Nr. 65. Die Mainacht.

[39] In der Wolpersnacht (Walpurgisnacht) stellen die jungen Burschen den Mädchen Besen vor die Thür und necken sie dann am Morgen mit dem Hexenritt. Man reitet aber auch auf Bäumen und Buttertrampeln (Butterfässern) in der Mainacht nach dem Brocken. Die Hexen tanzen in der Walpurgisnacht den Schnee auf dem Brocken weg. Sie reiten dahin auf Ziegenböcken und abgenutzten Tieren, auch auf Pferden. Deshalb heißt es heutigen Tages noch am 1. Mai in Wernigerode: »Wenn ich Dir meinen Fuchs oder meinen Schwarzen nicht geborgt hätte, so lägest Du noch am Renneckenberge oder an der Pleßburg« (beides am Brocken). Oder man ruft die Leute an: »Höre, wann willst Du mir mein Geld bezahlen?« Wird darauf gefragt: Was für Geld? so heißt es: »Weißt Du nicht mehr, daß Du noch oben (auf dem Brocken) lägest, wenn ich nicht Deine Zeche für Dich bezahlt hätte?« Von den Weißdornen, woran das sogenannte Molderbrot wächst, springen in der Wolpernacht die Spitzen ab. Hieran ist, wie man in Schierke am Brocken glaubt, der Brockenbesuch in der Mainacht schuld.

Schneider Dankemeier in Hüttenrode setzte sich dort am 1. Mai nachts zwischen 11 und 12 hinter den Fischer'schen Gasthof. Er hatte sich von Tausendgüldenkraut einen Kranz aufgesetzt. Es kamen aber drei Frauen durchgesaust, die eine auf einem Ziegenbocke, die zweite auf einem Esel, die dritte auf einer Gans.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 39.
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