Zehnte Scene.

[239] Die Vorigen, ohne Jarl. Ein Trabant aus der Seitengallerie links. Bald darauf Marduff und zwei andere Trabanten.


DER TRABANT.

Herr, Marduff ist gefunden[239]

YNGURD.

Wo? Wo?

DER TRABANT.

Im schmalen Gang zur alten Burg.

Als ich ihn rief, erschrak er durch und durch,

Und wurde kreideweiß, und wollt' entfliehn.

Da packt' ich an, und ließ –


In die Seitengallerie zeigend.


Da! Festgebunden

Bringt ihn die Wacht.


Marduff tritt auf, verstört, die Hände auf den Rücken gebunden, von zwei Trabanten begleitet.


YNGURD heftig.

Wer hieß euch das? Ihr seid

Zum Argen schnell, wie Satanas. Befreit

Ihn auf der Stelle!


Es geschieht.


Fort! Schnell fort! Hinaus!

Es war ein Irrthum, macht's nicht laut im Haus,

Bei meinem Zorn! – Laßt niemand – niemand ein!


[240] Er kommt vom Haupteingang, durch welchen er die drei Trabanten hinaustrieb, zurück in den Vorgrund, faßt Marduff bei den Schultern, und sagt, kaum der Stimme mächtig.


Mensch! Wo ist Oskar?

MARDUFF in Todesangst.

Herr –

IRMA.

Oh! frag' ihn nicht!

Sein Antlitz giebt den gräßlichen Bericht:

Oskar ist to – ermordet!

ASLA.

Nein, nein, nein!

E ist nicht möglich – der hat Fleisch und Bein,

Er ist ein Mensch, er konnt' es nicht vollbringen!

MARDUFF.

Ja, Herr, so ist es. Bären zu bezwingen

Mit nackter Faust, wär' Spielwerk gegen das.

Mit meinem Herzblut macht den Boden naß!

Fürst Oskar lebt.[241]

IRMA zweifelnd.

Er lebt?

ASLA.

Wo ist er? Rede!


Brunhilde richtet sich langsam auf, und hört, starr vor sich hinaus sehend, den folgenden Reden zu.


MARDUFF.

In Ottfrieds Felsgemach, auf sein Begehr.

Dort, dacht' ich, paßt's, daß ich ihn heimlich tödte,

Und stürze dann die Wände d'rüber her.

Hatt' ich den Muth; so wär' sein Blut geflossen.

YNGURD.

Das deine nach, vorschneller Satansknecht!

MARDUFF.

Ich hab' ihn in der alten Burg verschlossen,

Erst anzufragen, ob es euch so recht.

YNGURD.

Unsinniger!

IRMA.

Fort! Hin, zu dem Gemach!

MARDUFF vor dem König niederfallend.

Erbarmen, Herr! Wenn ihr es nicht mehr wollt,[242]

So that ich mehr schon, als ich hab' gesollt.

Er weiß, daß ihr –

YNGURD.

Fluch deiner Zunge! – Schmach?

Schmach ohne That? Da ist kein Ausweg mehr,

Ist's nicht um ihn, so ists um mich geschehen.


Er greift nach dem Schwert.


ASLA.

Nein, Vater, mich – mich laß mit Marduff gehen,

Für Oskars Schweigen leist' ich dir Gewähr.

YNGURD erstaunt.

Du?

ASLA

Ja. Er – liebt mich; ich bin seine Seele,

Er ist die meine, und wie ich's verhehle,

So wird's auch nie durch Oskars Lippe laut.

YNGURD auflebend.

Ha, was ist das? Nur um die Dänenbraut,

Nicht um die Norwegskron' erhub er Streit?[243]

IRMA.

Asla, und das hast du nicht vertraut?

Der Mutter nicht?

ASLA zwischen beiden.

Von euch hab' ich das Leben,

Für eures Lebens Ruh' es hinzugeben –

Auf den Gedanken ist mein Muth gebaut.

IRMA tief gerührt.

Oh, meine Tochter!

ASLA mit niedergeschlagnem Blick.

Nors Gesetz verbeut

Dem Oheim meine Hand

YNGURD.

Zaghaftes Kind!

Ein König gab's, ein König kann's vernichten.


Ein freudiger Schreck erschüttert die Jungfrau.


Ich sehe meines Lebens Pfad sich lichten,

Fort! Eilt, befreit ihn!


Irma, Asla und Marduff wollen gehn.


BRUNHILDE tritt ihnen in den Weg.

Wen denn? Ihr seid blind.[244]

Ihr sprecht und sprecht,

Und wißt nichts recht.

Wer lebt, ist Knecht;

Wer starb, ist frei, wie Vogel ist und Wind.

ASLA.

Wer ist die Frau?

BRUNHILDE.

Kennst du die Braunhild nicht,

Die toll heißt, weil sie mehr weiß, als sie spricht?

Du zärtlich Ding! Wenn Egloff sich ersticht –

Mein Herz hält's aus – geh! geh! das deine bricht.


Man hört Geräusch, wie Wortwechsel am Haupteingange.


Quelle:
Adolph Müllner: Dramatische Werke. Band 3, Braunschweig 1828, S. 239-245.
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