenig herumb, vnd in einem huy lase er als volget, vnd wo ich recht gesehen, so stehet es am 225 blatt, dan ich war gemächlich beyseits hienzu gegangen, damit ich sehen möchte, was es für ein Buch, ob es das Gerichtsbuch wäre, vnd ob ich irgend etwas zu meinem vortheil erblicken möchte. Er lase aber also:

[Rand: Aventin lib. 2.] Die Alten habens für die gröste Verrätherey gehalten, wo einer wider seinen Herren, wider sein Heymat vnd Vatterland einem Frembden Herren zu zoge, wie vnsere Teutschen dem König von Franckreich. Ist es ein Verrätherey, wen einer einen einigen Mänschen verräth, so ists vielmehr, wo einer eine gantze Nation, sein Vatterland, so viel an ihm ist, verläßt vnd sich zu desselben öffentlichem Feind hält, vor welches doch ein jeglicher ehe sein Leib vnd Leben setzen soll. Drumb ein jeglicher, er sey, wer er wölle, Geistlich oder Weltlich, Ein Fürst, ein Bischoff, der sich zu seiner Nation oder zu seines Königes Feind verbindet oder Ihm zu ziehet, soll Leib vnd Leben verwircket haben.

Als ich das hörete, erschrack ich vber die massen, dan ich hatte leyder viel Freunde, die in diesem Spital vnsinnig Kranck lagen, für die mir trefflich angst wurde. Derowegen zu ihrem besten [Rand: Vndanckbarkeit / derer, denen / man Guts erzeiget] etwas vorzubringen (so thöricht war ich, vnd noch vielmahl zu meinem grösten schaden, das ich offt für einen andern bathe, der es mir doch meist mit vndanck vnd dem Teuffel belohnet; hätte wohl mehr von nöthen, das ich für mich selbst redete; doch ich will[164] ein andermahl desto vorsichtiger handlen. Ich hab jenen vom Todt erlöst, wan er mich jetzt könte ermorden lassen, er wirde nichts sparen) Sprach ich also im Schrecken, weil ich vorhien etwas hart gescholten worden.

Ehrwürdiger, Allerhochgelehrtester König, Mein Fürstlich Genaden [Rand: Rede eines / Erschrockenen] Herr (in dem ich diese Wort also schreibe, wie ich sie damahlen in der Angst geredet, verwundere ich mich theils vber die Zaghafftigkeit des Mänschlichen Hertzens, welches, wann es zu weilen in ein Vnglück oder Betrübnuß gerathet, auch wohl in Gerechter sach, doch offt an dem ort, da er am allermeisten in seinem reden solt vorsichtig vnd verständlich handeln, auß, kan nicht sagen was für schickung, weiß weder hinder sich noch vor sich zu kommen, weder anfang noch end zu finden, offt mehr wider sich, als für sich redet, offt so gar ohne Verstand, das man nicht weiß, was oder wo oder wovon er will anheben; welches auch zu zeiten Hochgelehrten vnd sonst in der Redgebigkeit hocherfahrnen vnd geübten Männern begegnet. Also gieng es mir Einfaltigen dißmahls auch; ich kunte auß Schrecken vnd Verstockung weder wort noch Namen, weder Anfang noch Ende an meinem Gespräch finden. Aber die Helden, die an meinen Geberden vnd auß vorigem meinem antworten mercketen, das es nicht auß Vorsatz oder Boßheit herkäme, liessen es dißmahl so vngeandet, als ob sie es nicht gehöret hätten, durchschleichen, darumb aber der Alte nachmahlen mich hefftig gestrafft hatte) wan ich etwz hinzu reden dörffte, sprach ich, so wolt ich meinen vnderthänigen bericht deßwegen gern in allen trewen ablegen.

Vnd als mir zu reden erlaubt ward, sprach ich etwas hertzhaffters, dan ich hatte mich erholet: Genädigster Herr vnd König, E. Mayst. sollen versichert seyn, das es nicht zu dem end geschihet, ob sie ihr Vatterland darumb zuverrathen begehrten, sondern auß anderen höheren vnd Staats-vrsachen, so das Gewissen vnd den Glauben betreffen, deßwegen sie vmb hülff suchen, damit sie nicht gar undertrucket werden; dan es ja gegen Gott vnd der Erbarn Welt besser zu verantworten ist, demjenigen dienen vnd zuziehen, der dz Vatterland bei seynen Gerechtsamen hülfft schützen, als dem, der es aller Freyheiten will berauben. Vnd was der Helden-Rathschreiber da gelesen hat, wie gut es bey den Alten mag gewesen sein, so wird es doch bey jetzt uns gar nicht gebilliget, sondern für ein Alt-bäuerischen Eyffer gehalten werden; der deß Vatterlands[165] jetzigen Zustand weniger verstehet als ein Ganß. Dieweil ein ehrlicher Teutscher, der einem frembden Potentaten zuziehet, dafür gehalten wirdt, daß er es vielmehr zu des Vatterlands Heyl vnd Besten als zu dessen vndergang thue.

Auch wohl glaube, das etliche aus Noth (weil sie ihre Dienst dem Vaterland offt angetragen, aber also sitzen blieben vnd für nichts geachtet worden) sich in frembde Dienst haben einlassen müssen. Darumb es scheinet als ob Teutschland selbst seinem Vndergang entgegen lieffe, dieweil es selbst solche Leute von sich stosset vnd mehr siehet nach Frevelen, als nach denen, die Auffrichtigkeit lieb haben; warauß dan die grausame Wildnuß vnd zerrüttung aller dinge endlich muß erfolgen.

Aber Expertus Robertus sagte mir beyseits: Schweig du von solchen Sachen, die du nicht verstehest, still.

Ach wie viel meynstu wohl, die solche Gewissens gedancken haben? wenig vnd sehr wenig. Die Religion thut viel, aber die Duplonen thun noch mehr bey solchen Leuten, welche vmb vner sättlichen Gewissenlosen Geitzes willen ihres eygenen Vatterlands, ihrer eygenen Eltern, ihrer eigenen Kirchen nicht verschonen, wan es zum treffen kompt.

Jedoch, so gehet eines jeden Ehrliebenden Mannes Schuldigkeit billig dahien, das er nechst Gott dem Vatterland vor aller Welt mit Leib vnd Gut trewlich dienen solle: So weit aber erstrecket sich solcher Ehren Gesatz nicht, daß darumb ein Ehrliebender Mann sich vnd die seinige ohne einige gegen erkanntnuß in das ewige Verderben setzen müsse. Du mußt dich nach der Zeit vnd den Leuten schicken; dan weder die Leut noch die zeit sich nach dir schicken werden; vnd must den brauch an jedem ort lassen, wie du ihn findest. Sic enim itur, non qua eundum est, sed qua itur. Diene du dem Vatterland vnd im Vatterland. Will daß Vatterland deiner nicht? Alsdann allererst so ziehe weiters in ein ander Land. Doch diene daselbst also, daß du deynem Vatterlande nützlich seyest; vnd wan Ihr heutige Teutsche diesen Vorsatz habt, so muß ich bekennen, dz vielen wegen deß vngleichen verdachts fast gewalt geschihet. Bevorab, weil derjenige, der deß Gemeinen Wesens Wohlstand liebet, auch die jenige Völcker nothwendig lieben soll, welche denselben Schützen vnd erhalten helffen.[166]

Also schwiege ich still. Die Helden aber ohne antworten thaten, als ob sie es nicht verstunden. Vnd Hanß Thurnmeyer gab mir einen Blick, daß ich vor ihm erschracke, vnd von derselben zeit an ist er mir vielmahlen gar hart gewesen.

Vnd König Airovest sprach ferner zu mir: bistu nicht der jenige, der vor zwey Jahren die wunderliche Satyrische Gesichte [Rand: Satyrische / Gesichte] geschrieben? Ja Gnädiger Herr, antwortete ich. So du nun ein Gebohrner Teutscher bist oder ja sein wilt, was hastu dann für eine weise vnd manir zu schreiben? hat euch der Thurnmeyer, vnd vnsers Neffen, König Withikhunds, Bischoff vnd andere nicht genug gethan in der Sprach? wolt ihr es besser oder ärger machen? ist [Rand: D.M.L.] euch das Wälsche Gewäsch mehr angelegen als die Mannliche Heldensprach ewrer Vorfahren? was hastu in solchen Gesichten mit Wälschen, Lateinischen, Grichischen, Italianischen, Spannischen [Rand: Sprach- / Narren] Worten vnd Sprüchen vmb dich zuwerffen gehabt? meynstu, das man darumb glaube, das du alle solche Sprachen gelernet? warumb legstu dich nicht dieselbe zeit vber auff deine Muttersprach, solche in einem Ruff vnd rechten Gebrauch zubringen, vielmehr, als einer außländischen Zungen also zu Diensten zu sein?

Solche Sprach verkätzerung ist anzeigung genug der Vntrew, [Rand: Sprach-Verderber] die du deinem Vatterland erweisest. Deine ehrliche Vorfahren sind keine solche Mischmäscher gewesen, wie ihr fast mit einander jetzt seit. Wer wolte nicht Vrsach genug haben zu schelten, das du dieses Werck (der du doch den Namen haben wilt, das du gar eines Freyen Teutschen Gemüths seyest, vnd frembdes Geschminck, Schmeycheleyen vnd Lieb-kosen weit verwerfest) also mit allerhand frembden Sprachen (vnd darzu der jenigen Völcker, die euch so listig vnd grausamlich nach ewerer alten Teutschen durch mich vnd ewre Vorfahren erhaltener angeborner Freyheit stellen vnd trachten) verderbet? weil ja deine werthe Mutter-sprach den andern nicht wirde nachgeben, in dem die Wälsche Sprachen meistentheils ihren Vrsprung von der Lateinischen haben, die vnserige aber von anfang her von vnserem Vranherrn Thuitscho von sich, als eine wahre Haubt- vnnd Helden-sprach, selbst bestehet.

Ich will euch, meinen Teutschen, hiemit geweissaget haben, vnd hab es von meinem Vranherren König Saro hiezugegen, vnd[167] Er von vnserm ersten Ertzvatter vnd König Tuitscho verstanden, der also gesagt:

[Rand: Teutschlands / Propheceyung] Es wird eine zeit kommen, weil alle Ding vergänglich sind, wan das Teutsche Reich soll zu grunde gehen, so werden Burger gegen Burger, Brüder gegen Brüder im Felde streitten vnd sich ermorden vnd werden ihre Hertzen an frembde Dinge hängen, ihre Mutter-sprach verachten vnd der Wälschen gewäsch höher halten, wider ihr eigen Vatterland vnd Gewissen dienen; vnd alsdan wird das Reich, das mächtigste Reich, zu grunde gehen vnd vnder derer hände kommen, mit welcher Sprach sie sich so gekützelt haben, wo GOtt nicht einen Helden erwecket, der der Sprach wider ihre maß setze, Sie durch Gelehrte Leut auffbringe vnd die Wälschlende Stimpler nach verdienst abstraffe. O GOtt, welchen Helden hastu dir hie zu erwählet? treibe ihn, auf das diß Werck einen Seeligen vortgang habe!


Der wär ein Narr, der schiffen wolt,

Ob schon das Schiff wär voller Gold,

solt aber gehen zu stücken.

Also Teutsch Hertz vnd wälsches Maul,

Ein starcker Mann vnd lamer Gaul

zusammen sich nicht schicken.


