Nr. 274. Die Anhaltsburg.

[251] Ein Fuhrman aus Harzgerode namens Lumme, dessen Abkömmling dies und vieles andre erzählete, fuhr mit Laubholzhecke ins Land. Am Lehmufer begegneten ihm zwei Männer. Sie frageten ihn, ob er auf dem Anhaltsberge Bescheid wüßte und die Lehmkuhle dort kenne neben einer Esche. Er sagte: ja und führete sie hin. Sie sagten aber, es sei die richtige Lehmkuhle nicht, zu der er sie führete, und brachten ihn zu einer kleineren, wo unter einer Esche der Schlüssel, die Pfanne und der Dreifuß war. Er mußte nun trockenes büchenes Holz holen, damit sie ein Feuer anmachen[251] könnten. Als er aber mit dem Holze kam, loderte ihr Feuer schon. Nun zog einer der beiden ein Ei aus seinem Ranzen, daraus wieder zog er einen Papierkranz mit geschriebenen Worten, den legte er um alle drei her. Da zog der andere ein Buch aus seinem Ranzen und las bis eine Schlange kam. Danach griff der erste, fassete sie mit einer Hand beim Kopfe, mit der anderen beim Schwanze und der andre schnitt ihr gleich den Kopf ab. Sie wurde in drei Teile geschnitten, in die Pfanne geleget und in Butter gebraten. Dann wurde der Begleiter zum Essen genötiget, aß aber nicht und es wurde ihm gesaget, daß er nun nicht mit den beiden Venedigern gehen könne. Der eine las dann wieder und eine Thüre that sich auf. Der Begleiter, dem alles bestimmet gewesen war, mußte zwei Schritte vor der Höhle stehen bleiben und sahe hinein wie in eine hellglänzende Zinnbude. Die beiden fülleten ihre Ranzen. Dann griffen sie noch dreimal rückwärts mit der Hand ohne hinzusehen und gaben dem Manne, was sie nun darinnen hatten. Sein Fuhrwerk stand auf der alten Stelle.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 251-252.
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