Nr. 153. Der Freischütz vom Zellerfeld.

[140] Bei einem Förster war ein Jägerbursche in Dienst, der konnte jede beliebige Kugel als Freikugel schießen. Der Förster hatte einen dreizehnjährigen Knaben, der wollte auch die Kunst lernen. Er quälte deshalb den Jäger alle Tage, sie ihm beizubringen. Der Jäger sagte zu dem Knaben: wenn er konfirmieret würde, sollte er den wahren Leib behalten und nach Hause bringen, das weitere wollte er ihm dann noch sagen. Ein halbes Jahr nachher wurde der Knabe konfirmieret und brachte den wahren Leib mit nach Hause. Der Jäger ging mit ihm ins Holz, spendelte das Brot an einen Baum, lud das Gewehr und gab's dem Knaben, der nun nach dem Brote schießen sollte. Der weigerte sich und sagte, nach der Oblate könnte er unmöglich schießen. Der Jäger aber sagte, jetzt müsse er nach der Oblate dreimal schießen oder er wäre verloren. Der Knabe nahm das Gewehr, schoß nach der Oblate dreimal, und traf jedesmal bei alledem daß er nicht danach gezielet hatte.

Seit dieser Zeit hat er freie Kugeln schießen können. Nachher ist er Förster geworden und hat manchmal seine Geschicklichkeit sehen lassen des Spaßes wegen. Wenn er zuweilen an langen Winterabenden Gesellschaft gehabt, so hat er gefraget[140] was sie essen wollten, Hasenbraten, Rehbraten oder einen Auerhahn. Dann hat er seine Flinte genommen, blindlings zum Fenster hinausgeschossen und gesagt: gehet in den Garten, oder: gehet in den Hof, oder: auf die Gasse, da liegt's. Und wenn sie dahin gegangen sind, wo er gesagt hat, haben sie es gefunden. Zuweilen hat er auch gefraget, wo's liegen sollte, und jedesmal hat's da auch gelegen, wo es die Leute haben wollten. Bei seinem Tode hat ihm der Teufel den Hals umgedrehet, und rings um den Hals hat er einen blauen Streifen gehabt wie ein blaues Halsband.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 140-141.
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