Doch ich will also sagen, sprach König Airouest weiters, [Rand: viel Sprachen / wissen] viel Sprachen wissen, ist nicht vnrecht, dieweil mit Nachbaurn vnd Außländischen Völckern man sich zu vnserm schaden im handel so weit eingelassen, vnd bißweilen denselben muß antworten können, [Rand: 1505] wie Marggrav Jacob von Baden, Bischoff zu Trier, auff dem Reichstag zu Cöln, deß Pabsts Gesandten Lateinisch, den Teutschen Teutsch, den Frantzösischen Frantzösisch, den Venetianischen Italianisch geantwortet hat. Aber solche frembde Sprachen der Mutter-sprach vorziehen, oder also vndermischen, das ein Bidermann nicht errathen kan, was es für ein Gespräch seye, das ist Verrätherisch vnd muß billig nicht geduldet werden.

[Rand: Teutscher / Michel] Ich meyne, sprach er ferners, der Ehrliche Teutsche Michel hab euch Sprach-verderbern, Wälschen Kortisanen, Concipisten, Cancellisten,[168] die ihr die alte Mutter-sprach mit allerley frembden, Lateinischen, Wälschen, Spannischen vnd Frantzösischen Wörtern so vielfältig vermischet, verkehret vnd zerstöret, so das sie ihr selbst nicht mehr gleich siehet vnd kaum halb kan erkant werden, die Teutsche Warheit gesagt!

Ist es nicht eine schand zu hören? Einem frembden Volck zu belieben, sein eigen Heyl vnd Wolfahrt verachten?

Ihr mehr als Vnvernünfftige Nachkömlinge! welches vnvernünfftige Thier ist doch, das dem andern zu gefallen seine Sprach oder Stimm nur änderte? hastu je eine Katz dem Hund zu gefallen bellen, Ein Hund der Katzen zu lieb mauchzen hören? Nun [Rand: Hund vnd / Katzen] sind warhafftig in seiner Natur ein Teutsches festes Gemüth vnd ein Schlipfferiger Wälscher Sinn anderst nicht als Hund vnd Katzen gegen einander geartet; vnd gleichwohl wollet Ihr vnverständiger als die Thiere Ihnen wider allen danck nacharten? Hastu jeeinen Vogel blärren, eine Kuh pfeiffen hören? vnd ihr wollet die edele Sprach, die euch angeboren, so gar nicht in obacht nemmen in ewrem Vatterland. Pfuy dich der schand!


Fast jeder Schneider will jetzund leyder

Der Sprach erfahren sein und redt Latein,

Wälsch vnd Frantzösisch halb Japonesisch,

Wan er ist doll vnd voll, der grobe Knoll.

Der Knecht Matthies spricht bonae dies,

Wan er gut morgen sagt vnd grüst die Magd;

Die wend den Kragen, thut ihm danck sagen,

Spricht Deo gratias Herr Hippocras.

Ihr böse Teutschen, man solt euch peutschen,

Das ihr die Muttersprach so wenig acht.

Ihr liebe Herren das heist nicht mehren,

Die Sprach verkehren vnd zerstören.

Ihr thut alles mischen mit faulen fischen

Vnd macht ein misch gewäsch, ein wüste wäsch,

Ich muß es sagen, mit vnmuth klagen,

Ein faulen Haaffen käß ein seltzams gfräs.

Wir hans verstanden mit spott vnd schanden,

Wie man die Sprach verkehrt vnd gantz zerstöhrt.

Ihr böse Teutschen, man solt euch peutschen,

In unserm Vatterland; pfuy dich der schand!
[169]

Gnädiger Herr, sprach ich, wan ich was reden dörffte, ich wolte warlich beweißlich sagen, diese Schuld wäre nicht der Schreiber, sonder der Herrschafften selbsten. Dan die Herrschafften wollen es also haben, vnd hab ich es selbsten erfahren.

[Rand: Fürstliche / Cantzleyen] Die Herrschafften meynen nicht, dz ein Diener was wisse oder gelernet habe, wan er seine Schrifften nicht der gestalt mit Wälschen vnd Lateinischen Wörtern ziere vnd schmücke; Vnd geschicht offt, das ein gut Gesell, der sich deß puren Teutschen gebraucht, vnd solcher vnteutschen Reden sich mit allem fleiß müssiget vnd enthaltet, für einen vnverständigen Esel gescholten oder wohl gar abgeschafft vnd an seinem Glück wird verkürtzet. Will dan ein gut Kerl irgend ein Dienstlein haben, so muß er sich nach der Herrschafft vnd deren Herren Räthen weise richten vnd ihnen antworten, wie sie fragen, Singen, wie sie Geigen, Tantzen, wie sie Pfeiffen, Schreiben, wie sie es haben wollen. Ich hab selbst offt darwider gescholten, aber was hilfft es? ich bin viel zu gering, das ich es allein ändern wolte.

Fürsten vnd Herren, Stätt- und Schul-Räthe solten da ihre Macht vnd Liebe gegen das werthe Vatterland sehen lassen vnd demselben zu Ehren wegen der Sprach heylsame Ordnungen setzen, verständige Teutsche Gelehrte Männer darauff halten vnd wohl besolden.

Das wäre, sprach König Witichund, wohl besser, als das vmb fremder Wörter vnd Vntugenden willen, als da sind Respect, Reputation, Reformation, Temporisation, Contribution, Raison d'Estat vnd andere verdamliche mehr Sie das Aedele Teutsche Blut so vergiessen lassen.

Es wird (Sprach der Alte zu mir in ein Ohr, welches ich hie in vertrawen melde, doch das mirs keiner nachsage) aber am jüngsten Tage unsern Fürsten vnd Herrn wunderlich vorkommen, wan sie vor GOttes Gericht wegen des Guten, so sie auff so offters zusprechen auß Reputirlicher Vnachtsamkeit vnderlassen haben, eben so beschämpt ihr Vrtheil werden anhören müssen als jetzt die arme Bauren von ihnen.

Doch verstehe ich, sprach er, allein die, welche Kunst und Tugend mehr verhindern als befördern helffen. Die jenige aber verhindern Kunst vnd Tugend, welche auff Thorheiten, Eitelkeiten[170] vnd nichts nutzende Dinge grossen Kosten verwenden; wan es aber an Erhaltung deß Vatterlands Hoheit vnd Würde gehet vnd an dessen Liebhabere, Sie dan alles ersparen vnd erkargen wollen.

Gnädigste Herrn, sprach ich weiters, ich hab solche Sieben Gesichte, von denen E. Gn. jetzund Gnädige andung gethan, vor zwey Jahren, nach vngefährlicher anleitung des Visions de Don Francisco de Queuedo zusammen geschrieben; jedoch weil die in Wälschen Landen gewöhnliche Sitten und Händel eben mit vnserm Teutschland nicht solche durchgehende Gleichheiten haben mögen noch sollen, also auch jene auff vnser Wesen vnd Statum (welchen einzubringen ein Teutscher, der in frembden Landen nicht gereyset wäre, nicht vermöcht hätte) sich nicht wirden geschicket oder gereymet haben, vnd meist auß sonderbarem fleiß mit allerley dergleichen Sprachen also vermängen wollen. Nicht, das ich irgend mangel an Teutscher Sprach gehabt hätte; sondern das man ein offenbares Muster habe, in künfftiger zeit vnd sehe, wie so gar vnsere heutige vnartige Landsleut (auch wohl die jenige, so den Fuß niemahln auß der Mutter Heymat gesetzet haben) solche Vntugend hoch vnd herrlich halten; auch nicht wohl etliche wort reden können, sie müssen ihre angeborne Selbständige Haupt-Sprach mit diesen [Rand: Wälsche / Sprachen sind / Bastart- / Sprachen] Bastart sprachen verunehren. Ja, mit solcher Völcker Sprachen, die doch anderst nichts als vnsere Freyheit vnter ihr Joch zu bringen sich bemühen, vnd deme Tag vnd Nacht mit list und trug nachsinnen. Dan ich selbst solche Einmischung Auß-ländischer wort in vnsern Teutschen Schrifften vnd Handlungen fast hasse vnd schelten thue.

Das ist, sprach Hertzog Herman, ein liederliche Außred mit deren du dich vermeynest weiß zu brennen vnd vns also zu Liebkosen; man darff solcher Muster gar nicht; die Thorheit sitzt euch im Hertzen vnd lehrt sich, wie du siehest, von sich selbst gar leicht; wie schön es Euch aber ziere, das kanstu hier auß vnschwer erachten: alldieweil es ja kein Wohlstand dem Adler sein wirde, [Rand: Teutscher / Sprache Vorzug / vnd Vergleichung] wann Er sich mit Hanen, Raben vnd Gauchsfedern bekleiden vnd zieren wolte.

Der Alte König Saro, so allein bißhero zugehöret, fieng endlich mit einer langsamen mächtigen Stimm also an: Ich will[171] schier glauben, das du ein geborn Teutsch-Kerl seyst; aber die Teutsche weiß zu leben vnd zu reden fast verkehrt vnd verkätzert habest. Vnd ist kein entschuldigung, das du meynst, es sey heut [Rand: Gewohnheit] also die gewonheit vnd der Brauch bey euch. Dan wan schon in angräntzenden Orten vielmehr Newrungen vnd vnarten vorgehen, wie es dan in diesem meinem verderbten Land, Gott erbarms, geschicht, so ists aber doch heutigs Tags dabey nicht blieben, sondern solch Vntugend auch biß vnd weit vber meines Neffen, Königs Airovest, Land eingewurzelt.

[Rand: Parnassus] Dan was du vor von dem Parnassus gesagt, das ist durch vnd durch neben viel andern Mißbräuchen im Teutschland gemein, aber ein schand; weistu auch was der Parnassus den du hast suchen wollen, eygentlichen sey? Ist dir dan vnbekant, was mein Vetter König Brenner mit sambt seinen Söhnen Euring vnd Thessel darvor verricht haben? wolt ihr dan der Griechen vnd Römer Mährlein vnd Großsprechen mehr glauben als der Teutschen Warheit selbsten? was wiltu allererst den Parnassus in Griechenland suchen? hab ich euch nicht in diesen Landen genugsame Stifftungen gethan, Kunst vnd Tugend zu erlernen? Was ist das Academia? das Gymnasium? das Pindus? Ich hab ja in diesen Landen am Rheinstrom vnd Westrich, an meinem Wasser der Saar alhie der allererste verordnet, wie die faule, wilde Leute von ihrem Muthwillen, Grobheit, Frechheit vnnd dem Müssiggang abgehalten, in Zucht, Ehr, Künsten vnd Tugend aufferzogen werden sollen; dahero man sie nach mir und mir zu Ehren die Sarannen, kurz Schrannen, Schranner genant; das sind die alte rechte Teutsche Namen, damit man die Schul vnd Studenten geheissen vnd genennet. [Rand: Schule /Schranne] Dann Schul vnd Schüler sind nicht Teutsche sondern Griechische Namen gezogen von dem Worte Schola σχολὴ, das auff Teutsche Sprach, Mueß vnd Ruhe heisset. Deßgleichen Student vnd Studiren kompt vom Latein Studere das ist, sich fleissen her. Aber von mir hat man bey den alten Teutschen solche ding Schrannen, Schranner genannt, wavon endlich deß Adels-Schule in das wort Schrancken ist erwachsen, biß dergleichen Griechisch- vnd Lateinfresser (wie ihr heutige Welschsüchtige auch mit andern erdichteten hochmütigen Namen) es, einem frembden zu gefallen,[172] geändert, Meine Königliche Majestät veracht vnd vergessen vnd also die frembde Wörter bey euch eingetränget haben. Was wiltu dann solchen Parnassus wie du ihn beschreibst, erst bey den Delphiern suchen? Hic Parnassus! damit ich dir zu lieb auch Lateinisch rede, Hic Gymnasium! Hic Academia est! Hic Pindus! Hic Laurentinum! Hic Tusculanum! Hic Athenae! Hic Roma, Indulgentia! ἰδοὺ Ρόδος, ἰδοὺ Πήδημα, Hic Rhodus est, Hic salta.

