Sechs und Zwanzigstes Kapitel.

[286] Wie Pantagruel mit seinen Gesellen das Pökelfleisch zum Ekel ward, und wie Karpalim Wildpret jagen ging.


Während sie nun so tafelten, rief Karpalim: Aber zum heiligen Velten! solln wir denn nimmermehr Wildpret essen? dieß Pökelfleisch versalzt mir schier noch die Gurgel. Ich werd euch einen Schunken von den gebratenen Pferden dort holen; wird nun wohl gar seyn. – Und wie er itzt aufstund und es thun wollt, da erblickt' er von weitem am äussersten Saum des Waldes einen schönen grossen Rehbock, der aus dem Dickicht herfür spazirt war, wie ich glaub weil ihm das Feuer Panurgens in die Augen stach. Und Karpalim ihm augenblicklich so haarscharf nach, man hätt ihn eher für einen Armbrustbolzen gehalten, hascht' ihn in einem Augenblick, und währenden Laufens griff er noch mit seinen Händen aus der Luft vier grosse Trappen,

Sieben Birkhähn,

Sechsundzwanzig graue Rebhuhn,

Zweyunddreyssig rothe,

Sechzehn Fasanen,

Neun Schnepfen,

Neunzehn Reiger,

Zweyunddreyssig Ringeltauben,

und mit den Beinen ertrat er zehn bis zwölf Stück kleines Wild, halb Hasen, halb Canikel, die auch schon die Kinderschuh vertreten hätten,

Achtzehn Kreßler, Paar und Paar. Dann:

Funfzehn Frischling,

Zween Dächs,

Drey grosse Füchs,

gab itzt dem Rehbock mit seinem Malchus eins über den Schädel daß er starb, las auf dem Rückweg das andre Wild, die Hasen, Frischling und Kreßler zusamen, und schrie dabey so weit man ihn nur hören mocht: Panurg, mein Freund! Weinessig: Essig! Da gedacht der gute Pantagruel[287] daß ihm etwann flau wär worden, und befahl ihm Essig zu holen. Panurg merkt' aber den Hasen im Pfeffer gar wohl, und wies sogleich dem edeln Pantagruel den schönen Rehbock den er am Hals trug, und wie er um den ganzen Gurt mit Hasen bespickt war. Alsobald schnitzt' Epistemon, in der neun Musen Namen, neun schöne hölzerne Bratspieß auf antikisch, Eusthenes half abziehn, und statt der Brandböck stellt' Panurg geschickt ein Paar Rüstsättel von den Reitern auf; dann gaben sie ihrem Gefangenen die Spieß zu drehen, und brieten ihr Wildbret am selbigen Feuer bey dem sie zuvor die Reiter geschmort. Und itzt gings hoch her, muldenweis Weinessig drüber; des Teufels wär der Mann dems nicht vom Herzen ging: war ein Triumph, sie schnarpen zu sehen.

Da sprach Pantagruel: wollt Gott daß jeder von euch an seinem Kinn zwey Paar Falken–Schellen hängen hätt, und ich an meinem die grossen Glocken von Renes, Poictiers, Tour und Cambray; so sollt mal einer das Ständlein sehn, das wir mit unserm Kinnbacken-Tanz angeben wollten. – Aber, fing Panurg an, besser wär's doch, wir dächten ein wenig auf unsre Sach, und wie wir die Feind bezwingen möchten. – Ist wohl bedacht, sprach Pantagruel, und frug sofort den Gefangenen: Itzt, Freund, sag uns ohn Lug und Trug die lautere Wahrheit, so du nicht lebendig willt geschunden seyn. Denn wiß, Ich bin derjenige, welcher die kleinen Kinder frißet. Darum meld uns genau des Feindes Anzahl, Ordnung und Heeresmacht.

