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[79] Einstmals ging der alte E. von Wernigerode nach dem langen Bruche, um sich Feuerholz zu holen; er hatte sich eine Partie Holz gehauen, das trug er an das sogenannte Waschwässerchen, dort legte er es ab; darauf wollte er noch etwas suchen und blickte umher. Auf einmal rief Jemand: Auje! Auje! er ging auf das Rufen los und alsbald wurde er eine Frau gewahr, die that, als wenn sie Hemden oder Leinwand wusch. Der alte E. erschrack so sehr, daß er sein Beil aus der Hand fallen ließ, und die Frau verschwand vor seinen Augen. Plötzlich entstand ein so heftiger Windsturm, als wenn alle Bäume umfallen sollten; der alte E. wollte gleich zugehen, aber er suchte hin, er suchte her und konnte sein Holz, was er abgelegt hatte, nicht wieder finden. Endlich kam er an ein grünes Plätzchen, wo die Hexen ihre Ruhestätte hatten, wenn sie vom Brocken am 1. Mai zurückkehren. Halt, dachte E., jetzt kannst du nicht irre gehen, nun bist du an dem sogenannten grandigen Wege, er ging vorwärts, kam wieder an das Waschwässerchen und erblickte die Frau zum zweitenmale. Da erschrack er noch mehr, er hörte auch das Klatschen, als wenn Jemand Zeug wäscht, und war durch diesen Schrecken so betäubt, daß er gar nicht wußte, wo er war. Jedoch besann E. sich wieder und ging an dem langen Bruche hinauf, bis er auf den richtigen Weg kam, der nach Wernigerode führt. E. ging gleich über das sogenannte Rüstenbleek, über den Ochsenpaul bis nach dem Kreuzwege, wovon man jetzt noch sagt: auf diesem Wege haben sich sonst die Hexen versammelt, wenn sie in der Nacht vom 30. April zum 1. Mai nach dem Brocken gereist sind, um den dort liegenden Schnee wegzutanzen. Gott sei Dank, daß ich den Kreuzweg erreicht habe, sagte E., nun wird mir doch nichts mehr widerfahren! Es war aber dunkel geworden. Auf einmal hörte er, daß Jemand hinter ihm durchkam; er wartete[79] so lange, bis der herannahte. Guten Abend! sagte der, »Schön Dank! sagte E., wollen wir mit einander?« Das können wir. »Gottsblitz, das ist ja der alte Bollwerker H.« Ja freilich, Bruder. Aber, Bruder E., du hast dich lange aufgehalten. Da erzählte E., daß er zweimal die Frau beim Waschwässerchen gesehen hätte. »Weißt du was, Bruder, rief H., höre nur auf zu erzählen, ich habe genug, denn ich habe die Frau auch einmal gesehen, und auch so natürlich, wie sie im Waschwässerchen Windeln wusch, dadurch habe ich mich verloren und bin auf den langen Bruch gegangen, hast du denn mich da nicht bollwerken gehört?« Nein, sagte E.E. und H. gingen mit einander nach Hause. Den andern Morgen ist E. und H. krank geworden und beide haben dicke Köpfe durch den Spuk bekommen, und die Sage ist geblieben: »der Spuk« hat den alten E. und den Bollwerker1 beim Waschwässerchen fortgejagt.

Fußnoten

1 Bollwerker wird er genannt, weil er fortwährend lärmt und unruhig »bollwerkig« ist.


Quelle:
Heinrich Pröhle: Unterharzische Sagen. Aschersleben 1856, S. 79-80.
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