Hier in Teutschland sind Schulen vnd gute Künste. In Teutschland kanstu Tugend lernen, darffst nit aller erst in die Wälsche [Rand: Wälsche Tugenden] Lande lauffen, da die Tugend vor langen Jahren schon ihr endschafft genommen; oder, so noch was an Tugend daselbst vbrig zufinden, doch mit Lastern dermassen beflecket vnd besudelt ist, daß man das Gute vor dem Bösen, die Freundlichkeit vor der Hurerey, den Ernst vor der Tyranney, die Häußlichkeit vor der Dieberey, Gute wort vor der Betriegerey, den Glauben vor der Heucheley, das Christenthumb vor dem Heydenthumb schwerlich wird erkennen.

Vnd das noch mehr ist, so sind die Edele Künste in Teutschland [Rand: Künste in / Teutschland / wolfeil] dermassen in auffnemmen, das du thöricht thust, dieselbige anderstwo zu suchen; ja die Künste steigen allererst von tag zu tag also hoch, daß es das ansehen hat, sie seyen noch in vollem auffgehen, vnd künfftiger Zeit so weit kommen möchte, das auch die Kinder werden von grosser wissenschafft reden vnd beydes die Griechen vnd Wählschen in ihren Auffschneydereien vberweisen können. Laß dich also genügen an dem, was dir dein Vatterland durch der Vor-Eltern fleiß selbst mit beyden händen vnd mit höchster Trew darbietet.

Es war bei halb sechs Vhren, biß König Saro seine Rede zu End gebracht. Endlich hieß Herr Teutschmeyer mich beneben meynem Beystand, dem Alten, abtretten, Hanß Thurnmeyern aber ward befohlen zu bleiben vnd das Vrtheil zu verfassen.

Nach einer Viertel stund wurd ich ich neben dem Alten wieder eingeruffen, vnd als ich zuvorderst in die Hand Hans Thurnmeyers auff erfordern angelobet, allem dem, was mir wirde anbefohlen[173] werden, getrewlich nach zukommen, hatt er mir meinen Bescheid vorgelesen: O Mein Gott! Wai hunn aich gezöddert? aich hunn gezöddert aß an aspelaub! (sprach Vixen-Hansen-Jäckels-Dummes-Nickel von Lebach).

[Rand: Philanders / Vrthel] Vnd als man mir sagte, fleissig auffzumercken, lase Herr Thurnmeyer von wort zu wort also: In sachen der Vralten Edlen Teutschen Helden, als hochgenöttigster Klägern an einem, vnd deß genandten Philanders von Sittewald, Beklagten, andern theils. Dieweil auff eingenommenen bericht vnd auß allen Vmbständen erscheint, auch beweißlich ist, das Philander von geburt vnd Eltern zwar ein inngesessener Teutscher seye, doch aber (sobald ich dise wort »Zwar« vnd »doch aber« gehört, hatte ich mir die Rechnung meines vrtheils leicht machen können) auß etlichen vngebührlichen Anzeigungen vnd Newrungen, widerigen verdachts vrsach geben; Als ist zu Recht erkandt, das Beklagter, auff geleistete Bürgschafft vnsers Lieben Getrewen vnd Helden Raths Experti Roberti der verhafftung zwar erlassen sein, doch an Eydstatt mit handgegebner Trew angeloben soll, ohn gnädigste Erlaubnuß auß unsrer Burg-zwang nicht zu weichen; sondern in derselben so lang vnd viel sich auffzuhalten, biß man deßwegen gnädigster Güte nach fernere Verordnung wird thun lassen. Vnterdessen ihm frey stehen mag, die in dem Burgzwang ankommende vnd fürgehende Handlungen zu sehen vnd zu hören, ohne hinderung einiges Mänschens. Vnd weil Kläger vber das in etwas vnsers Teutschen Herkommens schrancken in Kleidung, in Geberden, Sprach vnd anderm vberschritten, als ist zu billigmässiger Abstraffung vnd Zäumung solcher einreissenden vnverantwortlichen Thorheiten für gut eracht worden, dz Er, Philander, damit künfftiger zeit vnser geliebtes Vatterland nicht gar in Wälschen Vntugenden zu grund gehe, in zeit dreyer Monden diese Land biß auff acht Meylen wegs raumen, sich in eine gelegene Teutsche Statt begeben, allda die wälsche Trachten abschaffen, den Baart auf Teutsch wachsen lassen, die wälsche Alamode-Kleydung einstellen, sich Erbar vnd vntadelich tragen; an statt der Feldhühner, Wilprets, Geflügels, Schnecken vnd anderer schleckbißlein sich mit Rindfleisch begnügen, die Muttersprach rein vnd vnverfälscht reden, mit keinen fremden Wörtern[174] beschmitzen noch verunehren solle. Auch schuldig vnd verbunden sein, wann vnd wie offt wir es von ihm erfordern werden, wider solche new vnd wälschsüchtige Sprachverderber vnd Namenflicker in Teutscher sprach (durch vermittelung eines auß vnsern alt-Teutschen-Geblüts-Helden, dem wir solches zubefürdern anlaß geben wollen) zu schreiben; wie nicht weniger alles dasjenige zu thun, was einem gebohrnen ehrlichen Teutschen zu seines Vatterlandes Heyl vnd Bestens befürderung ohne das gebühret vnd wolanstehet. Alles bey vnaußbleibender straff deß verderbens, so Beklagter in ichtwas deme nicht nachgeleben thäte, die wir uns aber eines bessern zu ihm versehen wollen. Außgesprochen vorm Teutschen Helden-Rath in vnserer Burg Geroltzeck im Wassgau. Vff Ruhdulffs tag, im Jahr der Christen 1641.

Nach verlesenem welchem Bescheid neben meinem Beystand ich mich deß Vrtheils gleichwohl demütig bedanckt vnd also mit gnädigster Erlaubnuß dißmahl meinen Abschied genommen; da ich dann bey dem Alten in seiner Kammer zu bleiben zugelassen worden.

Als ich aber in den Hoff kame vnd der Alte (der ein wenig in herrschafftlichen Geschäfften anderwärts zuthun hatte) mich ein kleines allda seiner warten hiesse, kam indessen einer in einem gelben Haar an mich, (meines erachtens von den Trabanten, so dem Ertzkönig vorigen Abend auffgewartet) der bate mich in wartung deß Alten mit ihm in dem Garten nechst hinder der Burgmaur zu spatzieren, dem ich dann folgete, weil ich mich gegen ihm, als einem Mann dem ich alles guts wünsche, auch vbels gegen ihm niemahlen begangen hab, nichts arges versehen kunte.

Sobald ich aber in den Garten kam, welchen Er nach ihm zu rigelte, geriethe er an mich, vnd mit aller Gewalt muste ich ihm meine eigene Strimpf (ein par gelb Seiden Strimpff) vnd Schuhe außziehen vnnd in handen geben. Wiewol ich aber für Gewalt bate, mit begehren, mir die vrsach solcher Vngunst zu sagen, kunte ich doch andere Antwort von ihm nit gehaben, als nur, daß es mir nicht gebührte, in der Burgzwang gelbe Strimpff vnd weisse Schuhe zutragen; sondern wo ich nicht saur angesehen sein wolte, in schwartzer Kleidung auffziehen möchte, weil ich ja durch Vrtheil vnnd Recht vor dem Heldenrath allerweile dahin verwiesen wäre worden.[175]

Mein lieber Herr, sprach ich, Ich hab den Herrn für ein so gar feinen Auffrichtigen Herrn gelobet vnd mich alles guten zu ihm versehen; es ist gleichwohl nicht recht, dz er mich also in der Noth ohne gegebene oder habende recht mässige vrsach noch mehr beunruhigen vnd beleidigen will. Er siehet ja, daß ich auß Nothurfft vnd nicht auß Hoffart solche Kleider trage, Er gebe mir schwartze Kleider her, so will ich ihm diese da gern geben. Es ist ja besser, ich trage was ich hab, als daß ich gleich zu einem Kauffmann hienlauffe vnd vnbillige schulden mache, welche nach meinem Todt allererst müssen bezahlt werden. Zudem, ob ich zwar in der Burg zu bleiben so wol als Er jetzt macht habe, so ist es gleichwol ein anders mit mir, indem ich nicht in Leibdiensten bin wie Er, sondern allererst erwarten muß, was GOtt vnd das Glücke auß mir will machen. Vnd wann dasselbige mir einmahl so wol wollte, ich nicht nur gern vnd willig nach dem Burgbrauch in schwartzer Kleidung gehen, sondern mit Gottes hülff auffs wenigste solche Dienste thun wolte, als Er vielleicht mag thun können. Wo auch dieses wider verhoffen nicht geschehen solte, so nehme es mich gleichwol wunder, was er da von der schwartzen Kleidung sagen mögen? warum dann Er nit auch ein schwartzes Haar trage? Eben als wan der jenige nothwendig schwartz bekleidet sein müßte, der ein Ehrlich mann sein wolte, welches [Rand: Aberglaubische / Kleidung] eine Aberglaubische Kleidung wäre, vnd eben so sehr zu schelten als der jenigen vnart, welche sich alle tag auf Alamode in Newe Trachten schäfften lassen.

In wärendem Gespräch der Alte, der mich da anzutreffen erkundigt hatte, an die Thür kam, vnd als ich ihm auffgethan, meine Noth geklagt, vnd gesagt wie es mir so vnfreundlich ergangen hätte, befahl er also balden mit allem ernst, dz mir meine Schuhe vnd Strimpff wider zugestellet wirden, dessen ich mich bedanckt, mit dem versprechen, daß ich mich künfftig kleiden wolte nach dem mein Seckel vnd dienste wirden erleiden mögen.

Führte mich also der Alte mit sich in sein Gemach, allda es mir vmb ein merckliches besser zuschluge als vorigen Abends.

Gleich bey einer halben Stunde nach sieben Vhren ward der Disch gedeckt, das Essen angericht vnd auffgetragen.

Zu dem Disch kamen der Alte Expertus Robertus, Hanß Thurnmeyer, Freymund, Mannhart, Gutrund, Kühnrath, wie ich[176] ihre Namen hernach erforschet hatte, welche vier letztere bey den Helden auch in Bestallung waren, vnd Ich.

Zwey Ding hab ich in währender Mahlzeit insonderheit in acht genommen. Erstlich daß Gespräch, so die beysitzende Herren meiner Person vnd Vrtheils wegen gehalten, vnd das, als ich den Salat, so das erste Gericht war, mit der Gabel essen wollen; wie grausamlich sich die Auffwartere, vnd wie von herzen die Beysitzende sich meiner zerlacht hatten.

Ich meynte, sprach der Alte, der Alamode solte dir heut vergangen seyn. Diese Thorheit, den Salat mit der Gabel essen, [Rand: Salat-Essen] haben deine Vorfahren auch von den Wälschen gelernet; vnd ich dachte anderst nicht, als es wird dieselbe langst wider erloschen sein gewesen bey Euch; weil ich aber das Gegenspiel sihe, lieber so erinnere die guten Teutschen bey deinem Rückkehren, daß sie fürthin solche nach der Wälchen vnart schmackende bossen abschaffen wollen.

