Neun und Dreyssigstes Kapitel.

[123] Wie der Mönch vom Gargantua herrlich tractiret ward, und von den schönen Tischreden, die er führt'.


Als nun Gargantua bei Tisch saß, und die ersten Bissen hinunter hätt, fing Grandgoschier den Anlaß und die Ursach[123] des Krieges zwischen ihm und Pikrochol zu erzählen an, und kam auf den Punkt vom Bruder Jahn Klopfleisch, wie selbiger in Vertheidigung des Klostergartens victorisirt hätt, und erhub seine Thaten über die Thaten des Camillus, Cäsar, Scipio, Pompejus und Themistokles. Da begehrt' Gargantua, daß man sogleich nach ihm schicken sollte, mit ihm des weiteren Raths zu pflegen. Auf ihr Geheiß ging sein Hofmeister nach ihm, und führt' ihn auf Grandgoschiers Maulthier lustig mit seinem Kreuzstock daher. Als er ankam, da gabs nichts als Herzen und Küssen, tausend Umfangens, tausend Willkommen und Zärtlichkeit. He, Bruder Jahn, mein Freund! Bruder Jahn, mein grosser Vetter! Bruder Jahn, in des Teufels Namen, die Accollad, mein Freund! Umärmelt mich auch! Sa sa, Cujonel! ich erdrück dich vor Lieb. Und Bruder Jahn walzt' hin und her, nie hat man einen so höflichen, galanten Menschen ersehen. Sa, sa, spricht Gargantua, setz ihm einen Schemel hie neben mich, auf diese Eck! – Ist mir gar recht, antwort der Mönch, weils euch so lieb ist. He, Bub! Wasser! schenk, mein Sohn, schenk her, das wird mir die Leber kühlen. Gieb her, daß ich mich gurgel! – Deposita cappa, sprach Gymnastes, thut erst die Kutt ab. – Da sey Gott für! mein Junkherr, spricht der Mönch, es ist in Statutis ordinis ein Kapitel, dem würd der Haudel nicht gefallen. – Ey Quark, Quark, sprach Gymnast, für euer Kapitel. Die Kutt erdruckt euch die Achseln, thuts ab. – Laß, spricht der Mönch, laß mirs, mein Freund, denn bey Gott ich sauf nur deß besser drinn, sie erhält mir den Bauch ganz warm und lustig: wenn ichs fahren ließ, die Herren Buben schnitten nur Hosenbendel draus, wie mirs einmal zu Coulaines ergangen. Zudem so hätt ich auch weder Hunger noch Durst ohn Kutt: setz ich mich aber in diesem Rock zu Tisch, bey Gott! so sauf ich dich nieder samt deinem Gaul. Und nur frisch auf! Gott woll die Gesellschaft vor Schaden trösten. Ich hab zwar wohl zu Nacht gespeißt, werd aber drum nicht minder schlingen;[124] ich hab einen Magen, der ist gepflastert und hohl, wie Sanct Bendixens Stiefel. Allzeit steht er offen, wie eines Advokaten Schnappsack. Von allem Fisch, ausser vom Schleyn – nehmt Rebhuhnflügel, oder Nonnen-Bein. Heißt das nicht dudeldick gestorben, wenn man stante pene stirbt? Unser Prior ißt gern das Weiß an den Kappaunen. – Darinn, sprach Gymnastes, gleicht er just nicht den Füchsen, denn die fressen von den Kappaunen, Hühnern und Küchlein, die sie fangen, niemals das Weiß. – Warum? spricht der Mönch. – Weil sie, antwort Gymnast, keine Köch han, dies ihnen kochen, und wenn sie nicht competentlich gekocht sind, bleiben sie roth, und werden nicht weiß. Die Röth des Fleisches zeiget an, daß es nicht sattsam gesotten ist; ausgenommen die Hummern und Krebs, die man zu Cardinälen erst siedet. – Feste Dieu Bayard! rief hier der Mönch aus, unser Kloster-Siechwart muß also einen sehr schwachgesottenen Kopf han, denn die Augen sind ihm so roth als wie ein ellern Schaff. Dies Hasenbeinel ist gut fürs Podagra.

