Nr. 116. Kaiser Heinrich IV. und der Dom zu Goslar.

[81] Kaiser Konrad II. war schon willens gewesen, das Stift von der Harzburg nach Goslar zu verlegen, mußte aber, vom Tode übereilet, diese Ehre seinem Sohne und Reichserben Heinrich III. überlassen und hat nur eine Kirche zur Ehre der Jungfrau Maria in Goslar erbauet.

Im Jahre 1051 hat Kaiser Heinrich III. herrlich vollendet, was sein Vater angefangen. Denn er hat in Gegenwart von 73 Prälaten, Äbten, Bischöfen und Erzbischöfen das freie Exemtstift zu Goslar mit großem Pomp und Herrlichkeit entweder durch Papst Leo IX. oder durch Hermann, Erzbischofen zu Köln, einweihen lassen.

Es hat auch der Kaiser mit vielen Reliquien und Heiligtümern den Dom zu ehren nicht unterlassen, vor allem mit dem Leibe des heiligen Valerius, der ein Bischof zu Trier gewesen. Überdies hat er von dem Papste viele Reliquien von den Aposteln Petro und Paulo erbeten, zwei Schultern der heiligen Simonis und Judä, wie auch das Haupt des heiligen Servatii, einen Teil von dem Blute des heiligen Stephani, den Leib des heiligen Matthiä, der von den Trierschen mit großen Gütern ist erkaufet worden, und noch viele andere, welche zu der Zeit hochgehalten[81] worden und der Kirche ein treffliches Ansehen gegeben haben.

Die Einweihung ist geschehen am Tage der Märtyrer Processi und Martiniani, welches ist der andere Juli, und ist gewidmet zur Ehre der heiligen Mutter Gottes und der heiligen Apostel Simonis und Judä. Ursprünglich wurde die Kirche nach der Maria, später nach den Aposteln genannt.

Im Jahre 1063 beging des Kaisers Nachfolger, Heinrich IV., den Christtag zu Goslar, an welchem Feste ein großes Ärgernis geschehen, das der Geistlichen Ehrgeiz der ganzen Welt gegeben. Am Weihnachtstage, wie des abends die Stühle der Bischöfe zurecht gesetzet worden, hat sich ein großer Streit erhoben zwischen den Kämmerern Hecelonis, Bischofs zu Hildesheim, und Wiederadi, Abtes zu Fulda, und sind sie von Worten zu Schlägen gekommen, hätten auch endlich zum Degen gegriffen, wenn nicht das Ansehen Ottonis, Herzogs in Baiern, welcher es mit dem Abt hielt, die Sache gestillet hätte; die Ursache war aber diese. Es war eine Gewohnheit im Reiche, so von langen Jahren her war in Acht genommen worden, daß der Abt in allen Versammlungen nächst dem Erzbischofe von Mainz seine Stelle nehme. Aber der Bischof wendete ein, daß in seiner Inspektion außer dem Erzbischofe ihm niemand müßte vorgezogen werden, und war überdies mutig wegen seines Reichtumes, und wurde gereizet durch die Gelegenheit, indem bei des Königes jungen Jahren ein Jeder thun mochte, was ihn gelüstete.

