[58] Elvire. Die Vorigen.
ELVIRE tritt im heftigsten Affekt ein, sie kann kaum sprechen.
Hugo! –
Sie tritt nahe an ihn, und sagt mit gellendem Tone.
Jerta!
HUGO.
Was soll dieser Blick bedeuten,
Und der schneidend laute Ton?
ELVIRE.
Ha, Verräther! – Bleichst du nicht,
Wenn ich Jerta's Namen nenne?
HUGO.
Du bist sinnlos!
ELVIRE.
Daß ich's wäre!
Oh, Elvire! – So betrogen –
So zerrissen dieses Herz![59]
OTTO.
Sag', Herr Graf, was hat die Mutter?
HUGO.
Du vermagst es nicht zu fassen.
Schlangen von der Furie Scheitel
Winden sich um ihre Brust;
Laß uns, bis sie ist genesen.
Otto geht ab.
ELVIRE aufstehend aus dem Sessel, in den sie sich geworfen hatte.
Darum mußtest du zurück
Nach dem frosterstarrten Norden,
Weil du eine Blume wußtetst,
Dir erblühend unter'm Schnee?
Darum ward ich weggelockt
Von dem heimatlichen Herde,
Von der gottgeweihten Erde,
Wo die Jungfrau man verehrt,
Daß du hier die Jungfrau lieben,
Und die Gattin opfern könntest?
Darum nannte diese Schwester[60]
Heute sich mit frecher Stirne
Meine Nebenbuhlerin –
HUGO.
Halt! – Geuß aus dein Gift, daß es
Seine Schale nicht zerfresse!
Doch auf mich nur, nicht auf diese
Reine Seraphseele.
ELVIRE.
Rein?
Oh, vertheid'ge sie, ich flehe!
Sie und dich vertheidige!
Oder – kannst du's nicht, gestehe!
Nur Gewißheit gieb mir, daß ich
Lebe, oder untergehe!
HUGO.
Soll ich Heiliges vertreten
Gegen schmählichen Verdacht?
Wie die Engel Menschen lieben,
Ist ihr Herz mir zugewandt;
Und wie du zur Jungfrau betest,
Schaut mein Aug' empor zu ihr.[61]
ELVIRE.
Nein, ihr sollt nicht! Ich allein,
Ich will dich besitzen! – Mein,
Keines Engels sollst du seyn!
Gottes selbst nicht!
HUGO.
Rasende!
Lästre! Lästre seine Donner
Nieder nur auf unser Haupt!
Wie du sagst, so, fürcht' ich, ist es:
Als ich dich begann zu lieben,
Hab' der Höll' ich mich verschrieben.
ELVIRE.
Oh, mein Kopf brennt fieberisch! –
Nach einer Pause.
Als sie heute dich beschrieb,
Wie du, stolz gleich Nordens Tannen,
Eine Zierde seiner Mannen,
Aufgewachsen neben ihr;
Wie sie mir den Krieger malte,
Mächtig, einen Thron zu bauen,
Und den Sieger, zarten Frauen[62]
Heiß ersehnt in stiller Brust –
Warum strahlte
Da von Lust
Ihr Gesicht?
Warum hehlte
Sie der Freundin
Mondenlang,
Daß das Band des Blutes fehlte?
HUGO.
Ungerechte! Weil ich es
Heute, jetzt erst ihr erzählte.
ELVIRE zweifelnd.
Wie? Sie wußte nicht –? Und du –
HUGO.
Nicht zu stören ihre Ruh,
Barg ich es der Aelternlosen,
Daß sie keinen Bruder hatte.
Als ich's ausgesprochen, weinte
Sie um das zerriss'ne Band,
Das uns selig sonst vereinte.
Zwischen uns die Scheidewand,
Die gesunk'ne, neu zu bauen,[63]
Ging sie, dir sich zu vertrauen.
ELVIRE.
Wenn du wahr sprächst! – Sieh, ich ließ
Sie nicht enden! wüthend stieß
Ich sie weg von meiner Brust.
Wenn sie's wirklich nicht gewußt –!
HUGO.
Hätte sie's bis jetzt verschwiegen,
Warum sagte sie es jetzt?
ELVIRE mit Rückkehr.
Hugo!
HUGO.
Folge deinem Blut,
Das, gekocht am Strahl in Süden,
Nur im Morde findet Frieden,
Wenn es Eifersucht bewegt.
Misch' ihr Gift! Ich weiß, du hast
Stets davon nach eurer Sitte.
Mich durchstoß' in der Umarmung
Mit dem Stahle, den du trägst,
Und, wahrhaft mich zu besitzen,
Saug' das Blut mir aus der Brust,[64]
Daß es, wie die Milch der Mutter,
Dich durchdring' im tiefsten Leben!
ELVIRE zagend.
Hugo! – Kannst du mir vergeben?
HUGO.
Ich beklage dich und mich.
ELVIRE.
Kann es Jerta?
HUGO.
Sicherlich!
Sie, sich keiner Schuld bewußt,
Darf die Stirne frei erheben,
Und verachten den Verdacht.
Wir – nun ja, wir haben Macht,
Uns'rer Treue nicht zu trauen,
Wenn wir –
Halb vor sich.
wenn wir rückwärts schauen.
ELVIRE erschüttert.
Hugo! – Woran mahnst du mich!
Karlos Gattin liebte dich;
Darum quält die Eifersucht
Furienartig nun die deine.[65]
HUGO dumpf.
Heut'! – ja, ja! – Heut' ist verflucht.
ELVIRE ängstlich.
Heut'? – Was meinst du?
HUGO.
Was ich meine?
Ist's der Tag nicht, wo er sich
Hat erschossen –?
ELVIRE sich verhüllend.
Oh! Allmächt'ger!
Die Kerzen sind nach und nach verloschen und das Zimmer wird düster.
HUGO.
Weißt du noch? In der Kapelle –
Wie wir da uns heimlich sprachen
Auf den Särgen deiner Väter?
Und – wie am Begräbnißtage,
Innen Lust und außen Klage,
Wir –
ELVIRE.
Halt ein, du tödtest mich![66]
HUGO nach geraumer Pause, dumpf, am Ende mit Geisterfurcht.
Wenn er käme – käm' in dieser
Bösen Stunde, wo die Liebe –
Ausgebrannt, wie diese Kerzen,
Aufgezehrt vom Sinnentriebe –
Nicht mehr leuchtet in den Herzen!
Wenn er stieg' aus deiner Ahnen
Gruft, uns daran jetzt zu mahnen,
Jetzt – –
ELVIRE schaudernd.
Entsetzlich!
Kurze Stille. Es wird geklopft, Hugo und Elvire fahren tief erschreckt zusammen.
BEIDE.
Ha!
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