F. Frû Frêen, Frû Frîen, Frû Frêtchen.

[208] Bei Kuhn und Schwarz, Nordd. Sagen, Märchen und Gebräuche, werden in dem Gebrauch Nr. 180 S. 114, (vergl. auch die zugehörige Anmerk. S. 518) die Namen Frêen, Frîen, Frêke genannt.[208]

Mir wurde zunächst (in Ilsenburg) folgender Reim mitgetheilt:


Frû Frîen

wolle gêren frîen

un konne keinen krîen,

da feng se an de schrîen.


Auch ward in Ilsenburg erzählt:

Fru Frîen wollte immer freien in Hölzern, verbarg sich Nachts vor Regen und Schnee in Höhlen; sie ging gleich über Berg und Thal, war nicht schön und konnte Niemand bekommen, sie reiste die ganze Welt nach einem Freier aus. Hatte sie jemand, dann war er wieder fort und sie schrie furchtbar. Besonders zeigt sie sich bei Bäumlers Klippe vor Ilsenburg. Sie ging vor Sonnenaufgang aus, tödtete einen Köhlerjungen, geht über Meineberg und Westerberg. Sie spukt bis heute und zeigt sich des Abends zur Zeit der Uhlenflucht.

Andere erzählen ohne einen Namen zu nennen, unter der Bäumlers Klippe her komme eine Frau im weißen Hemde und in einer weißen Mütze und verschwinde in Kalbogens Garten.

Ein Mann aus Ilsenburg ging Morgens im März ins Holz, früher als er gewußt hatte, daß es an der Zeit sei. Da begegnete ihm eine Frau in einer Haube und langen weißem Gewande. Er fragte, wohin sie wolle, und sie sagte: »Von hier nach der Haidewisburg,« welche bei Goslar liegen soll.

Anfang Juli 1855 wurde die Frû Frîen wieder von einem Burschen gesehen.

In Langeln sagt man Faßlabend: Jungens spinnt jue Dieße af, Süß kummet de Frûe Frêe Un kackt in de Heee.

Einen sehr verwirrten Bericht hörte ich zu Veckenstedt, wo man auch Frû Frêtchen sagt, von Kindern und von einer steinalten Frau. Bei der großen Wichtigkeit des Gegenstandes hebe ich dasjenige daraus, was noch den meisten Sinn gibt, hervor:

Frû Frêen ist im Himmel gewesen und wurde von den[209] Leuten um Rath gefragt. Sie hielt sich unter den Weiden bei Veckenstedt auf. Sie machte Musik, tanzte viel und fiel zuletzt ins Wasser.

Auch Märchen von Frû Frêen sind vorhanden. Ich theile zunächst eine Variante aus Ilsenburg zu dem Märchen: Horle, Horle-Wip (Märchen für die Jugend, Nr. 20) mit:

Ein armes Mädchen wollte sich vermiethen, ging deshalb näher und kam endlich auf ein königliches Schloß. Dort wurde sie gefragt, was sie denn könne. Sie sagt, sie könne Gold und Silber spinnen. Sie fragten: was sie zum Silber spinnen haben wolle, und sie sagte Roggenstroh. Sie hatte es aber nur aus Angst gesagt und konnte es nicht. Da klopfte es an die Thür und die Frû Frêe mit den groten Dume kam herein. Sie weinte und sagte, daß sie ihr Versprechen nicht erfüllen könne. Die Frû Frêe fragte: ob sie was zu leben hätte, und da aß sie Alles auf was da war, denn sie konnte sehr essen. Danach ging es immer hurr, hurr, hurr, und sie spann Alles auf. In der nächsten Nacht wollte sie wieder kommen. Das Mädchen sollte alles Essen aufheben und nun wollte sie das Gold spinnen. Auf dem Schlosse war große Freude. In der Nacht klopft es wieder und Frû Frêen kommt. Nun nimmt sie das Waizenstroh und spinnt das Gold. Sie ziehn sie ordentlich an und der Prinz heirathet sie. In der ersten Nacht aber nach ihrer Niederkunft kommt die Frû Frêen und sie muß das Kind hergeben. Deshalb wollte die Schwiegermutter den König aufhetzen, aber vergebens. Nachher bekam sie wieder einen Sohn. Da sagte die Frû Frêen, das Kind sollte sie behalten, und wenn sie rathen könne, wie sie hieße, so sollten sie ihr erstes Kind auch wieder haben. Damals stellte aber der König eine Jagd an und es fügte sich, daß er auch vor die Höhle kam, worin die Frû Frêen war. Da ging die Frû Frêen in der Höhle immer hin und her und sprach:


Hüte will ik bruen,

Morgen will ik backen,

Öwwermorgen will ik en kleinen Königssohnen haben,

Weil de jnnge Frue nicht weit,

Dat ik Pumpernelle heiß.


Pumpernelle war nämlich ihr Vorname, Frû Frêen ihr Zuname. Der König erzählte dies zu Hause und als[210] die Königin rathen mußte, sagte sie zuletzt den Namen Pumpernelle. Danach sagte sie auch, daß sie nun bald sterben müßte. Der König solle hinaus und das Kind holen, das Kind aber solle alle ihr Gold von ihr haben. Das Gold aber hatte sie in einem großen Kasten, und das Kind mußte mit goldnem Spielzeug spielen. Ihr Sarg stand auch schon da und der König mußte ihr Begräbniß besorgen.

Auch wird Folgendes erzählt: Es war eine Frau, die wurde Frû Frêen genannt, und wohnte allein im Walde. Sie war eine Hexe und hatte eine Pflegetochter. Die Alte näherte sich mit Spinnen und spann am Tage 15 Löppe mit ihrem dicken Daume, und sagte immer:


Hurre, hurre, hurr,

All wedder 'n Lob vull.


Ihre Tochter sollte dies auch lernen. Sie schickte sie in's Holz, daß sie sich eine »Wäseke« (Wase) holte und versprach ihr einen rothen Apfel, wenn sie heimkehrte. Den gab sie ihr auch. Nun sagte sie: »Meine Tochter, komm, nun will ich Dir das Spinnen lehren.« Da setzten sie sich beide hin und das Kleine mußte immer sagen:


Hurre, hurre, hurr,

All wedder 'n Lob vull.


Die Alte hatte aber auch immer die Hand mit an dem Wocken, darum war es auch wirklich so, und war zu gleicher Zeit gehaspelt und gesponnen, und waren goldne Löppe. Das Mädchen wuchs nun und wurde groß, und es fand sich auch ein Freier dazu, der war ein Köhler, der ging zu der Alten in das kleine Haus im Walde. Die Junge bewog auch die Alte, daß sie ihre Einwilligung zu der Heirath gab, doch sagte sie: »so wie Du nicht spinnst, so habt Ihr kein Brod, denn Dein Mann wird faul werden und zuletzt nichts mehr thun wollen.« Sie sollte aber ihrem Manne nicht sagen, wie sie es machte. So hatten sie Hochzeit, lebten ganz glücklich und verdienten viel. Auch bekamen sie zuweilen Besuch von der Alten. Einst erfuhr der Mann von der Sache, da beschuldigte er seine Frau der Hexerei und wollte sie fortjagen, doch geschah dies nicht, und er hat nur von der Zeit an selbst gearbeitet.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Unterharzische Sagen. Aschersleben 1856, S. 208-211.
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