Zwey und Dreyssigstes Kapitel.

[450] Wie Rundibilis Hahnreyschaft für ein natürlich Zubehör des Ehestands erkläret.


Bleibt, fuhr Panurg fort, nur noch ein kleiner Punkt zu erörtern: (ihr wißt was auf der Römer-Fahn stand: S. P. Q. R. S'ist purer Ouark:) Werd ich auch nicht zum Hahnrey werden? – Potz Erdrich! rief Rundibilis, was fragt ihr mich? Ob ihr ein Hahnrey seyn werdet? Mein Freund, Ich bin ein Ehemann, ihr werdet mir folgen und einer werden; aber mit ehernem Griffel schreibt euch dieß Wort ins Hirn: Jedweder Ehmann schwebt in Gefahr ein Hahnrey zu werden. Die Hahnreyschaft ist ein natürlich Zubehör des Ehestandes. Der Schatten folgt dem Leibe nicht natürlicher als Hahnreyschaft den Eheleuten. Und wo ihr Einen die drey Wot: Er ist beweibt, aussprechen höret, und ihr entgegnet: Ergo ist er entweder, war, wird oder kann ein Hahnrey seyn, werdet ihr traun kein schlechter Grobschmidt natürlicher Schlüß gescholten werden.

Potz Hypochonder und tausend Teufel! schrie Panurg, was sagt ihr mir? – Mein Freund! versetzt' Rundibilis: Hippokrates, als er einmal von Lango gen Polistillo ging den weisen Demokrit zu besuchen, schrieb einen Brief an seinen alten Freund Dionysius, darinn er ihn bat sein Weib in seinem Abseyn zu ihren Eltern zu geleiten, welches ehrbare[450] Leut und wohl berufen waren, weil er nicht möcht daß sie in seinem Haus allein blieb. Nichts destoweniger sollt er aber sie sorgsam hüthen, wohl Achtung geben was sie mit ihrer Mutter für Weg ging, und was für Leut bey ihren Eltern zu ihr kämen. Nicht, schrieb er, daß ich in ihre Tugend und Sittsamkeit ein Mistraun setzt', die ich zeither ganz wohl erprobt und bewährt erfunden, sondern nur weil sie ein Weib ist. – Da habt ihrs gleich mit eins, mein Freund. Der Weiber Art stellt uns der Mond für, sowohl in vielen andern Stücken, als darinn daß sie in Gegenwart und unter den Augen ihrer Männer sich ducken, verstellen und Zwang anthun. Sobald die aber den Rücken wenden, nehmen sie ihres Vortheils wahr, machen sich gute Zeit, vagiren, wandern, schlenzen, ziehn die Larv ab und declariren sich: wie der Mond, in Conjunction mit der Sonnen, weder am Himmel noch auf Erden scheinet, wohl aber Gegenschein zu ihr, wann er der Sonn am fernsten steht, vollkommen rund und glänzend strahlt, zumal bey Nacht; so auch die Weiber allzumal.

Denn, sag ich: Weib, so mein ich ein so veränderlich, gebrechlich, unbeständig, wandelbar und unvollkommenes Geschlecht, daß die Natur mir (mit Respekt und aller schuldigen Ehrfurcht zu reden) von jenem richtigen Verstand, womit sie alles formirt und erschaffen, sich gar verirrt zu haben scheint, als sie das Weib erfand. Und wenn ichs auch hundert und hundert Mal bedenk, komm ich auf keinen andern Schluß, als daß sie mit Erschaffung des Weibes mehr auf des Mannes gesellige Lust und Mehrung des Geschlechtes bedacht war, denn auf Vollkommenheit des Weibes in sich selbst. Fürwahr, auch Plato weiß nicht zu welcher Class er sie zählen soll, ob zu den vernünftigen Wesen, oder zu dem blöden Vieh. Denn ihnen hat die Natur an einen geheimen und innerlichen Theil ihres Leibes ein Thier, ein Glied gesetzt, das nicht beym Mann ist, darinn sich unterweilen allerhand salzige, nitrose, borachalische, baitzende, ätzendscharfe, prickelnde und bitterkitzelnde Säft erzeugen, durch deren Stich und schmerzhaft Krabeln (zumal dieß Glied voll Nerven und lebendiger Empfindung ist) ihr ganzer Leib erschüttert wird, all ihre Sinnen ausser sich, all ihre Affecten in Verwirrung, und die Gedanken[451] in Aufruhr gerathen. Dergestalt daß, wenn die Natur ihnen nicht noch mit ein wenig Schaam die Stirn besprengt hätt, ihr sie würdet wie rasend Nestellaufen sehen, abscheulicher als nimmermehr die Proetiden, Mimalloniden und die Bacchantischen Thyaden an ihrem Bacchanalienfest: weil dieses schreckliche Thier mit allen fürnehmsten Theilen ihres Leibes zusammenhangt, wie aus der Anatomi ersichtlich.