Aber ad vocem! (wie Faust aufs Aug,) warum sind Jungfern-Beinel stets frisch? – Dieß Problema, sprach Gargantua, steht weder im Aristoteles noch Alexander von Aphrodis, noch Plutarch. – Es geschieht, spricht der Mönch, aus dreyerley Gründen, dadurch ein Ort natürlich erfrischt wird. Primo, weil das Wasser fein nach der Läng daran ablauft. Secundo, weil es ein schattiger, dunkler und finsterer Ort, da nimmer kein Sonn hin scheint. Und drittens, weil er beständig durchs Wetterloch des Bisen-Windes, der Hemden-Zephyr, auch überdieß des Hosenlatzes durchluftet wird. Und holla, frisch auf! Bub zum Zapfen! Schlap schlap schlap. O des grundgütigen Gottes, der uns den[125] edlen Trunk erschafft! Gott tröst mich, wenn ich zu Christi Zeiten gelebt hätt, die Juden hätten ihn nimmer im Oelberg greifen sollen. Und der Teufel schneid mich, wo ich nicht den Herrn Jüngern die Spannadern glatt zerschnitten hätt, daß sie so hasenherzig liefen, nachdem sie doch gut zu Nacht gespeißt, und ihren lieben Meister in der Noth verliessen. Ich hass ärger denn Gift einen Menschen, der flieht, wo er die Kling sollt führen. Hum! daß ich nicht König in Frankreich bin, auf achtzig oder hundert Jahr! bey Gott, ich wollt die Läufer von Pavia stutzen wie Pudelhund. Daß das Quartanfieber drunter schlag! Solltens nicht eher da g'storben seyn, als ihren lieben guten König also in Nöthen stecken lassen? Ists nicht besser und ehrlicher, standhaft zu sterben in gutem Strauß, als schändlich fliehend am Leben bleiben? Junge Gäns wirds heuer nit setzen. Ha, mein Freund! lang mir doch von dem Spanferken. Diavol! ist auch kein Most mehr dran. Die weichen Eyer sind hart geworden. Germinavit radix Jesse. Ich will des Tods seyn, wenn ich nicht Dursts sterb. Dieser Wein ist nicht der bösest. Was für Wein tranket ihr zu Paris? Ich sey des Teufels, wo ich da nicht einmal über sechs Monat lang freye Herberg und offene Tafel gehalten hab. Kennt ihr den Bruder Claudi von Hault Barrois nicht? O des schmucken Gesellen! Aber was hat ihn für ein Muck gestochen daß er itzt, ich weiß nicht seit wann, nichts weiter als studiren treibt? Ich studir gar nicht, für mein Theil. In unserm Kloster wird halt nimmer studirt, aus Furcht vorm Ohrenfluß. Unser seliger Abt sagt', ein gelehrter Mönch wär wie ein ungestalt Meerwunder anzusehen. Bey Gott, mein gnädigster Herr und Freund, magis magnos clericos non sunt magis magno sapientes.[126] Ihr habt euer Lebenlang nicht so viel Hasen, als dieß Jahr giebt gesehen. Ich hab weder Habicht noch Falkenmännlein auftreiben können, wo ich auch darnach aufstellt'. Der Herr von Belloniere hätt mir zwar einen Sperber verheissen, aber neulich schrieb er mir, er hätt den Keuch kriegt. Die Rebhühner fressen uns heuer die Ohren noch ab. Ich hab kein Lust am Streichgarn, denn ich verschlag mich nur dabey. Wenn ich nicht allzeit lauf und hetz, ist mir nit wohl. Wiewohl mein Kutt brav Haar läßt, wenn ich so über Zäun und Sträuch spring. Ich hab einer edeln Windhund erhalten: schenk ihn dem Teufel, wenn ihm ein Has entgeht. Ein Lakey wollt ihn dem Herrn von Maulevrier zuführen: so legt' ich ihn nieder, und nahm ihn mit. Thät ich übel daran? – Mit nichten, sprach Gymnast, mit nichten, Bruder Jahn! ins drey Teufels Namen, mit nichten! – Darum halt dich nur fein an den Teufel weil er warm ist, versetzt' der Mönch. Potz heiliger Gott! was hätt der Hinker damit gethan! Bey des Herrn Leichnam! es ist ihm lieber, wenn man ihm ein gut Joch Ochsen schenkt. – Wie? sprach Ponokrates, Bruder Jahn! ihr flucht? – Ich thus nur mein Red damit zu schmücken, antwortet der Mönch. Es sind halt Färblein Ciceronischer Rhetorik.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 123-127.
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