Ich esse, Sprach Hanß Thurnmeyer, wie ein Rechter Redlicher Boyrischer Schwob; wo zu sollen mir sonst die Finger? wie kan mir der Salat wol schmacken, wan ich ihn nicht mit den Fingern Esse? wan du die Hände gewaschen hast, was schewestu dich, den Salat recht anzugreiffen?

Vnd ich muß jetzt bekennen, seit derselben zeit ich ihm gefolget, das mir der Salat nie so wohl alß jetzt geschmackt habe.

Das Disch-gespräch wegen deß Alamode vnd meines Vrtheils fieng Hans Thurnmeyr ebenmässig an mit diesen worten:

Landsmann, es muß dir heut fast bang gewesen sein, vnnd nicht ohne, dan sonder den guten Beystand glaube ich sicherlich, es wäre so wohl nicht abgeloffen. Wan jedem Alamode-Kerl also abgezwagt wirde, Ich glaub, die Thorheit solt ihnen gesamt vergehen.

Sprach Freymund, vnd wan ich den Alamode zu reformiren hätte, ich wolte ihm hände und füsse abschlagen.

Hoho, dachte ich, der ist nicht gut auff deiner seitte, wiewohl er hernach fast mein bester freund geworden.

Gutrund: Es ist ein Ellend, das sich vnsere Teutsche also vernarren, vnd wan jedem also abgezwagt wirde als dem Philander, ich glaube es solten wenig Alamode mehr gefunden werden.[177]

Mannhart: Ja, insonderheit solche Trachten, deren man sich viel mehr zu schämen alß zu rühmen.

Künrath: Löblich ist es an vnserer Oberkeit, das sie solchen Thorheiten mit allem Ernst vnd Eyffer begehret zu wehren.

[Rand: Vrsprung der / Kleider] Expertus Robertus: Der Erste Rechte wahre Vrsprung der Kleydung kompt von vnserer Vntugend, Sünde vnd Lastern her. Adam vnnd Eva, vnsere Groß-Eltern, werden mir dessen Zeugnuß geben, ohne welcher Grausamen Fall wir der Kleider niemahlen bedürfft hätten. So ist es auch nachmahlen mit fast allen Stücken, die wir am Leibe tragen, ergangen; da auß Noth vnd wegen eines Sündlichen Schandfleckens jemand zu bemäntelung vnd beschönung desselben was von Tracht auffgebracht, ein anderer aber, der solchen Mangel nicht hatte, gleichwohl darauff gefallen vnd es nachgeäffet. Daher dan der Alamode vrsprünglich entstanden.

[Rand: D. Osiander / Hoffarts / Predigt] Die Kröse oder Krausen sind anfangs von den Jenigen erdacht worden, welche nach eingerissener Frantzösischen Seuche in Teutschland die vberbliebene Schandflecken am halse bedecken wollen; vnd gleichwohl sind andere, die solche wüste Flecken nicht am Leib hatten, zugefahren vnd je eines einen Grössern vnd Kostbareren Kragen haben wollen.

[Rand: Masquen] Hanß Thurnmeyer: Also heuttigs Tags ein wüstes, vngestaltes, verhöntes Beflecktes Jungfrawen-Gesicht hat zu beschönung vnd bemäntelung solcher Vnstalt die Masquen vnd den Flur erdacht, damit sie ihr Gesicht dahinder verbergen möchte. Ein schönes, wohlgestaltes, Himlisches, Engelisches Bilde vnnd Gesicht hat solche Thorheit gesehen vnd gleich alsobald nachgeäffet vnd nicht betrachtet, warumb der andere Vnlust solche Thorheit erfunden hatte; da sie vielmehr alle Masquen vnd Dücher vom Gesicht solte wegkaufft haben, nur das man dz schöne Gesicht hätte sehen vnd loben vnd [Rand: Weite Ermel] lieben mögen. Also ein vngestalte, Hockerichte, Buckelichte hat anfangs die Grosse weite Ermel auffgebracht mit dem schmahlen Rücken, damit sie den Hoffer also darunder verbergen mögen; Andere die von geradem, wohlgestaltem Leibe waren vnnd solche Tracht nachmachen lassen, sind desto thörichter gewesen, weil sie den Mansleuten vrsachen deß verdachts geben, ob solten sie mit gleicher vngestalteten Krümme am Leib verstellet sein.[178]

Also eine lose Schandhur, die mit einem Vn-Ehelichen Kind [Rand: Speck vnd / Reyff Schürtze] Schwanger gangen vnd solchen Ihren Vnehrlichen Bauch vor der Welt verdecken wollen, hat die Grosse gepulster vnnd Reyffschürtze anfangs erdacht vnd auffgebracht; vnd Ein Ehrliche Jungfraw, die von keinem Mann wuste; Ein Ehrliches Eheweib, das ihren Schwangern Leib von Gottes Gnaden vnd mit Ehren truge, hat solche Ehrlose Tracht nach gemacht vnd nicht betrachtet die Vrsach, warumb es die Erste erfunden hatte. Ist das nicht zu erbarmen? dannenhero die Frantzosen selbst solche gepulsterte Weiber-Kleydung, des Cachebastards, Huren-Kleider oder Blinde Bastardt haben zu nennen pflegen.

Also gewiß die meiste Alamode-Trachten vnd Newrungen in Kleydungen von Vnehrlichen Stücken vnd Vrsachen Ihren Vrsprung her haben.

Künrath: Hans Thurmeyer ist wegen seiner bösen Hauß Mutter nur immer vber den armen Weibern. Haben dann die arme Leutlein das Vnglück aber alles allein gemacht? Haben dann die Männer nicht gleiche vnd wohl grössere Thorheiten wegen deß Alamode begangen?

Sie sind ja eben so thöricht in ihrem Kleydertragen alß die Weiber selbsten, vnd nemmen eben so wenig in obacht die Vrsachen, warumb eine oder die andere Newrung in Trachten Ihren Anfang genommen habe.

Dann ein Krummbeiniger vnnd der Schenckel hatte wie ein Rebstecken, hat anfangs die lange Hosen (so man vor eim par [Rand: Hosen] Jahren noch getragen) auffgebracht, seine vngestalte Schenckel also dadurch zu beschönigen. Ein Rechtschaffen Wohlgestalt Kerl, der schöne grade wohlgestalte Schenckel hatte, hat solche thörichte Tracht eben wohl nachgemacht, da er vielmehr die Hosen mit einer Axt hätte sollen weghawen lassen oder gar abziehen, damit man seine Wohlgestalte Leibes-Glieder nur hätte sehen mögen.

Expertus Robertus: Meines erachtens solten die, so Newe, von anderen erfundene Trachten nachtragen wollen, bedencken die Bequemlichkeiten vnd Vrsachen, zu was Ende? zu was Nutzen vnd Vortheil sie erfunden worden? vnd wo sie Vrsprünglich herrühren?

Dann, wie heut im Heldenrath gesagt worden: Einer trägt ein langen Regen-Mantel, damit er die Stiffel bedecke im Reitten; [Rand: Langer / Mantel] darumb thut derjenige närrisch, welcher stets zu hause bleibet vnnd doch einen solchen Mantel mit aller Macht will antragen.

[179] [Rand: Grosse Stiffel] Jener trägt lange Stiffel, weil er Reitten will; Drumb so thut der jenige Närrisch, welcher nie geritten hat vnd doch solche Stiffel will antragen. Jener trägt ein Chapeu de fuyart, Einen [Rand: Hut] Münster-Käs-Förmigen Hut; weil er in das Feld muß, zu Feld sein vnd bleiben muß, die Post Reitten vnd Reysen muß, damit er ihn möge in den Kopff ziehen, damit ihm der Wind denselben nicht abwähe oder von sich selbsten abfalle, wan er außreisset. Darumb so thut der Närrisch, der einen solchen Hut zu tragen sich selbst zwingen will, so er doch allezeit daheime vnnd zu Hauß verbleibet, dann er betrachtet nicht die Vrsach, warumb Jenner einen solche Form deß Huts vor anderen hat erwöhlet.

Jenner gehet vber Land, vnnd in mangel pferds trägt er einen Stecken in der Hand, an den Er sich steyret. Dieser, so nur in der Statt vmbher stutzert, thut es ihm nach, da er doch weder durch dick noch durch dünn zu gehen hat, sondern den fuß hiensetzen mag, wo er selbst gern will; thut derowegen Närrisch.

[Rand: Waidmann] Also ein Aedelmann, ein Falckner, Ein Waidmann, Ein Wildschütz trägt einen gantzen abgezognen Otter, anstatt eines par Handschuchs an, weil er vnlängst denselben Otter hat geschossen. Er trägt einen Busch Kranich- vnd Reygerfedern vff dem Hut, weil er vnlängst einen geschossen hat. Dann das ist billig vnd stehet dem vber alle massen wohl vnd zierlich an, der auff den fall erweisen kan, daß er der Mann seye, der solche That gethan hat. Daß aber ein anderer in der Statt, der nicht weiß, wz hetzen oder baissen ist, der seine tag kein Fewr-Rohr gesehen, kein Bürsch-Büchß kennet, viel weniger abgeschossen, viel weniger aber einen Otter, Kranich oder Reyger getroffen hat, ein solches nach thun will, das ist Närrisch vnd so lächerlich, das ich in mir selbst von Hertzen lache, wo ich dergleichen einen sehe bey mir vorüber gehen. Noch thun es doch etliche, weil sie auß Vnvollkommenheit ihres Verstands vnd auß mangel der Erfahrung nicht wissen mögen, warumb der andere dieses oder jennes zu tragen berechtiget seye oder Macht habe.

[Rand: Hutschnüre] Ein Kutscher trägt eine Hutschnur von Pferdshaaren; die Narren machens nach vnd tragen auch solche Hutschnür, die doch theils nicht wissen, wo die Pferde die Schwäntze haben.

[Rand: Haarpülffern] Ein Alter Greyse pülffert sein Haar, will das eckelende Frawenzimmer[180] dabey vberreden, seine Haar wären nicht Alters halben graw; sondern er hätte sich mit dem Cyperpulffer also geruchs wegen gepüffet. Das aber thut er zu dem End, damit er noch für einen Hürnin-Seyfried möchte angesehen werden, der die Jungfraw könte von dem fewrigen Drachen, so in ihrer Schoß rastet, erlösen. Deßgleichen thut auch Eine Alte Närrin, die noch gern einen Jungen Mann hätte.

Die liebe Jungfrawen, so noch im besten Alter sind vnd sich [Rand: Schwartze / Haar] ihrer Kernhafften Lieben Schwartzen Haare nicht zu schämen, sondern zuerfrewen hätten, thun deßgleichen, machen ihre Haare auch grauw; die doch nimmer wissen noch bedencken, warumb jenne Alte solchen schminck anfangs erdacht haben.

Gutrund: Vber das, sind noch viel vnzählige thorheiten. Dann da tragen sie Hutschnüre, von Seiden, von Gold, von Silber, von Attlaß, von Daffat, dann gestickt, dann geschlagen, dann geflochten, dann Rund, dann aus Fädemen, dann breit, dann viereckicht, dann von Haaren, von Roßharen, von Jungfrawen Haaren (Ach wie mancher Monsieur ist mit solchen Haaren betrogen) von weiß nicht waß.

