Vierzigstes Kapitel.

[127] Warum die Mönch weltflüchtig sind, und warum man an etlichen längere Nasen find, als an andern.


Sowahr ich ein Christ bin, sprach Eudämon, ich sinn mich schier zum Narren über die gute Lebensart dieses Mönchs. Denn er macht uns hie all fröhlig und guter[127] Ding. Wie kommts dann aber, daß man die Mönch nur Freudenstörer zu schelten pflegt, und sie aus aller guten Gesellschaft stößt, wie die Immen die Horlsken von ihren Stöcken jagen? Ignavum fucos pecus, spricht Maro, a praesepibus arcent. – Darauf antwort' Gargantua: Es ist nichts wahrer als daß die Kutt und die Gugel allen Abscheu, Fluch und Verwünschungen der Welt auf sich ziehen, gleichwie der Wind Cäcias die Wolken anzeucht. Die peremptorische Ursach ist, weil sie den Dreck der Welt essen, das ist ihre Sünden. Drum stößt man sie als Unflath-Nager in ihre heimlichen Privet, das sind ihre Klöster und Abteyen, von der politischen Gemeinschaft abgesondert, wie die Privet in unsern Häusern. Wenn ihr aber wißt, warum ein Aff in einem Haus allzeit gefoppt und vexiret ist, werd ihr auch einsehen warum die Mönch in aller Welt bey Alt und Jung verabscheut sind. Der Aff, er hüthet nicht das Haus, wie der Hund; er zeucht nicht im Pflug, wie der Ochs; er bringt weder Woll noch Milch, wie das Schaaf, trägt auch kein Lasten, wie das Pferd. Sein ganzes Tun ist nur alles bescheissen und verderben. Daher er dann von jedermann verspottet und geschlagen wird.

So auch ein Mönch, (ich red hie nur von den müssigen Mönchen) er ackert nicht, wie der Bauer; er hüthet des Landes nicht, wie der Kriegsmann; heilet die Kranken nicht, wie der Arzt; er lehret und prediget nicht dem Volk, wie ein guter evangelischer Pfarrer und Schulmeister, führet dem Staat kein Waaren noch Nothdurft zu, wie der Handelsmann. Da habt ihr die Ursach warum sie allen ein Gräuel und Gespött sind. – Aber gleichwohl, sprach Grandgoschier, beten sie doch für uns. – Nichts weniger, antwort Gargantua. Wohl aber molestiren sie mit ihrem Glocken-Gepimpel die ganze Nachbarschaft. – Freylich, sprach der Mönch, ein Meß, ein Metten, ein Vesper wohl eingelitten, ist halb gelesen. – Mämmeln Legenden und Psalmen her, die schwere Meng, und verstehens nicht; zählen[128] ein Schock Paternoster ab, mit langen Ave Maria's gespickt, und denken nicht dran, und wissens nicht. Dieß heiss ich Gotts Gespött getrieben, nicht Gotts Gebet. Aber der Himmel erbarm sich ihrer, wo sie für uns beten, und nicht viel mehr aus Furcht um ihre fetten Bissen und Suppen zu kommen. Alle rechte Christen aller Ständ, Ort und Zeiten beten zu Gott und der Geist betet mit ihnen und spricht für sie, und Gott erhöret sie zu Gnaden. Ein solcher nun ist hie unser guter Bruder Jahn; derhalb wünscht ihn auch jeder sich zum Gesellen. Er ist kein Gleisner, geht nicht zerrissen; brav, resolut, lustig ist er, ein guter Kumpan. Er arbeit, schafft, beschirmt die Unterdruckten, tröstet die Traurigen, hilft den Angefochtnen, nimmt sich des Klostergartens an. – Ich thu wohl mehr, versetzt' der Mönch: denn wenn wir im Chor unsre Metten und Begängniß abthun, mach ich dazwischen Armbrustschnüren, schnitz Pfeil und Spannwinden, strick Netz und Garn zur Kanikel-Jagd. Müssig geh ich nimmer. Aber zu Trinken, holla, ho! zu Trinken, das Obst her! dieß sind Kästen vom Busch zu Estrocs. Ein gut Maas Neuen darauf gesetzt macht euch zu Furz Schalmeyen. Seyd hie noch nicht recht eingemöstelt. Bey Gott, ich trink aus allen Pfützen wie eines Promotoren Gaul. – Bruder Jahn, sprach Gymnastes zu ihm, thut aber doch dieß Tröpflein ab, das euch da an der Nas henkt. – Ha ha, spricht der Mönch, sollt ich darum ersaufen, weil mir das Wasser bis an die Nas steht? Nein, nein Quare? Quia es wohl herauslauft, nicht hinein; denn ich habs wohl verpicht mit Wein.

O mein Freund, wer doch Winterstiefel von solchem Leder hätt, der möcht keck Austern fischen gehn, denn niemals werden sie Wasser ziehen. – Wie aber, sprach Gargantua, kommt es doch daß unser Bruder Jahn so ein schön Näslein hat? – Daher, antwortet Grandgoschier, weil es Gott also wohl gefiel, der uns nach seinem ewigen Rathschluß in solcher Form und Weis erschafft, als wie ein Töpfer sein Geschirr. – Daher, antwort Ponokrates, weil er der erst auf dem Nasen-Markt war; da las er ihm die schönst und größt aus. – Gebts weiter, sprach der Mönch: nach ächter[129] Claustral-Philosophik ists daher kommen, daß meine Säugamm weiche Dütten hätt: wann sie mich säugt, da druckt' sich meine Nas ein, wie in Butter, und wuchs und lief drinnen auf, wie ein Teig in der Mulden. Die harten Dütten der Ammen machen den Kindern nur stumpfe Schaafsnasen. Aber lustig, lustig! Ad formam nasi cognoscitur ad te levavi. Ich eß mein Lebtag kein Confekt. Zum Zapfen, Bub! Item Rostschnitten!

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 127-130.
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