Am folgenden Pfingstfeste ist dieser Zank wegen des Vorsitzes zu einem gräulichen Blutbade ausgeschlagen, womit in der Kirche selbst nicht dem heiligen Geiste, sondern dem Teufel ein reichlich Opfer gebracht ist. Als der König und die Bischöfe in der Vesper zusammengekommen waren, ist wiederum wegen der Ordnung der Stühle ein Lärm entstanden, nicht wie zuvor von ungefähr, sondern aus lang bedachten Anschlägen. Der Bischof zu Hildesheim, des vorigen Schimpfes eingedenk, hatte Graf Eckberten mit vielen Soldaten hinter dem Altare verstecket, welche, nachdem sie den Wortstreit der Kämmerer gehöret, eilig hinzuliefen, und schlugen die[82] Fuldischen teils mit Fäusten, teils mit Prügeln, und verjageten sie, als die unversehens überfallen waren, leichtlich aus der Kirche. Die Fuldischen aber machten geschwinde Lärm, und weil es ihnen nicht an Gewehren fehlete, fielen sie haufenweise in die Kirche, und fingen mitten auf dem Chor unter den singenden Domherren nicht, wie vor, mit Prügeln, sondern mit Degen den Streit an. Es wurde eine grausame Schlacht, und wurde in der ganzen Kirche, anstatt geistlicher Gesänge, nichts anderes gehöret als Zurufen der Soldaten und Heulen der Sterbenden. Auf dem Altar Gottes wurden jämmerliche Menschenopfer geschlachtet, und flossen hin und wieder durch die Kirche Ströme Blutes, »nicht wie für diesem nach den Gesetzen des Gottesdienstes,« sondern durch feindliche Grausamkeit vergossen. Der Bischof zu Hildesheim stellete sich auf einen erhabenen Platz und ermahnete die Seinen, daß sie tapfer fechten sollten, und damit sie nicht durch die Heiligkeit des Ortes von dem Streit abgeschrecket wurden, schützete er sein Ansehen vor und versprach, daß er es verantworten wollte. Unter diesen Streit rief der König und beschwor das Volk bei der königlichen Majestät, aber es war, als wenn er Tauben was geprediget hätte. Endlich von den Seinen gebeten, daß er doch aus dem Streite weichen und seines Lebens schonen möchte, hat er sich kaum durch das Gedränge des Volkes hindurchwinden und in seinen Palast salvieren können. Die Hildesheimischen, welche sich zum Streite geschicket hatten, wurden Meister. Die Fuldischen, als welche unbewehret und unvermutet dieser entstandene Sturm zusammengetrieben, wurden geschlagen und aus der Kirche gejaget. Die Thüren wurden alsbald verriegelt. Die Fuldischen, welche bei dem ersten Tumult ihr Gewehr herbeischaffen sich etwas weit gemacht hatten, liefen wieder häufig zusammen, nahmen den Vorhof der Kirche ein, machten eine Schlachtordnung, daß sie in die Feinde im Ausgehen aus der Kirche recht einfallen könnten. Aber die Nacht hat endlich den Streit geendiget.

Das Blut ist zuletzt aus den Thüren geflossen. Vielesind verwundet von beiden Seiten, viele auf dem Platze geblieben, unter welchen waren Reginbodo, ein fuldischer Fähn[83] rich, und Bero, der Graf Eckberten ein lieber Soldat war. Auch Buko, ein Bischof zu Halberstadt, welcher genannt wird ein Schürer der Flammen im Sachsenlande, blieb da tot und lieget begraben zu Ilsenburg. Ingleichen ein Graf von der Sommerschenburg blieb da auch tot und lieget begraben mitten in dem Münster, weil er ihm die Güter zu Schlanstedt und zu Dedeleben gegeben hatte. Noch andere Adelige aus Schwaben, Baiern, Franken und aus diesem Sachsenland wurden da getötet. Da ward gehöret der Teufel, der in das »Hunc diem gloriosum fecisti!« mit grober Stimme dazwischen sang: »Düssen Dag des Strietes hewwe ek emaket.« Und dabei ist er auch gesehen, war feuerrot anzuschauen und bläkte eine feurige Zunge heraus. Das Erscheinen des Teufels im Dom zu beweisen, pflegte noch im siebenzehnten Jahrhundert gezeigt zu werden ein Loch, wodurch der Geist der Finsternis soll gerufen haben, welches, wie man dafür gehalten, nicht hat können zugemauert werden. Eine so große Übelthat ist ungestrafet geblieben, weil Graf Eckberten, der des Kaisers Vetter war, aus Gunst ist übergeholfen worden, und der Abt mit einer großen Summe Geldes sich loskaufte.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 81-84.
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