Sechste Scene.

[53] Die Vorigen. Jarl. Bald darauf Yngurd in einfacher, dunkler Rittertracht.


JARL lebhaft.

Botschaft vom Heer!

IRMA.

Wie lautet sie? Geschwind!

JARL.

Fast wunderlich, wie jetzt die Zeiten sind:

Der König naht.[53]

ALLE.

Der König?

JARL.

Wie ich sage.

IRMA.

Er selbst? Was will das – Oh, Graf Nös, ich zage

Vor'm nächsten Augenblick. – Wer sagt es an?

JARL.

Geschloßnen Helms ein edler Nordermann

OURDAL.

Beruhigt euch; er lebt doch, wenn er kommt.

IRMA.

Glaubt ihr, daß dem ein ruhmlos Leben frommt?

Yngurd ist todt, ward er zur Flucht gezwungen.

OURDAL.

Wär's erste Mal.


Yngurd tritt ein mit geschloßnem Visir.


JARL.

Der Ritter, hohe Frau.

IRMA mühsam gefaßt.

Was bringet ihr von uns'rem Herrn?[54]

YNGURD durchläuft den Kreis der Anwesenden mit dem Blick und nimmt den Helm ab.

Genau,

Was einer von sich selbst vermag zu senden.

IRMA wirft sich an seine Brust.

Yngurd!

ASLA erschüttert.

Mein Vater!


Sie will zu ihm, bleibt aber zweifelnd stehen, tritt dann an ihren vorigen Platz und versinkt wieder in sich selbst ohne alle Spur von Theilnahme.


IRMA.

Oh, wie wird das enden? –

Du kommst allein, in schlichter Rittertracht –

Allein vom Heer – in dieser wilden Nacht?

YNGURD.

Zum Boten hat mich – König Alf gedungen,


Sich zu den Rittern wendend.


In seinem Namen red' ich zu den Ständen.[55]

EGRÖSUND betroffen.

Mag Gott vom König alles Unheil wenden!

YNGURD.

Eu'r König – so spricht Alf, de Fürst der Dänen,

Durch mich, Yngurd von Lessö, Bauersmann,

Den unverdient Held Ottfried liebgewann –

Eu'r König ist Oskar, Brunhildens Sohn!

Den Bauer stoß herab von Norwegs Thron,

Und – lacht zu Irma's, lacht zu Asla's Thränen.

BIÖRNELAND.

Herr, wenn ihr scherzt, so ist's ein wenig bitter;

Die hier euch hören, sind getreue Ritter.

YNGURD.

Getreu? Der Sturm zerreißet Ankertaue,

Und was ist gegen Ankertau' ein Eid?

Mit Füßen tritt ihn Ostlands Fürst – ihr seid

Schlicht Rittervolk, und wollt, daß ich euch traue?

Der Sturm ist nah, den mürben Strang zu reißen;

Alf hat mit Ostland Bündniß, und sein Schwert,[56]

Zu Land und See, ist wider mich gekehrt;

Ich rath' euch: Geht, willkommen ihn zu heißen.

NÖS.

Mein theurer König! Warum häufst du Schmach

Auf uns'rer Ahnen tadelfreie Schilder?

YNGURD.

Ich tadl' euch nicht. Oskar, der Knab', ist milder,

Als Yngurd. Freundlich, wie ein Frühlingstag,

Geht er dem Normann auf. Der Stern der Nacht –

Mit blut'gem Schweif – hat seinen Lauf vollbracht.

Das Heldenthum – glaubt mir, daß ich es fühle –

Beglückt kaum Einen; Ruh und Frieden viele –

Ich geb' es auf.


Er hält einen Augenblick inne; da niemand antwortet, fährt er weicher fort.


Mir ist auf Lessö noch

Vom väterlichen Erb' – ein Feld geblieben,

Ein enges Haus und d'rinn ein kleiner Herd –

Kein Königreich, doch meinem Herzen werth,

Wie die Erinnerung an seine Lieben.[57]

Dort will ich hin! – ein seltner Schritt und doch,

Ihr werdet's sehn: die werden mich begleiten!

Die Tochter Ottfrieds – seine Enkelin

Ihr werdet's sehn, daß sie mit stillem Sinn

Dem Pflüger Yngurd Bett und Mahl bereiten,

Die Sichel führen mit geübtem Schwunge,

Beim Garbenbinden nicht die Hände schonen,

Und Erndtekränze tragen statt der Kronen.

OURDAL fällt tief ergriffen vor dem König nieder.

Herr! Willst du mich vernichten mit der Zunge?

Reiß mir die Brust auf, wenn du sehen willst,

Für wen sie schlägt!

EGRÖSUND.

So thu' auch mir!

BIÖRNELAND.

Und mir!

NÖS die Hand auf der Brust.

Wie Flammen brennen deine Worte hier,

Sprich deutlich aus, was du darin verhüllst.[58]

YNGURD.

Ich hab's gethan. Als kommt, für Oskars Rechte

Die alten Kämpfe blutig zu erneun.

OURDAL aufspringend.

Er komme! Kommen eines Welttheils Mächte!

YNGURD.

Mein eignes Heer ist tapfer, doch zu klein

Für solchen Feind; und ob ich's auch vermöchte,

Zu widerstehn – es kostet Normannsblut.

BIÖRNELAND.

Den legten Tropfen für der Reichsgewalten

Erwähltes Haupt! Dein Recht allein ist gut

Du schwurst, wie wir; wie wir auch mußt du halten.

YNGURD nach kurzer Stille.

Ihr mahnt mich daran? – Wenn ihr übel thut,

Euch meßt es bei. Ich will den Eid nicht brechen.

Folgt mir, geheim vom Kommenden zu sprechen.


Er geht in die Gallerie rechts ab, die Reichsherren nebst Erichson und Jarl folgen ihm.
[59]

IRMA.

Asla, du träumest! Fühlst du nicht die Macht,

Die grausend waltet über dieser Nacht?

ASLA.

Wohl fühl' ich sie; nur weiß ich's nicht zu sagen,

Verworren in mir schwimmet Bild in Bild –

Nur Ein's ist klar: Der Ritter liegt erschlagen –

Zerschmettert! und weit von ihm liegt sein Schild.


Indem beide gehen, fällt der Vorhang.


Quelle:
Adolph Müllner: Dramatische Werke. Band 3, Braunschweig 1828, S. 53-60.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Anonym

Tai I Gin Hua Dsung Dschi. Das Geheimnis der Goldenen Blüte

Tai I Gin Hua Dsung Dschi. Das Geheimnis der Goldenen Blüte

Das chinesische Lebensbuch über das Geheimnis der Goldenen Blüte wird seit dem achten Jahrhundert mündlich überliefert. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Richard Wilhelm.

50 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon