Nr. 47. Sage vom alten Wernigeröder Waisenhause.

[28] Eine vornehme Dame zu Wernigerode hatte zwei uneheliche Kinder. Diese setzte sie aus und die Stadt Wernigerode nahm die Kinder in das Waisenhaus, welches dann abbrannte. Zu der Zeit aber war eine große Teuerung, den Waisenkindern wurde das Brot sehr knapp zugereicht. Da erhielten die beiden Kinder einst gemeinsam ein Brot und darum schlugen sie sich einander tot. Die Mutter hatte die Kinder immer beobachtet, aber, um sich nicht zu verraten, trotz ihres Reichtums nicht gewagt, ihnen beizuspringen. Als sie den Mord erfuhr, grämte sie sich zu Tode, und es soll noch immer in dem[28] alten Waisenhause, das früher ein altes Kloster gewesen sein soll, gespukt haben. Auch das Blut der beiden Knaben soll in dem alten Waisenhause immer noch zu sehen gewesen sein.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 28-29.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Harzsagen
Harzsagen - Sagen des Oberharzes 1859 - Band 1 (von 2)
Harzsagen - Sagen des Unterharzes 1859 - Band 2 (von 2)