Dann Vmbschläge, oder Vberschläge (die vnsere Newlinge Rabbat nennen) einer Ehlenbreit, dann eines halb Viertelsbreit. Dann vornen zugleich, dann mit Zipfflen spannen lang.

Dann Stiffel, dann Schue, dann Dägen, dann Wehr-gehencke, dann Sporen, dann Wambs vnnd Hosen, dann Hüte vnnd Strimpff, dann Nestel vnd Bänder, das sich zu verwundern.

Meines theils, sprach Mannhart, halte ich dafür, das solche Newe Trachten nicht allezeit zu schelten seyen; sondern wegen ihrer Gemächlichkeit je zu weilen zu loben, wan sie auch vrsprünglich von Thoren herkämen; dann auch ein Thor zu zeiten was nützliches vnd ein Blinder ein Huffeysen findet. Vnd die Kleider sowohl als die Sprach sich nach der Zeit richten müssen. Dann so [Rand: Fraw. Zim.- / Gespräch / Spiel. Erst. / theil. 13.] man allezeit bey der Ersten Tracht vnd bey der Alten Geigen bleiben solte, so wirde volgen, das wir gar Nackend oder in Feygen blättern dantzen müsten.

Nicht ohn ist es, sprach Expertus Robertus, dz sowohl die [Rand: Vrsachen der / Newerungen][181] Kleider alß die Sprach sich nach der Zeit richten müssen. Ja, der Sachen gründlicher nach zu sinnen, so finde Ich, das solche Enderungen alle ex Fatis et Influentiis vrsprünglich herrühren; vnnd wie die Königreiche, ja die gantze Welt, ihre Fatales periodos, Mutationes, Incrementa, Decrementa vnd Eversiones, Ihre Enderungen, Ihren Auffgang, Abnehmen, Vndergang vnnd Wechsel haben; also auch die Sitten vnnd Geberden, die Sinne vnd Gedancken, das Dichten vnd Trachten der Mänschen solchen Enderungen (doch nicht auff Stoische Heydnische weise) vndergeben seyen.

Zum beweiß nur diese Ewere Zeiten zu besehen, sprach er zu mir, da ihr halb vnd halb seit; halber L'un halber L'autre; halb Teutsch, halb Wählsch. Ewre Hertzen sind auch also; dann wer hat beständige vnbefleckte rechte Teutsche Trew im Hertzen? wenig; wie solten dan die Wort anderst sein, welche auß dem Hertzen Vrsprünglich herrühren? wie solten dan die Kleidungen anderst sein, die sich nach dem Hertzen richten? Bastart-Hertzen, Bastart-Sprachen, auß welchen letzlich die vnehrliche, vnehliche Mißgeburt gezeuget wird, so man Complimenta nennet.

Dann wie wolte müglich sein, das sonst solcher vngereymte wechsel vnnd Newrungen der Kleydung solte geduldet oder von männiglichen so geliebet werden. Da wollen die Jungfrawen tragen, was den Jung-Gesellen gebührt; die Jung-Gesellen wolten gern haben, was den Jungfrawen zustehet. Die Jungfrawen haben freche Mannshertzen; die Jung-Gesellen feige weyche Jungfrawenhertzen. Der Weib will die Hosen anhaben, die Mann will den Rock anziehen.

[Rand: Farben] Ja die Farben sind jetzt also; wo findet man einen, (Ich rede von solchen Newlingen, von denen es heisset, Astra necessitant, die den Thörichten Einfällen in allem Knechtisch zu eigen vndergeben sind vnd wider die einfliegende Eitelkeiten nicht streitten wollen) der eine rechte selbstständige Farb will lieben vnd tragen, als Schwartz, Weiß, Blaw, Gelb oder Grün? sondern newe halbscheinende Farben, die halb blaw, halb weiß, halb Schwartz, halb gelb, halb grün sind u.s.w.

Recht! Bastart farben, weil Sie verbasterte halb-ehrliche[182] Gemüter haben, Columbia, bleu-mourant, Isabelle, Coquinelle etc.

Die Alte Teutsche habens recht genant, Leichte (Leichtfertige) farben, als Leichtbraun, Leichtblow, Leichtroth, Leichtschwartz, Leichtgrün etc.

Ja, wie gesagt, die Natur selbsten ist also dißmalen in ihrem periodo vnnd vmbgang beschaffen. Wann hat man Blumen gesehen von so mancherley gemängten halbscheinenden Farben als jetzt?

Der Boden gibt es jetzt also, der Boden wircket es also, auß denen Ihne bewegenden Oberen Vrsachen, welche zu gewissen zeiten so vnnd so in jhrer Würckung pflegen. Worin aber solche vnbeseelte Creaturen zuentschuldigen sind, weil sie bloß der Wirckung der Natur vndergeben vnd folgen müssen; die Mänschen aber durch die von Gott gegebene eingepflantzte Vernunfft all ihr Thun vnd Lassen, Dichten vnd Trachten erforschen, dem bösen mit macht widerstehen vnnd das Gute mit frewden zur Ehre Gottes fortsetzen sollen.

Wann das ist, Sprach Mannhart, so thun meines erachtens dann die jenige auch fast thöricht, welche mit Gewalt erzwingen wollen, das man sich in gewisse Farb, alß in Schwartz, Kleyden müsse, vnd wer nicht also einher ziehet, gleich vber achsel angesehen werden; die davor halten, es könne keiner ein Ehrlich Mann seyn, der nicht also gekleidet gehe.

Daß wäre, sprach Expertus Robertus, ein rechter Aberglauben im Kleyder tragen, vnd wirde manchem vbel gesagt sein, der nicht gern schulden machen, noch sich mit vberfluß in Kleidern beladen wolte. Vnnd meyne ich, das nicht die Befürderung an den Kleidern, sondern die Kleider an der Befürderung hangen sollen. Vnnd wo einer sein Brod her zu gewarten hat, das er sich auch alsdann nach seines Herren Willen richte vnd trage. Dann mancher, der sich ohne versicherte Wohlfahrt mit solchen Kleydern vbereylet, ihm vnd seinen Kindern einen solchen Schulden last auff den Halß ladet, das sie sich dessen endlich wohl zu schämen haben.

[183] [Rand: Complimenta] Der Herr, sprach Freymund zu dem Alten, hat erzehlet, das Complimenta ein vnehrliche Mißgeburt seye. Weil ich aber von dieser Mißgeburt offt wunder dinge gehöret, doch seiner eigentliche Deuttung noch nicht recht außgründen mögen, bitte ich vmb ferner deren Erklärung. Es soll den Anwesenden Herren ja nicht zu wider sein können?

Die Frantzosen, antwortete der Alte, wollen das Wort Complementum deuten alß Completamentum, ex Completa Mente, Eine Vollkommene-Gemüts-erklärung. Aber ich wollt es beweißlicher herbringen von Completum Mendacium. Dann es sind ja freylich andersts nichts als grosse Wort ohne Nachtruck, Auffschneidereyen, Lügen.

Ja, es ist recht Nachdenckliche Krafft in diesem Wort verborgen. Compli-menteur, ein Prächtiger, Höfflicher Reder, Großsprecher, Ein Auffschneider vnd Lügner.

Dann wie kan es immer müglich sein, das ein Teutscher, der von art nicht viel wort macht, nicht viel Schwätzens vnnd Großsprechens achtet, seiner Natur zuwider es mit so läppischen Babbeleyen recht meynen solte? Warlich, dieses wort Complement, dessen wirckung jetzt im höchsten grad stehet, gibt zuerkennen was wir für zeiten haben. Dann auch in den Worten eine solche heimliche Krafft vnd Nachtruck zu zeiten stecket, das grosse Dinge darauß können ersehen vnnd erkundiget werden.

Wie die Zeiten sind, so sind die Wort; vnd hinwiderumb, wie die wort sind, so sind auch die zeiten. Verba ut Nummi. Es ist vnsere Sprach dißmahlen in ein recht Kipper-Jahr gerathen; Jeder beschneidet, bestimmelt dieselbe, wie er will, gibt ihr einen Halt vnd Zusatz, wie er will. Vnd wie solche leichte Müntzen, wie weiß sie auch gesotten sind, dannach anderst nichts in sich haben als Kupffer am Halt, also alle solche heutige Auffschneidereyen, wie schön sie äusserlichem Thon nach lauten, sind im Hertzen doch nicht eins drecks werth: vnd wan sie am besten sind, vnnd du meynest, du habest nun alles, was du begehrest, so weissestu im außkehren weder daß, was du begehret, noch daß, was man dir geben, vor einander zu erkennen, dann der Wind führet die[184] Wort darvon; vnd so wenig, als du den weg eines Vogels wirst finden können in der Lufft, so wenig wirstu den Nachtruck solcher Auffschneydereyen spühren mögen.

Nun wissen wir, sprach Freymund, wie diese schöne Geburt geartet seye. Gott wolle das arme Teutschland davon reinigen.

Es ist ein rechte Vnsinnigkeit in solchen Newen Alamode Trachten, vnd sage noch, die Oberkeiten solten solche Funcken an dem Leben abstraffen.

Dann man siehet, das sie mit solchem Eyffer vnd Ernst in solcher Leichtfertigkeit verfahren, so verpicht vnd verpasst auff solche newe Thorheiten sind, das ich dafür halte, wan sie sehen einen Wälschen, einen Farrenschwantz, oder einen Treck in der Faust tragen, sie es gleich für etwz Alamodisch halten, vnd mit sonderem lust nachthun wirden.

Dz wäre, Sprach Gutrund, ein wüster Alamodo, ein stinckender Alamodo. Pfuy Teuffel! wan dem allem also ist, so müssen die vnbedachte Newsüchtige ja in ihrem Hirn vbel verwahret sein, das sie der so kostbaren Thorheit sich dermahlen nicht entschlagen wollen.

Ja wohl entschlagen, Sprach Hans Thurnmeyer, die Narren belieben sich in ihrer Narrheit selbsten, biß zu ihrem gäntzlichen Vndergang vnd Verderben. Dann Narren sind Narren vnd bleiben Narren, so lang sie leben.

In wärendem Gespräch, alß wir nun nach vollendeter Maalzeit auffgestanden, sprach Freymund: Ich glaube ja, sie sind Narren vnd bleiben Narren, solche Newsüchtige, Geltverschwendende Vnteutsche Teutschlinge, Ja ich glaub, sie sind die grösseste Narren die man möchte finden.

Was deucht den Herren, Sprach er zu Expertus Robertus, welcher (weil er an meinem stillschweigen vnd sonsten sahe, dz mir die Augen zugehen wolten, vnd dz ich lieber zu Bett gewesen wäre) sprach, den Außschlag zu geben, Ob die Alamode-Kerls die gröste Narren seyen oder nicht? womit wir es auch dißmahl wollen beschlossen haben, so hören die Herren:

Es war vor zeiten ein Reicher Großmächtiger Herr im [Rand: Wer der gröste / Narr seye?] Waßgauw, der hat einen einigen Sohn. Da er aber jetzo sterben[185] solte vnd sahe, das sein Sohn noch zu Jung zum Regiment wäre, ließ er einen schönen grossen güldinen Apffel machen, nam den in seine Hand, rieff dem jungen Herren vnd Erben vnd sprach zu ihm: Mein Sohn, ich weiss, das ich jetzo sterben muß vnd du mein Land und Leut, Gelt vnd Gut erben wirst. Nun sehe ich deine Jugend an vnd bedencke das alte wahre Sprichwort: Weh dem Volk, des Herr ein Kind ist; darumb ist mein letzter Will vnd begehren an dich, du wollest diesen güldinen Apffel in deine Verwahrung nehmen, außziehen, in frembden Landen dich erkundigen vnd der Leute Sitten, Rechte, Gewonheiten, Macht vnd Pracht ansehen; vnd wan du den grösten NARREN findest, so verehre ihm diesen Güldinen Apffel von meinetwegen vnd zeuch heim, alßdann solstu dieses Lands Herr vnd mein gewünschter Erbe sein. Vnter des wird die Regierung durch meine alte getrewe Räthe wie bißhero versorget werden vnd dir nichts abgehen. Der Sohn als ein gehorsames Kind vnd Junger Held ließ ihme den Rath seines Vatters wohlgefallen, vnd so bald der Vatter verschied vnd in die Grufft versetzet ward, macht der Sohn sich auff vnd durchzog Land vnd Leute vnd fand mancherley seltzame Abendthewr vnd wunderliche Narren in der welt, deren er sich nit versehen.

