Drittes Kapitel.

[18] Wie Gargantua eilf Monden im Mutterleibe getragen ward.


Grandgoschier war zu seiner Zeit ein guter Schäker, liebte sowohl als irgend einer damals auf Erden, rein auszutrinken, und aß gern Gesalzenes. Zu dem End führt' er für gewöhnlich einen ganzen Schub Mainzer und Bayonner Schunken, Rauch-Zungen die schwere Meng, Würst im Ueberfluß wann die Zeit war, und gepökelt Rindfleisch mit Mustrig: Lasten vvn Botargen, Salsuzen-Vorrath, nicht Bologneser (denn er scheut' sich vor den Lombardischen Mundbißlein) sondern von La Brene, Bigorre, von Longaulnay und von Rouargue. Als er zu seinen Tagen kommen, nahm er zum Weibe[18] Gurgelmilten, die Tochter des Königs der Millermahler, ein schönes Trüserle, hübschen Visiers, und machten die Beyden öfters zusammen das Thier mit zween Rücken, rieben sich den Speck an einander lustiglich, bis sie von einem schönen Sohne schwanger ward, und denselben trug bis in den eilften Monat.

Denn so lang und länger können die Weiber Leibesfrucht tragen, insonderheit wenn es ein Wunderwerk der Natur ist, und eine Person die ihrer Zeit mannhafte Thaten verüben soll. Wie Homer sagt daß das Kind womit Neptunus die Nymph beschwängert, zur Welt kam, nachdem ein Jahr herum war: dieses war aber der zwölfte Monat. Denn (wie Aulus Gellius Lib. 3. spricht) war diese lange Zeit der Majestät Neptuni schicklich, damit in selbiger das Kind zur Vollkommenheit kam und gebildet wurde. Aus gleichem Grund ließ Jupiter die Nacht da er Alkmenen beywohnt', an achtundvierzig Stunden dauern, weil er in einer kürzern Zeit den Herkules, der unsre Welt von Tyrannen und Bestien säuberte, nicht hätte fabriziren mögen.

Die alten Herren Pantagruelisten haben bestätigt was ich sag, und haben das Kind das eine Frau im eilften Monat nach ihres Mannes Tod gebieret, nicht nur für möglich, sondern für rechtmäßig erkannt:

Hippokrates Lib. de Alimento.

Plinius Lib. VII, Cap. 5.

Plautus in Cistellaria.

Marcus Varro in der Spottschrift das Testament betitelt, wo er des Aristoteles Autorität über diesen Punkt citiret.

Censorinus Lib. de die natali.

Aristot. Lib. VII. Cap. 3. et 4. de natura Animalium.[19]

Gellius Lib. III. Cap. 16. Servius in Ecl. IV. wo er den Vers des Virgilius auslegt:


Matri longa decem, etc.


und andre tausend Fantastenköpf mehr, deren Anzahl noch durch die Legisten verstärkt wird ff. de suis, et legit. l. intestato. § fin. Et in authent. de restitut. et ea quae parit in undecimo mense.

Ja haben noch expreß darüber ihre speckhäkliche Lex geschmieret: Gallus ff. de lib. et posthum. et l. septimo ff. de stat. homin. nebst andern die ich für itzt nicht nennen mag.

Mittelst welcher Gesetz die Wittwen nach ihrer Männer Hinschied ganzer zween Monat lang des Bürzelspiels auf Hieb und Stoß und alle Trümpf los kecklich pflegen und brauchen dürfen. Ich bitt euch doch gar schön, ihr lieben Haverlinger, wo ihr deren etwann trefft die sich des Aufnestelns verlohnen, sitzt auf und reitet mir sie vor! denn wenns im dritten Monat fängt, wird ihre Frucht des Verblichenen Erbe. Und ist die Schwangerschaft erkannt, stecht frisch drauf zu, so geht das Schifflein, dieweil das Ränzel die rechte Last hat.

Wie sich auch Julia, des Kaisers Octaviani Tochter, niemals ihren Paukern ergab, ausser wann sie sich schwanger spürt'; nach gutem Schiffs-Brauch, welches seinen Steuermann nicht einnimmt, wenn es nicht wohl zuvor kalfatert und geladen ist.[20]

Und wo sie jemand drum schelten wollt daß sie sich also pomeißeln liessen in ihre Schwangerschaft hinein, hinsichtlich doch die Thier selbst niemals ihre trächtigen Leiber dem Männlein zu bemänneln erlauben: so antworten sie daß dieß Thiere sind, sie aber Weiber, wohlbekannt mit denen schönen angenehmen Rechten der Superfötation; wie weiland Populia nach dem Bericht Macrobii im zweyten Buch der Saturnalien zur Antwort gab. Wills aber der Teufel nicht haben daß sie schwanger werden, dann heißts, Spund zu und wisch das Maul.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 18-21.
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