Thier nenn ich es sowohl nach akademischen, als peripatetischem Lehrbegriff. Denn wenn eigne Bewegung ein sicheres Merkmal jedes lebendigen Wesens ist, wie Aristoteles schreibt, und alles was sich von selbst beweget Thier heißt, so nennt es Plato mit gutem Fug ein Thier, weil er in ihm die eigenen Bewegungen der Suffocation, der Corrugation, Indignation und Präcipitation bemerket, und zwar so heftig, daß durch sie den Weibern oft jeder andre Sinn und Bewegung benommen wird, gleich als wie durch Synkope, Lipothymi, Epilepsi, Apoplexi und wahre Todes-Aehnlichkeit. Ausserdem sehn wir in diesem Glied auch eine deutliche Unterscheidung der Gerüch, und merken die Frauen, daß es die stinkenden flieht, die Gewürzigen aufsucht. Zwar weiß ich wohl daß sich Galen zu erweisen bemühet als wären dieß keine selbsteigne Bewegungen, sondern durch Zufall; und daß auch Andre seiner Sekt zu zeigen trachten, es sey kein unterscheidender Sinn der Gerüch in ihm, vielmehr nichts weiter als eine verschiedene Wirksamkeit, herrührend von der Verschiedenheit der ruchbaren Ding. Wenn ihr jedoch ihre Gründ und Reden treulich prüfen und auf des Critolai Wagschaal abwägen wollt, werd ihr wohl finden daß sie sowohl in diesem Stück als viele andere mehr, zum Scherz und aus Begier geschrieben haben ihren[452] Meistern zu widersprechen, denn um Erforschung der Wahrheit willen.

In diesen Streit laß ich mich itzt nicht weiter ein, und sag nur dieß noch: daß das Verdienst der züchtigen Frauen nicht klein ist, die keusch und untadlich gelebt und so viel Tugend besessen haben dieß unbändige Thier im Zaum der Vernunft zu erhalten. Und schließlich sey hinzugefügt: daß, wenn dieß Thier ersättigt ist (wofern es anders je satt kann werden) durch die ihm von der Natur im Mann bereite Nahrung; daß alsdann all seine eignen Bewegungen zur Ruh gebracht, all seine Trieb erfüllt, all seine Furien beschwichtigt sind. Drum laßt es euch nicht wundern wenn wir in steter Gefahr sind Hahnreys zu werden, die wir doch nicht zu allen Stunden mit baarer Münz zu gnüglicher Zahlung beschlagen sind.

Ey daß mich doch was anders biß! versetzt' Panurg; wißt ihr dawider denn gar kein Mittel in eurer Kunst? – Gar wohl, mein Freund, sprach Rundibilis, und ein sehr gutes; ich brauchs selbst. Es steht in einem berühmten Author schon über achtzehnhundert Jahr. Vernehmt. – Nun, rief Panurg, ihr seyd doch beym Kreuz Gottes! ein Ehrenmann: ich hab euch wahrlich zum Fressen lieb. Da, nehmt von dieser Quitten-Pastet; sie constringiren gar geschickt das Orificium Ventriculi mittelst einer ergötzlichen Stypticität die ihnen beywohnt, und helfen zu der ersten Dauung. Doch was! ich red wohl gar Latein vor den Gelahrten? Wartet, daß ich euch diesen Nestorischen Stauffen füll! Wollt ihr noch einen Schluck weissen Hippokras? Ihr braucht euch nicht vor der Squinanthi zu fürchten, bei Leib! ist kein Squinanthum drinn, noch Ingwer, noch Paradiskörnlein: nur edler auserlesner Zimmet, der feinste Zucker, und guter Weiß-Wein vom Gewächs der Devinier' im Garten zum grossen Speyerling gleich oben überm Wallnußbaum.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 450-453.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gargantua und Pantagruel
Gargantua. Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, 2 Bände
Gargantua und Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, in 2 Bdn.
Gargantua und Pantagruel