Dan es begegneten ihm vnderwegs Reiche Leut, die hatten Hauß vnd Hoff, Acker vnnd Wisen, Gelt vnd Gut, Kisten vnd Kasten voll, die ranten auff ihren Gäulen vnd Kutschen den Kucküssen, vnd Alchumistischen schmeltztiegeln zu, wolten Berge versetzen vnd Gold backen, scharreten vnnd schmeltzten so lang, biß sie Söller vnd Keller, Thaler vnd Heller, Beutel vnd Ketten verkuckt vnd verpulvert hatten vnnd zuletzt den Ambtleuten ins Handwerck fallen vnd zu Vögten sich brauchen lassen müsten, wolten sie nicht graben oder bettlen. Da sagt der Junge Herr, das sind zimmliche fürwitzige Narren, wären schier werth, das ich ihnen den Apffel gebe, doch er gedacht, vieleicht wirstu andere finden.

Es geschahe; er traff etliche an, so Land vnd Leute, Stätte vnd Dörffer hatten, die fiengen an vnd wolten Babylonische Thürme vnd Nimrodische Schlösser bawen, sie baweten auch Tag vnd Nacht, Winter vnd Sommer, biß sie Land vnd Leute, Stätt vnd Dörffer versatzten, vnnd letzlich, ehe der Bauw zu Ende gebracht,[186] musten sie davon, vnnd der Burg der Todten zu ziehen, vnd ihre angefangene halb-vollendete Palläste also ohne Nutzen [Rand: Bauw-Narren] vnd mit verderben Ihrer Erben zu grunde gehen. Da schüttelte der junge Held den Kopff vnnd sagte: diese haben fast alles verbauwet, allein da sie ewig wohnen müssen, vnd dahien sie am Ersten dencken sollen, daß haben sie anstehen lassen bis auf das letzte.


Sie bauwen alle fäste

Vnd sind doch frembde gäste;

Vnd da sie ewig sollen sein,

Da bawen sie gar selten hien.


Daß sind ja die grösseste Narren, vnd wolte ihnen den Apffel geben, aber sein Hoffmeister bließ ihme ins Ohr. Herr thut ein wenig gemach, ihr werdet noch wohl grössere finden als diese.

Er zoge fort. Vnderwegs begegnet ihm ein wol gerüstetes Kriegsheer, das brach auff ohn alle gegebne vrsach auß einer schönen befriedigten Schmaltzgruben, wolt seines Nachtbarn Land vberfallen. Das ward verkundschafft, vnd da ihme nichts träumete, denn wie sie die Leutte laden vnd fortschaffen möchten, da kam der Feind geraspelt, vberfiel es, schlugs mit der scherffs des Schwerds vnd theilet den Raub auß, fuhre fort, nam dessen Land ein vnd machts ihm Zinsbar vnd vnderthan. Ey, sagte der junge Herr, dieser Feld-Oberster vnd Kriegs-Rath solte den Apffel billich für andern bekommen haben, so er noch am Leben, aber weil er Todt ist, muß ich fort rücken.

Da kam er in ein Land, dessen Herr wolte nicht auff seinem Schloß vnd Sitz Hoff halten, vermeynte, es möchte ihm zuviel [Rand: Jagen] auffgehen, zog her umb von einer Wildfuhr zu der anderen, bäyßte, hetzte vnd jagte Hirsch vnnd wild-Schwein, vnd das dauchte ihn die beste Kurtzweil sein. Vnder deß waren die Räthe, Haubtleute, Ambtleute, Rentmeistere vnd Schaffnere Herren im Lande, die solten das gute schützen vnd das böse straffen, Gericht vnd Gerechtigkeit hegen ohn alles ansehen der Person nach dem rechten Recht Vrthel sprechen vnd also des Landes bestes suchen. Aber sie dachten bey sich selbst: Heut hie, Morgen anderswo; Herren[187] Gunst erbet nicht; wir müssen vns Pfeifflen schneiden, weil wir im rohr sitzen; da giengs an; wer sich nicht wolte tücken, der muste den Mantel vnd das Bündlein ablegen vnd vberspringen; wer nicht hatte die Hände mit güldinen Männlein zu füllen, der muste vnterliegen vnd seinem Widersacher die Schue putzen; In Summa, Krumb muste gerade, gerade krumb, vnd der Heuchler der beste Mann zu Hoffe sein. Hierbey war mein Herr sicher, soff, fraß, spielete, faulentzte, biß Hund vnd Katzen das beste Vih waren, Ja biß sie alle lam, arm vnd kranck wurden vnd mit Schmertzen von hinnen fuhren. Ach, sagte der Herr, hie solte ich vil güldine Aepffel haben, weil aber nur einer vorhanden, muß ich wandern, er möchte mir sonst auch per fas et nefas abgedrungen werden.

[Rand: Hoffleben] Brach eilends auff, machte sich darvon vnnd kam in ein schönes Volckreiches Land. Er zog an einem derselben Fürsten Hoff, zu sehen, was er da für Anstalt finden möchte. Als er etliche Monat den gantzen Staat erkundiget, befande er, das es ein recht Ellend zu Hoff sein müste; allwo der Herr selbsten es nicht besser hatte als der Diener, Ja das er noch viel vbeler versehen war vnd in der grössesten Gefahr seines Lebens vnd aller Wolfahrt täglich stehen thäte. Dann wie zu Hoff der Brauch ist, das, der am besten Auffschneiden kan, derselbe das beste gehör, glauben vnd Vortheil hatte, also hie auch. Der Herr hatte einen Alten getrewen Diener, der manche Jahr sein Leib vnd Gut, Ehr vnnd Blut, Tag vnnd Nacht mit embsiger Sorg, Angst vnd Noth in seinen Diensten zu gebracht; die böse mit Ernst vnd Eyffer gestraffet, vnnd die Vndertruckte wider den Gewaltigen mit allen Kräfften geschützet hatte; also daß Gericht vnd Gerechtigkeit im schwang gienge. Der Herr aber hatte auch einen kurtzweiligen Rath, Einen hochtragenden Esel, der dem Herrn redete, was er gern hörete, vnnd sich in allem nach seinem willen also zu stellen wuste, das es die anderen verwunderte; der redete einem jeden grosse auffgeblasene wort, sprach von der sachen zierlich, als ob er allein der Atlas wäre, der die Berge tragen vnnd des Herrn Authoritet vnd Wohlstand erhalten müste; im Werck aber anderst nicht dachte, als auff sein Eigen-nutzen, Vortheil vnd Ansehen, vnd selbst lieber Herr als Diener gewesen wäre. Dieser, damit seine[188] Person vnd Rath gelten möchte, gab den Alten Rath bey dem Herren an seines Vnverstands, seines Vnfleisses, seines Vnansehens, als der sich nicht nach deß Herren Stand stellen, vnd gravitetisch genug halten könte; ja auch, das er dem Herren vntrew wäre; so fern, biß der gute Rath mit ungenaden abgeschafft worden. Als aber bald nach dem wichtige sachen vnd Staatsgeschäffte vorfielen, welche der hochtragende Sennor Mutio nicht nur nicht verstunde, sondern auch niemahlen dergleichen gehöret hatte; da wolt der Herr nach seinem Alten Diener sehen; aber er war davon, vnnd muste der Herr in Vnrichtigkeit seiner händel vor Leyd vergehen, sterben vnd verderben. Diesem, Sprach der junge Herr, gebe ich warhafftig den Apffel, wan er noch lebete, weil er dem auffgeblasenen Tropffen wider den Auffrichtigen Mann ohngeachtet aller vorigen trewer Dienste geglaubet hatte.

An eben demselbigen Hoff fande er andere, die sich Neideten vnnd [Rand: Verläumder] keibeten, da der Eine auff den andern erdachte vnd Loge, was ihm in sinn vnnd ins Maul kam, also das der Vnschuldige sich eine zeitlang leyden vnnd weichen muste, endlich aber die Warheit hervorbrach, das der Verläumder, in seiner Vnwarheit öffentlichen erwischet, mit Spott vnd schanden davon ziehen muste. Das ist wohl ein Narr, Sprach der junge Herr, der einem andern eine Grube grabet vnd selbst muß darin fallen. Wolte ihm auch den Apffel geben haben.

Aber er ward zu Gast geruffen bey Einem Amptmann, dessen [Rand: Ambtmann] Wesen ihm nicht vbel gefiele anfangs. Allein befande er, das Er etlichmahl von den Reichen Geschäncke name. Ho ho, sprach der Junge Herr, das ist nicht gut; wan es zum treffen kompt, so wird er die Reiche wohl nicht saur ansehen dörffen. Er sahe auch, das er, der Amptman, etliche böse Buben nur schlecht mit Worten abstraffete, damit er also deß Pöffels gunst vnd guten willen bey männiglichen erhalten, geliebet vnnd gelobet werden möchte. Aber das Widerspiel geschahe, dann er ward letzlich verachtet vnd verspottet, vnnd von dem Nothleidenden Mann, den der Reiche Schacher vndertrucket hatte, angeklaget seiner vntrewen Handlungen. Da sprach der Junge Herr zu seinem Hoffmeister: Da laß ich den Apffel; dann wie könte ein grösserer Narr sein, alß der sich in seinem Ambt das Vnrechte zu straffen vnd das rechte Recht zubefürdern will förchten.

