Eilfte Scene.

[245] Die Vorigen. Ourdal. Zuletzt Kurl.


OURDAL noch außerhalb.

Laßt ein, Trabanten![245]

TRABANT außerhalb.

Herr, ein streng Verbot.

Erließ der König –

OURDAL heftig.

Weichet!


Er wirft die Wache zur Seite, und reißt die Thür auf.


Wenn der Tod,

Unangemeldet, plötzlich, wie der Räuber

In's Haus, darf brechen in der Kön'ge Leiber,

So dring' auch so die Kund' in ihr Gehör.

YNGURD.

Was habt ihr, Ourdal?

OURDAL ihn scharf ansehend.

Herr, ich habe mehr,

Als gut ist für ein bös Gewissen.

IRMA.

Kürzt,

Ich bitt' euch, Graf, die Nachricht ab!

OURDAL.

Ich thu's. –


Nach kurzer Stille, mit flammendem Blick auf den König.
[246]

Fürst Oskar ist aus eurer Burg gestürzt,

Und liegt, ein Leichnam, auf dem Felsenfuß.


Yngurd fährt heftig zusammen, schlägt, von Ourdal sich abwendend, beide Hände vor die Stirn, die Ballen auf die Augen gedrückt, läßt sie dann langsam wieder sinken, und bleibt starr und unbeweglich im Vorgrunde stehen. Brunhilde lehnt ihm gegenüber an einer der vordersten Säulen. Sie zeigt keine Spur von Ueberraschung, sondern bloß das Lächeln des Wahnwitzes, der sich klüger als die Vernünftigen dünkt. Asla wankt einige Schritte zurück, deckt die Augen mit den Händen, wendet letztere dann niederwärts und sieht starr auf den Boden, als ob Oskar vor ihr läge.


IRMA laut aufschreiend und sich an einer Säule haltend.

Allmächt'ger Gott!

MARDUFF.

Der sei mir gnädig! Er –

Es ist kein Zweifel – durch die Todespforte

Entsprang er aus dem schauervollen Orte.


Er eilt links ab.
[247]

IRMA.

Asla! Mein Kind! – Sie kann den Schreck nicht tragen!

ASLA.

Den Schreck? Ich steh' vor wohlbekanntem Bild.

Der Ritter liegt – der Ritter liegt erschlagen,

Zerschmettert, und weit von ihm liegt sein Schild!


Sie stürzt fort, dem Marduff nach.


IRMA folgt ihr mit zusammengeraffter Kraft.

Asla! Ihr nach! Laßt sie zur Leiche nicht!

Es gilt ihr Leben!

BRUNHILDE.

Braunhild lacht, und spricht:

Du zärtlich Ding! Geh, geh! dein Herzchen bricht.

YNGURD.

Du fürchterlicher, strenger Fürst der Nacht,

Bei'm Haar – bei'm Hauch hast du mich fest gehalten;

Den argen Willen aus des Herzens Falten

Gezogen auf die Zung' und ihn vollbracht,[248]

Ein Pfeil, der nicht zu halten in den Lüften.

War's Gottes Hand, die von des Vaters Triften

Mich hob auf einen Thron, so ward sie müd',

Den schwachen Riesen aufrecht zu erhalten,

Der Satan rief, weil ihn ein Mensch verrieth.

Ich fühle meines Lebens Mark erkalten,

Und wollte, daß ich von der Sonne schied',

Eh' sie von mir noch.


Kurl tritt ein und spricht heimlich mit Ourdal.


BRUNHILDE vor sich.

Braunhild lacht und spricht:

Der Bauer ist kräftig,

Der König ist heftig,

Der Teufel geschäftig:

Drum will ich den Bauer, den König nicht.

Die bräunliche Maid

Erwählte gescheit;

Der Bauer ist roth,

Der König ist todt –

Todt, über und über, im ganzen Gesicht.[249]

KURL zu Ourdal laut.

Sagt es dem König.

OURDAL.

Sag's ihm selbst, er scheint

Gar wohl gelaunt für deine Mähr.

KURL.

Ihr meint?


Ourdal geht, ohne Antwort zu geben, durch den Haupteingange ab. Kurl nähert sich dem König.


Herr, mich schickt Ritter Erichson. Der Feind

Wird stärker durch das schreckliche Gerücht

Von Oskars Tod, der Mordthat wird genannt.

YNGURD nachsinnend.

Feind? War nicht Friede mit dem Dänenland?

Was für ein Feind, Knapp?

KURL.

Ei, der Oskarbund.

»Ist Oskar hin,« so schreit die tolle Schaar,

»Sei König der, der unser Hauptmann war!«

YNGURD stolz.

Wer ist der Narr von Hauptmann?[250]

KURL.

Egrösund.

YNGURD.

Wer?

KURL.

Egrösund, Herr.

YNGURD.

Ha! Der Name zündet

Die Fackel meines Lebens wieder an.

Er hat an mir das Schmählichste gethan,

Weh über ihn, wenn Yngurds Schwert ihn findet!


Er will ab mit entblößtem Schwert.


KURL.

Wollt ihr nicht erst euch wappnen, Herr?

YNGURD.

Wozu?

Ich will nicht Fehde bieten dem Verräther;

Gewappnet nicht straft man die Missethäter.


Quelle:
Adolph Müllner: Dramatische Werke. Band 3, Braunschweig 1828, S. 245-251.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Vorschule der Ästhetik

Vorschule der Ästhetik

Jean Pauls - in der ihm eigenen Metaphorik verfasste - Poetologie widmet sich unter anderem seinen zwei Kernthemen, dem literarischen Humor und der Romantheorie. Der Autor betont den propädeutischen Charakter seines Textes, in dem er schreibt: »Wollte ich denn in der Vorschule etwas anderes sein als ein ästhetischer Vorschulmeister, welcher die Kunstjünger leidlich einübt und schulet für die eigentlichen Geschmacklehrer selber?«

418 Seiten, 19.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon