Siebentes Kapitel.

[29] Wie Gargantua benamset ward, und wie er sich zur Tränk hielt.


Während der gute Mann Grandgoschier noch zecht' und mit den Andern schwärmet', hört er das mörderliche Geschrey welches sein Sohn bey seinem Eintritt in dieses Licht der Welt erhub, als er zu Trinken! zu Trinken! brüllte: und sprach: I gar! kannt du aa schon fein dursten! Welches als die Gäst vernahmen, sagten sie daß er um dieserwillen durchaus Gargantua heissen müßt, weil dieß das erste Wort seines Vaters bey seiner Geburth gewesen wär; nach Fürgang und in Nachahmung der alten Hebräer. Hierin war derselbe ihnen auch gern zu Willen, gefiel auch seiner Mutter wohl. Und um ihn zufrieden zu stellen brachten sie ihm zu trinken was oben ein wollt: und ward nach frommer Christen Sitt zur Tauf getragen und getauft.

Und wurden siebzehntausend neunhundert und dreyzehn Küh von Pautillé und Brehemond verschrieben, für gewöhnlich ihn zu säugen; denn eine bastante Amm zu finden war im ganzen Land unmöglich, in Betracht der grossen Mengen Milch die zu seiner Nahrung erforderlich war. Zwar wollen ein Paar Skotistische Doctoren behaupten daß seine Mutter ihn gestillt hab und daß sie vierzehnhundert zwey Pipen neun Maas Milch auf jeden Ruck aus ihren Brüsten hab melken können. Aber es ist der Wahrheit nicht ähnlich, und dieser Satz mammaliter pro scandaloso, wehmüthigen Ohren ärgerlich, und schon von weitem nach Ketzerey ausdrücklich stinkend erkläret worden.[30]

In solcher Weis bracht er ein Jahr und sechs Monden hin, um welche Zeit man nach dem Rath der Aerzt ihn anfing auszutragen, und ward nach Angab des Jahn Denyau ein schönes Ochsen-Kärchel gebauet, in selbem kutschirt' man ihn fröhlig umher: und war eine Lust ihn anzusehen, denn er hätt ein hübsch Göschlein, wohl zehn Kinn am Hals, schrie auch fast wenig; dafür aber bekackt' er sich zu allen Stunden, denn er war eines ungebührlich durchschlägichen Gesässes, theils aus natürlicher Complexion teils durch zufälligen Habitum, den ihm das viele Saugen des September-Traubenmüsleins zuzog. Doch sog er davon keinen Tropfen ohn Ursach; denn wenn sichs traf daß er verdrüßlich, dickschnutig, bös, oder mogrich war, wann er schrie, strampelt', heult', und man bracht ihm zu trinken, gleich kam er euch wieder zu sich und war ganz still und guter Ding. Seiner Wärterinnen eine hat mirs auf ihre Tru geschworen er hätt dieß also in der Art daß er beim blosen Schall der Kannen und Flaschen schon in Verzückung käm als ob er die Freuden des Paradieses im Voraus schmeckt'; derhalb sie in Betrachtung dieser göttlichen Eigenschaft, um ihn am frühen Morgen aufzuheitern, mit einem Messer an die Gläser klinkten, oder mit Flaschen-Spunden, oder mit Kannen-Deckeln klirrten: auf diesen Schall würd er gleich lustig, hüpft' auf und wiegt' sich selber ein mit dem Kopfe lottend, monochordirt' mit den Fingern und barytonirt' mit dem Arß.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 29-31.
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