[189] [Rand: Regenten] Da gedachte er aber bey sich selbst, vielleicht hats jenseits deß Wassers auch Leute, zog vber Meer vnd kam in eine Insel, da fand er ein reiches, schönes, lustiges Volck, das hatte einen König, derselbe thät, was ihne gelüstete; es war gleich wider Gott, sein Wort, Natürliche vnd weltliche Gesätze, alle Zucht vnd Ehrbarkeit, so hieß es doch, si lubet, licet: ainsy nous plaist. Dis sahe der Junge frembde Herr mit verwunderung an, trat zu dieses Königs Kämmerling einem, fragte ihn vnd sprach: Mein Freund, was hats für eine Gelegenheit mit ewrem König? Ist keine Gottesforcht, kein Gericht noch Gerechtigkeit, Zucht noch Erbarkeit in diesen Landen? Nein, antwortete der Kämmerling, [Rand: Burgerliche / Tugenden] Zucht, Ehr, Gottesforcht, Redlichkeit das sind burgerliche Tugenden, gehen vnseren Fürsten vnd Herren allhie nicht an. Der thut, was er will; vnd wz er will, dz ist, ob es schon nicht wäre. Es [Rand: Mährlein] geht mit vns wie mit dem Wolff vnd dem Karpen. Die Wölffin war eines mahls groß-tragend vnd bekam gelust nach einem Karpen. Deßwegen den Wolff außschickte, ihr dergleichen Fisch zu bringen. Der Wolff hätte gern Karpen gehabt, aber zu fangen, das war seines thuns nicht. Derowegen bey einem Weyer traff er eine Heerde Schwein an, Nam eines, vnd mit davon; vnderwegs als er ruhete vnd das Schwein die Vrsach dieser That fragete, erzehlete der Wolff, wie er nach Karpen geschickt wäre. Das Schwein entschuldigte sich, es wäre ein Sauw, ein Schwein, vnd kein Karpe; der Wolff aber verlachte dz wort vnd sprach: Mein, du solst mich nicht lehren Karppen kennen, du bist nur ein Karp, vnd wan deiner noch hundert wären, Ihr soltet mir alle für Karppen gut sein: Also, was vnser Herr, weil er den Gewalt hat, will, das muß sein, wan es schon nicht wäre. Ist ihm also, spricht der junge Held, so kanns auch die länge mit ihme nicht wären. Ja freylich, sagt der Kämmerling, wehrets nicht lange, sondern ein einiges Jahr. Dann wir haben in diesem Lande eine solche Gewonheit, das wir in erwählung eines Königs nicht sehen nach grossem Geschlecht, Ehre, Kunst oder Weißheit; sondern nehmen einen auß den geringsten Halunken, doch mit dem bescheidt, dz er nur ein einiges Jahr regiere vnnd bei dieser seiner Herrschafft macht habe, zu thun vnd zu schaffen, was sein Herz gelüstet. Wenn aber das Jahr vmb ist, so wird er seines Ambts entsetzet,[190] in ein Gefängnis geworffen, darin muß er die zeit seines Lebens verbleiben, Hunger vnd Durst, Gestanck vnd Frost vnd den elendesten Jammer ausstehen, sterben vnd verderben. Ey, sagte der frembde Herr, der ist ein Narr vnd bleibt ein Narr, der vmb eines einigen Jahres Wollusts, nichtige, flüchtige frewde willen ihme die zeit seines gantzen Lebens wissentlich vnd willig herb, bitter vnd verdamlich machet. Ja, antwortete der Kämmerling, da man nur einen sucht, findet man ihr noch wohl tausend, die vmb eines solchen Jahrs willen nicht nur die zeitliche, sondern auch die Ewige Wolfart gern in den wind schlagen vnd verschärtzen. Der ist deß Apffels wohl werth, sprach er, aber der Hoffmeister hieß ihn noch gedult tragen.

Der Junge Herr zog weiters; in eim anderen Land begegnete [Rand: Hätzen vnd / bayssen] ihm ein grosser Herr, der war Hätzen geritten auff einem Klepper, hatte zween Leythunde, zween Strick Winde, so der Knecht neben seinem Klepper angefahen führte, Einen vorstehenden Hund vnd einen Falcken bey sich. Der Herr sang von heller Stimme:

Wol vff, woll vff Ritter vnd Knecht, vnd alle gute Gesellen, [Rand: Waidspruch] die mit mir gen Holtz wölln. Wol vff, wol vff die faulen vnd die trägen, die noch gern länger schlieffen vnd lägen. Wol vff, wol vff in deß Namen, der da schuff den wilden vnd den zamen. Wol vff, woll vff, rösch vnd auch trat, dz uns heut der berat, der vns leibe vnd Seele beschaffen hat. Hinfur, trutter Hund, hinfur; vnd auch das dir Gott heyle gebe, vnd auch mir: hinfur, trutter Hund, hinfur zu der fert, die der Edelle Hirsch heute selber thät etc.

Vnd als in dessen der Junge Herr an ihn kam, vnnd ihn fragte, wz er mit solchem Viehe allem machte? sprach er: Ich brauche es zu Hätzen vnd zu bayssen. Vnd als er forschete: wie viel er deß tags fange? antwortete der Herr: je nach zeit vnd wie das Glück will, dann viel, dann wenig, dann nichts: Aber einen Tag in den anderen zu rechnen, so habe ich wochentlich meine zween Haasen vnd mein par Feldhüner auff der Taffel, ohne den grösten lust, so ich dabey finde. Der Junge Herr fragte weiters, was dieses Viehe alles zu vnderhalten koste? Diese beyde Kläpper, welche hierauff allein bestellet, haben tags jeder Ein halben[191] sester Habern, Ein jeder Hund des tags 4. Mitschen, vnnd der Falck des tags ein pfund fleisch; das ist ja ein geringes, sprach er. Der Junge Herr, nachdem er sich ein wenig bedacht, die Außgab vnnd Innam gegen einander gehalten: Alle woch zween Haasen sind 104 Haasen, jeden zu eim halben gulden sind 52 Gulden; die Feldhüner auch soviel; also ist Inname dieser Rechnung 104 gulden. Nun die Außgabe: die Eylff Hunde, jeder 4. Mitschen deß tags 44. Mitschen, deren 80. für einen fester, thut Jahrs 16060. Mitschen, zu 36. fiertel, dz fiertel à 3 gulden ist 108. gulden. Vff die zwei Pferde tags ein sester Habern thut 61. fiertel, zu 15. schilling thut 91. vnd einen halben gulden; 365 Pfund fleisch 24. gulden, der Falckner aber hat 150 gulden etc.

Herr Hoffmeister, sprach er, nun langet mir den Apffel her, dann es ist zeit; dieser hat ihn am besten verdienet, auff das wir nach hause kommen.

[Rand: Don Thraso] Nein, sprach der Hoffmeister, es wird noch andere geben; zogen derowegen weitter vnnd kamen bey eine vorneme Statt, vnder wegs aber traffen sie in Gesellschafft an einen Grossen Herren (dem Ansehen nach) welcher viel Diener, Hoffmeister, Stallmeister, Falckner, Kammerdiener, Edelknaben, Kutscher, Reittknechte, Jungen etc. vnd vil Mägde, vil Viehe, Kutschen, Roß vnd Wagen, vnnd etliche Bey-Pferde mit sich hatte, der zoge der Statt auch zu; vnnd alß der junge Herr erforschet von einem der nachritte, wer er wäre? vnd wo hie er ziehen wolte? war ihm in vertrauen gesagt, das der Herr diser Völcker vnd Reichthumbs allen seines Herkommens zwar nur eines Weingärtners Sohn gewesen, sich aber in Kriegen, Schlachten, Treffen, Stürmen, Plünderungen, Vbersteigungen, Einnemungen mit dem Maul so Ritterlich gehalten, vnd durch seinen fleiß vnnd Vorsichtigkeit seine sachen so klüglich angegriffen, dz er nicht allein eine Hohen Geschlechts Wälsche Tochter zur Ehe erworben, sondern auch ane Barschafft, Gold, Silber, Kleinodien, Kleidungen, Vieh vnd anderem einen solchen Vorrat erschwätzet, daß es vnmüglich wäre, selbigen allen zu verthun. Darumb er in der nähe eine Herrschafft erhandlen, fürterhin sich deß Pfefferwesens abthun vnnd die vbrige zeit seines Lebens mit seinem Weib in Adelichem Frieden, Frewden vnd Lust vollenden[192] wolte. Also das seiner meynung nach nicht wohl ein seeliger Mann zu finden seye. Der Junge Herr sprach zu seinem Hoffmeister, diesem grossen Sprächer ziehe ich so lang nach, biß ich sehe, was es für ein Ende mit ihm nemmen werde.

Sie zogen in die Statt, der Sennor ordnete sein Haußwesen an, erhandelte Eine gelegne Herrschafft, einen schönen Palast vnd Garten, ordnete sein Hauß- wesen dergestalt, das er wuste, wie viel die Hüner alle tag Eier legen könten, damit er nicht irgend durch vnachtsamkeit an ichtwas schaden leyden müste. Er ließ sich sehen vnnd hören; alle tag veränderte Er seine Kleidungen; aber dabey war er fast Hochmütig. Wan ihn jemands grüssete, er danckte ihm nicht; wo man aber den Hut nicht abzoge, so wolte er gleich vmbsich schmeissen vnd schlagen. Er thate, alß ob er Niemands sahe oder kante. Wan ihn ein armer vmb einen Pfenning bate, ließ er ihn mit Stössen vortweisen. Er brauchte sich wunderlicher Gebärden vnnd Sitten, trug einen hohen breiten fliegenden Hut, Ein Igel-köpffiges falsch gemachtes Haar, alles war mit Armbanden vnnd mit Ketten, köstlichen Ringen vnd Kleinodien versetzet. Zu keinem Mänschen gesellete er sich auß forcht, daß ihn jemand kennen oder sich zu viel gemein mit ihm machen möchte; seine Bluts-freunde, die in solchem seinem Vberfluß eine Stewr von ihm baten, ließ er mit Brüglen vorttreiben als falsche Leute, die ihne für einen andern halten vnd ansehen wolten. In summa, seine sachen waren so geordnet, daß er scheinete vnsterblich sein bey den einfaltigen Mänschen. Soll das gut thun, sprach der Junge Herr, so nimpt michs wunder; dann wan ich betrachte, wie dieser grosse Sprächer all seine Gelder vnnd Mittel, mit Staatsbetteley vnd hilpers-griffen; nicht aber mit redlicher Soldaten-faust noch mit Ehrlichen Lehnungen erworben hat, so ist vnmüglich, daß es lang kan bestand haben. Sintemahl die Warheit Gottes an ihm nicht wird zur Lügnerin werden, alß welche allem solchem vngerechtem Gut den Fluch dergestalt angebunden, das, ob es in Eyserne Berge vergraben, das Fewer vnnd der Blitz es doch daselbst rühren vnnd zudrimmern wirde. Ist also dieser Kerl, meines achtens, der gröste Narr, den ich noch gesehen hab, vnd bin ich willens, das ich ihm den Apffel geben wollte. Als er aber in den Gedancken stunde, wird in der nacht ein Geschrey vnd Ruff eines[193] Fewers; vnd als man hörete, so war auß verwahrlosung, aber schickung Gottes, der herrliche Palast angegangen vnd darin verbrunnen aller Raub vnd Vorrath, den der Hudler je gehabt hatte, in welchem fewer auch sein Weib vnd etliche Diener das Leben lassen, Er aber, der Noth zu entkommen, zum fenster hinaußspringen vnd also den Hals brechen müssen; welches die Vrsach ist, das ihm der wohlverdiente Apffel nicht zu theil worden.

Endlich kam der Junge Herr durch das Teutschland biß gegen den Rheinstrom.

Freymund aber sprach, ich bitte, Mein Herr, ehe ich schliesse noch ein einigs wort: Meines wissens, ehe er an den Rheinstrom kommen, so zoge er vber ein grausames grosses Gebürg, vnnd kam in ein Königreich, das fast mächtig war vnd vber die gantze Weltherr schen wolte, dessen König hielte einen grossen Hoff, vnd mannige Ritterspiel, als dann zur Zeit Gewohnheit was. Der König hatte einen Nachbarn einen andern Alten König, jenseit der grossen Bach, derselb hatte einen einigen Sohn, den sandte er herüber, dieses Königs Hoff vnd Ritterspiel zu besuchen; wie er sich dann so wohl da befande, das er auch vmb deß Königs Tochter freyete. Nun hatte dieser König heimlichen verstand in des Alten Königs Reiche, vnnd es, wo nicht durch offene Macht, doch durch Raison d'Estat, Staats-Liste, gern vnder seinen Gewalt bringen wollen. Dessen dann vnser Junger Herr gut wissens hatte, derohalben zu dem Hoffmeister sprach: Mein Freund, siehe da, ist das nicht ein thöricht Stuck von einem so hohen Mann, das er seinen einigen Sohn, an dem seines Reichs vnd armer Leutte einige Ewige Wolfahrt hanget, in seines wissentlichen Feindes Land vnd Gewalt hineinschicket: Wie, wan es ihm an Leib vnd Seele anderst gienge alß wohl, wäre dieser vnwidersetzliche Fehler zunennen? vnd solte dem Alten König den Apffel geschicket haben. Aber weil er denselben also vbers Meer nicht wagen wolte, noch durch Wechsel vbermachen kunte, muste er fürter ziehen.

