Dritter Auftritt

[488] Weinberl allein.


WEINBERL. Jetzt habe ich das Glück genossen, ein verfluchter Kerl zu sein, und die ganze Ausbeute von dem Glück is, daß ich um keinen Preis mehr ein verfluchter Kerl sein[488] möcht'. Für einen Kommis schickt sich so was nicht. Das kommt mir vor, wie unser Fräule, die sagt auch immer: »Es schickt sich nicht«, und derweil – Es g'schieht halt allerhand bei der Zeit, was sich nicht schickt.


Lied.


1

's hat einer a Geld herg'liehen ohne Intressen,

Der Schuldner tut aber aufs Zahl'n rein vergessen,

Der Gläubiger mahnt ihn stets mit Höflichkeit,

Doch der Schuldner, der find't sich beleidigt und schreit:

»Pressiern Sie mich nicht, Sie wern 's Geld schon noch krieg'n,

Sie Esel, ich werf Ihnen gleich über d' Stieg'n.«

Man glaubt nicht wie häufig das g'schicht,

Und es schickt sich doch offenbar nicht.


2

Man muß sehn im Kaffeehaus, wenn Karten g'spielt wird,

Wie s' zuschau'n und dreinplauschen ganz ungeniert,

Schau'n zwei'n in die Karten und raten dem dritten,

Ob er Karo oder Pick spiel'n soll – da muß i bitten,

Und tut sich bei ein Spieler ein Ultimo zeig'n,

Dem tun d' Zuschauer völlig am Buckel auffisteig'n.

Diese Unart fast überall g'schicht,

Und es schickt sich doch offenbar nicht.


3

A jung's und schlank's Töchterl, na der steht es gut,

Wann s' auch wie a B'sessene umtanzen tut,

Doch was soll man sag'n, wenn d' Mama mit 50 Jahr'n,

Umafludert mit frische Kamelien in Haar'n. –

So a Frau wägt drei Zentner oft, Sie, das is viel,

Hupft aber noch neckisch mit in der Quadrill.

Man glaubt nicht wie häufig das g'schicht,

Und es schickt sich doch offenbar nicht.[489]


4

's gibt Leut, die ein gern nur was Unang'nehms sag'n,

»Ach Sie schaun schlecht aus, Ihnen hat's schön beim Krag'n«,

»Gestern hat auf ein andern g'schmacht Ihr' Herzensdam«,

»Wer hat Ihnen den Rock g'macht, Sie, der steht infam«,

»Der Wag'n, den Sie kauft hab'n, ach, das is a Karr'n«,

»Ihr Stück hab' ich g'lesen, Sie, das is a Schmarrn.«

So sag'n s' alles den Leuten ins G'sicht,

Na, das schickt sich doch offenbar nicht.


5

Das steht so gut, wann die gebildeten Herrn,

Recht freundlich und zärtlich mit Dienstboten wer'n,

Und ganz franchement rennen beim hellichten Tag,

Wie die Windspiel ein schlampeten Kuchelbärn nach,

Und drucken ihr d' Bratzen, und lassen s' nit aus,

»O Engel sagen S' mir's, sein S' allein heut zu Haus?«

Man glaubt nicht wie häufig das g'schicht,

Und es schickt sich doch offenbar nicht.


Im Hintergrunde rechts ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 488-490.
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