Drauf antwort der Gefangne: Herr, die Wahrheit euch zu sagen, wisset: es sind im Heer dreyhundert Riesen, über und über in Werkstein geharnischt und wundergroß, wiewohl nicht gar so groß als Ihr hie, bis auf Einen, ihr Oberhaupt; sein Nam ist Wärwolf; dessen Rüstung bestehet aus lauter Cyklopischem Amboß. Hundertdreyundsechzigtausend Fußvolk ganz in Koboltshaut, beherzte Leut und stark. Eilftausend vierhundert Küriser, dreytausend sechshundert Doppelkanonen, Ballester ohn Zahl, vierundneunzigtausend Schanzgräber, hundertfünfzigtausend Huren, schön wie die Göttinnen,[288] (– Futter für mich! fiel Panurg hier ein –) deren sind etlich Amazonen, etlich aus Lyon, Paris, Anjou, Poictou, Normandi, Tourain', aus Schwaben, von allen Ländern und Zungen sind drunter. – Aber, frug Pantagruel, ist auch der König dabey? – Ey wohl, Sire, antwortet der Gefangene, er ist in eigner Person dabey, und nennet sich Anarchos der Dipsoden König, das will sagen: der durstigen Leut, denn nimmer saht ihr ein durstiger und zechlustiger Volk. Und hat sein Zelt in der Riesen Wacht. – Genug schon! rief Pantagruel: Auf, Kinder! seyd ihr entschlossen, mit mir daran zu gehen? – Verdamm Gott den, antwort Panurg, der von euch läßt. Ich hab mir schon ausgedacht wie ich sie euch all miteinander todt wie die Schwein abschlachten will, daß von ihnen auch nicht eine Klau zum Beelzebub entwischen soll. Nur hab ich noch ein klein Bedenken. – Und welches? frug Pantagruel. – Wie ich, sprach Panurg, all die Huren die mit ihnen sind, an diesem einigen Nachmittag so hurtig durchpallaschen soll, daß auch nicht eine mir entkomm, die ich nicht nach gemeinem Strich über des Schusters Leisten schlüg. – Ha ha ha, sprach Pantagruel. – Und Karpalim: Daß dich der Teufel von Bitern'! Ich werd bey Gott auch Ein' anzapfen. – Und wie dann ich? sprach Eusthenes, was? ich, dem nun der Zeiger seit Rouen nicht gestanden hat, zumindest nicht bis auf Zehn oder Eilf, und hab ihn doch so stark und hart wie hundert Teufel. – Verlaß dich drauf, antwort Panurg, die allerderbsten und mastigsten die sollt Du haben. – Was? sprach Epistemon, reiten sie all, und soll ich etwann den Esel führen? Der Teufel hol den, der dieß thät. Wir brauchen Kriegsrecht, qui potest capere capiat. – Nix nix da, sprach Panurg, häng nur deinen Esel an den Zaun und reit mit den Andern! – Und der gute Pantagruel lacht' zu dem allen mit; darauf sprach er zu ihnen: Ihr macht die Rechnung ohn euern Wirth; ich sorg fast sehr, euch noch vor[289] Nacht so weit zu sehen, daß euch das Brunsten wohl vergehen wird, da man mit schweren Pikenstössen und Lanzen auf euch reiten dürft. – Basta, sprach Epistemon, ich schaff sie euch her zum Braten, Sieden, Schmoren, zu Pastet oder Fricassee. Sind ihrer lang noch nicht so viel als Xerxes hätt; das waren dreyssigmalhunderttausend streitbar Volk, wenn ihr anders dem Herodot und Trogus Pompejus glauben wollt; und gleichwohl hat sie Themistokles mit einer Hand voll Leut geschlagen. Macht euch, um Gott! nur keine Sorg. – Ey Quark, Ouark! rief Panurg, mein Latz hier, mein bloser Latz kartätscht euch das Mannsvolk so viel ihrer sind; und Sankt Fegeschlott der drinnen wohnt, die Weibsen. – Auf dann, sprach Pantagruel, vorwärts Kinder! und lasset uns auf den Weg begeben.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 286-290.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gargantua und Pantagruel
Gargantua. Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, 2 Bände
Gargantua und Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, in 2 Bdn.
Gargantua und Pantagruel