Kam in ein Ellendes Königreich, da nichts war als grosse Haiden, kleine Waiden, da die Vnderthanen Geschnitten stroh anstatt der Früchte mahlen vnd backen liessen vnd solch halb hültzenes brod assen. Die Esel alda ritten auff den Pferden, und die[194] Säuwe fassen auff den Spechten. Es war ein recht vmgekehrtes Reich, das viel mehr einem Gemälde gleichen mochte als einem Land. Und als der Junge Herr nach ihrem König fragte, war ihm geantwortet, das sie selbst nicht recht wissten, wer ihr König wäre. Dann vnlängst hätte ein andrer König in ihrer Nachbarschafft (dessen Reich von viel anderen Bequemlichkeiten als dieses ist, als in welchem der eine vnd grösseste Fluß von Gold, der andere von Wein, der dritte von Honig, der vierte von Milch fließet; da der Vnderthanen Häusere mit Thalern gedecket vnd die Edelgesteine so gemein sind, daß auch die Dienstbotten deren am Leibe tragen etc.) mit ihrem Ersten König umb dieses Königreich, Reich auff Reich, das gute auff das böse, gesetzet, gewaget vnd auff einen vngleichen Streich verspielet. Als aber der Junge Herr nach diesem König, in Meynung ihm den Apffel zu geben, fragte, vnnd ihn niemand dessen Wohnung vnd Hoffsitzes bescheiden kunte, muste er fürter ziehen.

Vnd kamen in ein schönes Land, das fast mit schönem Vortrefflichen Volck erfüllet, mit allerhand Nutzbarkeiten von Vieh, Wunne vnd Weyde überschüttet war; darin fande er den Herren deß Lands, einen Jungen Kühnen Helden, am Tod-bett liegen mit grossem Schmertzen vnd betrauren seiner selbst, wegen der blühenden Jahren, in denen er die Welt gesegnen vnd zu den Todten sich begeben müste. Als er aber die Vrsach solches Vnfalls erfragte; Ach, sprach derselbe Junge Held: Bin ich aber nicht der grösseste Thor gewesen, der je gelebet; dz ich mich meinen vnbedachtsamen Muth so weit erkühnen lassen vnd wegen einer sache, die mich doch nichts angegangen vnd deren ich wohl hätte entrathen können, in frembde Streitt vnd Kriege begeben, darüber ich nicht allein meinen einen Arm verlohren, sondern auch das Leben nun gar dabey zu setzen vnd in meinen besten Jahren von hinnen muß scheyden. Bin ich aber nicht der grösseste Thor, so jemalhen gewesen? Vnser Junger Herr sprach, wohl, vnnd wolt ihm den Apffel geben haben. Aber sein Hoffmeister sprach, ihrer sind noch viel grössere zu finden. Es ist diesem Kühnen Helden wegen seiner Muthigkeit vnd Jugend noch zuverziehen.

Fürter, vnnd ehe er gegen den Rheinstrom zoge, kam er an eines Herren Hoff, bliebe doch wegen der Vntrew, die er insgemein sahe da vor gehen, nicht lang an demselben. Aber im Abscheiden traff[195] er an einen guten Gesellen, der sahe ellendig auß, gung traurig vnd in tiefsinnigen Gedancken, so das der Junge Herr vnschwer mercken kunte, Er ein schweres Anligen vnd Hertzens Noth haben müste. Derowegen denselben anredend vnd fragend die Vrsach solches seines zustands, vnnd was ihm widriges begegnet wäre? Ach, sprach der gute Gesell, meiner Noth ist nicht wohl abzuhelffen; dann sie ist nicht zu erzehlen; ich weiß sie auch nicht außzusinnen noch zu erdencken, wie ich mir selbst in diesem Jammer rathen solle. Dann nicht lang ist es, das ich in dieses Herren, der hie zunechst Hoff haltet, Dienste gewesen bin, mich in demselben meines wissens, vnd wie beweißlich ist, dergestalt verhalten, das ich all meiner Handlungen [Rand: Verläumdeter] weder schew noch forchten trag. Aber darüber hab ich nicht allein alle mein Vermögen zugesetzet; vnd sogar bin ich in das Verderben gerahten, dz ich fast nach dem Sprichwort mehr weder Watten noch Schwimmen kan. Sondern, welches das ärgste ist, so muß ich noch von den Fuchßschwäntzer solche hinderlist vnd Verläumdungen erfahren, das mir die Seele darüber verschmachten möchte, vnd gleichwohl kan ich dem Vbel so gar nicht wehren, das, je mehr ich mich bekümmere, je mehr sie lusts vnd fortheil daran haben. Daher es dann kommet, dz Leutte, die mich vnd mein Thun nicht kennen, oder die auff eines Mannes reden vngehöret deß andern gleich beyfallen, oder denen wegen vberhäuffter anderer Geschäffte meiner sachen außführliche beschaffenheit zu hören beschwerlich fallet, solche vngleiche Vrtheil von meiner armen Person schöpffen, das ich mich offt verwündschen möchte. Ich hab zwar verhoffentlich also gehauset, das ich auch deß geringsten dings wegen antwort zu geben nicht schewe; sondern ein mehres niemahlen gewünscht habe, damit nur mein Recht vnd Ihre Liste recht an tag kommen künten. Aber vnder dessen solches anstehen bleibet, so haben die Lästerer, welche nicht feyern, sondern sich an meinem Vnmuth erkützlen, gewonnen, vnd muß ich also hindernuß spüren in allen meinen vorhabenden sachen. Sie hassen mich zwar auß einiger Vrsach, das ich nicht ihres willens vnd gefallens leben, vnd meine Kinder, nach derer todt vnd vndergang sie gelusten, nicht hab vor männigliches augen hienrichten vnd ellendig erhungren wollen. Sie hassen mich vmb ihrer inwendigen Boßheit willen, vmb ihres bösen Hertzens willen, weil ich ihre Eitelkeit gesehen vnd entdecket, ihnen in ihren losen[196] sachen nicht beyfall geben, noch ihrem Hochmuth zufallen wollen. Sie hassen mich vmb ihrer Vnvollkommenheit willen vnd vmb sachen, die nicht mein sind, sondern die mir Gott gegeben. In summa sie hassen mich darumb, das ich nicht bin noch werden will, der, für welchen sie mich offentlichen angeben.

Es wolte dieser gute Gesell deß verdrießlichen erzehlens noch viel gemacht haben. Aber der Junge Herr sprach: Schweig Kerl, Schweig vnd erzehle mir nicht mehr, Ich will dir jetzt den Apffel geben, den ich dem grössesten Narren zu geben schuldig bin. Bistu ein Christ geborn, vnd hast nicht mehr Glaubens als also? bistu so vnschuldig vnd Rein als du sagst? Waß krämmestu dich dann also? Laß die Lästerer lästeren; dencke, Gott habe sie geheissen, vnnd du habest solch Kreutz mit anderen deinen Sünden wohl verdienet, oder es habe dir Gott solches zur Prob der Gedult, der Sanfftmuth vnd Demuth zugeschicket. Vbel von dir Reden, dz ist nicht gnug; wan du nur nicht vbel gethan hast, so wird der sache im außkehren wohl geholffen werden. Non male audiendo, sed male audendo mali fimus. Tu vero sic vivas ut calumniatoribus fides non sit habenda. Vbels hören, schadet nicht; vbles thun, das ist vnrecht. Darumb so halte du dich also, das alle Lästerer durch dein Leben vberzeiget vnd zu Lügnern gemacht werden; bistu ein Christ, vnnd weissest nicht, was den Lästerern endlich für ein Tranckgeld vnd Lohn zuerwachset? das Sie nemblich, nachdem die Warheit (welche fester ist als alle Mauren vnnd von sich selbsten bestehet vnd nicht vergehet) endlich vberwindet, mit spott vnd schanden derer, die auß eignem muthwillen vnd frevel, auch eygenem zorn, haß, neid und Rachgirde den Nothleydenden geängstiget vnd gequälet haben. Vnd wan ich diesen Apffel also bald besser an zu legen verhoffe, so habe du dir an dessen statt dieses zum Tranckgelt von mir:


Victi. Quandoque. Resvrgent.


Als nun Freymund dergestalt geendet hatte, jetzt, sprach er, ist der Junge Herr sampt seinem Hoffmeister weiters vnd Endlich durch das Teutschland gegen den Rheinstrom gezogen.

Sehr recht, Sprach Expertus Robertus, dann weil Philander[197] sich deß Schlaffens nicht wohl enthalten kan vnd ihm die zeit fast lange wird, biß er in die federn kommet, so hab ich mit allem fleiß dieser vnd noch viel andrer Thoren, die den Apffel wol verdienet hätten, vntz zu anderer gelegener zeit versparen wollen. Ja, vnd damit ich fortfahre, wo ich es vor hien gelassen habe, vnd einmal zu Ende komme. Als sie nun durch das Teutschland biß gegen den Rheinstrom kamen, da sahen sie viel wunder newer sachen vnd händel; vnd als sie ein Jahr daselbst herumb verharreten, vernahmen sie Junge Leutte, Manns- vnd Weibs-volck, welche alle Viertel Jahr, ja je zu Zeiten alle Monat, ihre Kleydungen änderten, dann Hut, Hosen, Wambs, Strimpff, Schue, Stiffel, Speck, ja am Leib selbsten dann große Bärte, dann kleine Bärte, dann schwartze, dann weisse Haar, dann ihre eigne, dann frembde Haar etc. vnd solches mit großem Kosten, also das viel sich vnd die Ihrige darüber in das verderben vnnd zu grund richteten. Alß noch heuttiges tags die unteutsche Gewonheit ist. Dessen sich der Junge Herr verwunderte vnnd fragte, wie man solche Leutte nennete? vnd ihm war geantwortet: Alamode.

Ach, solcher thörichter Narren, beschleust der Junge Held, hab ich die zeit meiner Wallfahrt noch nit funden, gieng derwegen eilends zu einem vnd verehret ihme als dem grösten Narren das Geschänck seines Vatters vnd zoge wider heim in sein Land. Da ward er wol empfangen.

Nach erzehlung wessen die Herren sich erlachteten, das sie hotzelten vnnd einen Abschied namen biß vff Hans Thurnmeyern, der bey uns bliebe, vnd wir vns in Gottes Namen zur ruhe begaben.


Deß Alamode Abzug.


Wan Teutschland wolt witzig werden

vnd vorsichtig umb sich sehen,

nicht nach Alamode gehen,

nicht nach Farben vnd Gebärden,

Wälschland müßt' Ohnmächtig wanken;

Das es aber jetzt obsiegt,

Euch in ewrem Land bekriegt,

Das habt ihr euch selbst zu dancken.


Quelle:
Johann Michael Moscherosch: Gesichte Philanders von Sittewald. Berlin; Stuttgart [.o. J.], S. 111-198.
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