Achte Scene.

[93] Die Vorigen. Yngurd in Waffen, doch ohne die Zeichen der königlichen Würde, bloß von seinem Leibdiener begleitet.


YNGURD.

Norweg grüßt Alf, den König, und sein Reich![93]

ALF.

Durch wen?

BRUNHILDE ihn in's Auge fassend, heftig erschüttert.

Ha! Yngurd!

ALLE.

Yngurd?

BRUNHILDE abgewandt.

Haltet, Sehnen!

Erschlafft – zerreißt bei diesem Anblick nicht!


Große Bewegung unter den Anwesenden. Man sieht Gyldenbrog Befehl geben, das Volk zu entfernen. Es verläuft sich. Einige von Alfs Gefolge bleiben im fernsten Hintergrunde stehen.


ALF.

Ist's Wahrheit? Seid ihr's? Wollt ihr uns verhöhnen?

Yngurd im Lager? mitten unter Dänen?

YNGURD.

Der Bauer trauet, wo ein Fürst verspricht;

Er blickt dem Gegner gern in's Angesicht,

Und gehet selbst, den Nachbar zu versöhnen.[94]

Ihr hadert mit mir um die Norwegskrone;

Ihr wollt ein Spielwerk eurem Schwestersohne,

In dem der Jüngling ringt noch mit dem Knaben?

Ist's nichts als das, sollt ihr gewonnen haben:

Die Kron' ist Oskars, wenn ihr Ein's erfüllt.

ALF.

Wär's möglich, Yngurd?

GYLDENBROG.

Herr, ihr wollt euch fügen?

Nennt die Bedingniß! Wenn's Entschäd'gung gilt –

In Ostland, Gothland, Finnland oder Rügen –

Wenn's thunlich – und mit Danlands Ruhm verträglich –

YNGURD.

Ihr seid der Mann, Herr Kanzler, euch ist's möglich,

Wenn's Einem ist.

GYLDENBROG.

So eilet, mir's zu sagen.[95]

YNGURD.

Macht, daß ich Norwegs Krone – nie getragen.

GYLDENBROG steht ihn mit großen Augen und halb offnem Munde an.

Wie?

YNGURD.

Dünkt euch das zu schwer? Ich lasse nach:

Belügt die Zeit – verfälschet die Geschichte –

Macht glauben alle, die auf Erden leben,

Was Nord und Süd von Yngurd sah und sprach,

Sei eine Fabel, die sich nie begeben –

Ein Mährchen, wie es Ammenhirn erdichte,

Um Kinder einzuschläfern – und – bei Gott!

Die Kron' ist Oskars, sonder Scherz noch Spott.

Ihr gafft mich an, als läg's euch vor den Ohren?

Ich merk' es wohl, ihr könnt mich nicht verstehn –

Ihr seid im Staub geblieben, wie geboren.

Mir ward's so wohl nicht Auf des Lebens Höhn[96]

Hat mich das Schicksal – hat mich Gott gerufen,

Und – abgebrochen hinter mir die Stufen,

Gält's eine Welt, ich kann zurück nicht gehn.

ALF.

Ihr wollt nicht, Yngurd; euer stolzer Sinn

Mag sich für's Recht der Herrschaft nicht entkleiden.

OSKAR.

Er kann nicht, Ohm! Oskar begreifet ihn.

Vom Höchsten kann sich höchste Kraft nicht scheiden,

Und er muß Herr seyn, wie ich singen muß,

Und bilden, wenn mich der Begeistrung Gruß

Geweckt hat, und dem Leiblichen entrissen.

Mein muß das Reich der Tön' und der Gestalten –

Mein muß es seyn, so weit der Flügel trägt,

Der wundersam im Menschenhaupt sich regt;

Frei muß die Willkühr mit dem Stoffe schalten,

Und lähmen würde mich das kleinste Müssen.

So auch der Held. Ihm kann nicht Mind'res gnügen,[97]

Als König seyn, und keinem Zwang sich fügen.

YNGURD.

Wer sagt es dir, du Jungfraun Angesicht,

Seltsam geschmückt mit eines Helden Zügen –

Wer sagt's dir, wo der Muth des Helden bricht? –

Alf, er spricht wahr. Gält's einer Welt Verderben;

Als König nur kann König Yngurd sterben! –

Doch ist unmöglich d'rum der Friede nicht;

Denn – Irma's Bett ist ohne Reicheserben.

BRUNHILDE vor sich, von einem Gedanken ergriffen.

Ha!

YNGURD.

Oskar sei's! Wie Ottfried mich gekrönt

Bei seinem Leben, will ich Oskar krönen,

Und theilen mit ihm, wie's der Kraft gebührt:

Mein sei die Last der Krone, die ihn ziert,

Und – ewig mich zu binden an den Dänen –

Sei's Asla's Hand, die mich mit Alf versöhnt.

ALF.

Ihr bietet viel, wenn das Gerücht nicht log.[98]

Schon seh' ich auf der Stirn des Gyldenbrog,

Der gern vermählt, den Ehvertrag sich bilden;

Doch hier gebührt Ja oder Nein Brunhilden,

Für die das Schwert der Sohn des Ubo zog.

GYLDENBROG.

Erlauchte Frau, es will mich schier bedünken,

Als – schien es mir, der Vorschlag sei nicht schlecht.

BRUNHILDE eine große innere Bewegung mühsam verbergend.

Es scheint euch; doch – wer sichert Oskars Recht,

Wenn – Irma's Lippen Yngurds Küsse trinken,

Und noch ein Sohn aus ihrem Schooß entspringt?


Zu Yngurd, doch ohne ihm in's Auge zu sehn.


Bewilligt noch, was die Gefahr bedingt;

So sei der Bund geschlossen.

YNGURD gespannt.

Laßt mich's hören.

BRUNHILDE.

Trennt euch von Irma.

YNGURD erschüttert, vor sich.

Ha! – Welch fürchterliches Licht,[99]

Das aus der Hölle tiefstem Grunde bricht!

GYLDENBROG.

Herr, wollt ihr noch die Kleinigkeit gewähren?

YNGURD.

Fluch dir, du Knecht, der das für möglich hält!

Alf! Es ist aus. Es wird auf dieser Welt

Nie zwischen mir und eurer Schwester Friede,

Ob Feuer auch die Flut zu Gaste lüde.

Drum laßt uns fechten, weil's euch so gefällt.

Doch seht euch vor! Die Sache, die ihr führet,

Ist bös genug, daß sie die Tapferkeit

Mit Furcht anstecken könnte, wie die Zeit

Erkranket, wenn Pest-Odem sie berühret.

Nehmt euch in Acht! denn mir ward prophezeit,

Als ich mit Ottfried war im Land der Katten:

Es werde seyn das Glück wie Yngurds Schatten,

Und ihn nicht lassen, bis sein letzter Feind,

Durch ihn zerschmettert, werde vor ihm liegen.

So laßt denn sehn, ob die Druiden lügen,

Und ob es Alf ist, den ihr Spruch gemeint.


Er geht ab. Es herrscht eine kurze Stille.
[100]

ALF.

Gott oder Teufel! Er verwirrt die Sinne

Mit Wort und Blick, wie Sturm verwirrt das Haar.

Mir ist so bang', Brunhild', als spräch' er wahr.

BRUNHILDE laut und heftig.

Stoßt in die Hörner, daß der Kampf beginne!


Während der Vorhang fällt, erschallt kriegerische Musik hinter der Scene, welche das Orchester aufnimmt.


Quelle:
Adolph Müllner: Dramatische Werke. Band 3, Braunschweig 1828, S. 93-101.
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